Entscheidungsstichwort (Thema)
Nur Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts können Arbeitgeber i. S. des § 42d EStG sein
Normenkette
EStG § 42d; BGB §§ 427, 735; AO 1977 § 44 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war zusammen mit dem verstorbenen P Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR). Diese hatte einen Handwerksbetrieb zum Gegenstand. Ausweislich der Schlußbilanz per 30.Juni 1977 war die GbR überschuldet. Die Eröffnung des Konkursverfahrens über den Nachlaß des P ist mangels Masse abgelehnt worden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) nahm den Kläger mit Haftungsbescheid vom 8.Dezember 1978 als Gesellschafter der GbR für von der GbR einbehaltene und nicht abgeführte Lohnsteuerabzugsbeträge im Haftungswege in Anspruch.
Einspruch und Klage hatten nur hinsichtlich der Höhe des Haftungsbetrags geringfügigen Erfolg.
Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, das FA habe ihn nicht durch Haftungsbescheid als Gesellschafter in Anspruch nehmen dürfen. Es habe lediglich die Möglichkeit, seine Befriedigung aus dem Nachschußanspruch des § 735 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu suchen. Dieser Anspruch jedoch sei nur vor den Zivilgerichten durchsetzbar, weil eine dem § 113 der Reichsabgabenordnung (AO) entsprechende Vorschrift in die Abgabenordnung (AO 1977) nicht aufgenommen worden sei. Entgegen der in der Begründung zu § 172 des Regierungsentwurfs zur AO 1977 geäußerten und vom Finanzgericht (FG) vertretenen Auffassung könne eine Haftung des Klägers über § 427 BGB nicht hergeleitet werden. Das FA habe mit der Inanspruchnahme des Klägers auch sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weil die tatsächliche Aufklärung unvollständig sei. Selbst aber wenn die tatsächlichen Feststellungen erschöpfend sein sollten, hätte das FA zunächst prüfen müssen, ob zuvor die GbR als Steuerschuldner hätte in Anspruch genommen werden müssen. Dann hätte das FA prüfen müssen, ob hier ein Billigkeitserlaß in Betracht komme. Erst dann hätte er, der Kläger, in Anspruch genommen werden dürfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Der angefochtene Haftungsbescheid ist rechtmäßig. Das ergibt sich aus § 44 Abs.1, § 191 Abs.1 AO 1977 i.V.m. § 42d des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Nach § 191 AO 1977 kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, also Haftungsschuldner ist. Der Kläger haftet nach § 42d EStG für die einbehaltenen, aber nicht abgeführten Lohnsteuerabzugsbeträge, weil er als Gesellschafter einer GbR zusammen mit dem Mitgesellschafter P Arbeitgeber war. Das ergibt sich aus folgendem: Der in § 42d EStG verwendete Begriff des Arbeitgebers wird im Gesetz nicht definiert. Zu seiner Bestimmung muß daher auf den Sinn und Zweck der Arbeitgeberhaftung zurückgegangen werden. Dieser erschöpft sich in der Schaffung einer Sanktion für die öffentlich- rechtliche Verpflichtung jedes Arbeitgebers zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, also der Einkommensteuer, die bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben wird (§ 38 Abs.1 Satz 1 EStG). Das wesentliche Merkmal der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit besteht darin, daß sie aus einem gegenwärtigen oder früheren Dienstverhältnis bezogen werden (§ 19 Abs.1 EStG). Demzufolge muß auch für die Bestimmung des Begriffs "Arbeitgeber" auf das Arbeitnehmer und Arbeitgeber verbindende Dienstverhältnis zurückgegriffen werden (vgl. auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 19 EStG Anm.35). Ein solches Dienstverhältnis kann nur zwischen einem Arbeitnehmer und den Gesellschaftern, nicht aber zwischen einem Arbeitnehmer und einer GbR zustande kommen, weil eine GbR zivilrechtlich nicht Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Folglich kann hinsichtlich des "Arbeitnehmers einer GbR" auch nicht die GbR, sondern können immer nur deren Gesellschafter Arbeitgeber i.S. des § 42d EStG sein. Die sich für diese daraus ergebenden Verpflichtungen obliegen ihnen gesamtschuldnerisch (§ 44 Abs.1 AO 1977). Die vom FG angezogene Vorschrift des § 427 BGB findet keine Anwendung, weil sie zur Voraussetzung hat, daß sich mehrere durch Vertrag zu einer teilbaren Leistung verpflichten. Das ist hier nicht der Fall; denn der Kläger haftet als Gesamtschuldner kraft Gesetzes, nämlich nach § 42d EStG für einbehaltene, aber nicht abgeführte Lohnsteuerabzugsbeträge.
Aus diesem Grund vermag der Senat auch der Ansicht des Klägers nicht zu folgen, wonach die "Verschuldung" der Gesellschafter nicht kraft Gesetzes, sondern als Ausfluß des zivilrechtlich mit Wirkung für und gegen sie von einem vertretungsberechtigten Gesellschafter abgeschlossenen Verpflichtungsgeschäfts entstanden sei. Diese Überlegungen mögen für das mit einem Arbeitnehmer abgeschlossene Dienstverhältnis zutreffen, nicht aber für die daran anknüpfenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer und für die bei Nichterfüllung dieser Pflichten eintretenden Haftung.
Damit kann auch der Kläger mit seiner Auffassung, das FA könne sich wegen der geltend gemachten Forderungen nur aus dem Nachschußanspruch (§ 735 BGB) befriedigen, nicht durchdringen. Eine solche Beschränkung würde voraussetzen, daß das FA eine Tilgung der Lohnsteuernachforderungen nur aus dem Gesellschaftsvermögen, aber nicht unmittelbar von einem Gesellschafter verlangen kann. Das ist jedoch, wie sich aus § 42d EStG ergibt, wonach der Kläger als Gesellschafter unmittelbar haftet, nicht der Fall.
Das FA hat mit der Inanspruchnahme des Klägers auch nicht ermessensfehlerhaft gehandelt. Ein Ermessensverstoß scheidet aus, weil Gesellschaftsvermögen der GbR nicht mehr vorhanden ist und hinsichtlich des verstorbenen Mitgesellschafters P die Eröffnung des Nachlaßkonkursverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde. Eine Inanspruchnahme der Arbeitnehmer war nach § 42d Abs.3 Satz 3 EStG ausgeschlossen.
Fundstellen