Entscheidungsstichwort (Thema)
Dauernde Last aufgrund eines Vermögensübergabevertrages
Leitsatz (NV)
Übertragen Eltern ihren Kindern existenzsicherndes Vermögen gegen Versorgungsleistungen, handelt es sich um einen Versorgungsvertrag, der dem Altenteilsvertrag zumindest vergleichbar ist. Im Hinblick auf die Rechtsnatur des Versorgungsvertrages sind die wiederkehrenden Leistungen im Regelfall als dauernde Last abziehbar (Folgeentscheidung zu BFH-Beschluß vom 15. Juli 1992 GrS 1/90, BFHE 1165, 225, BStBl II 1992, 78).
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a S. 1, § 12 Nr. 2
Tatbestand
Der Vater des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) übertrug diesem mit Vertrag vom 10. Oktober 1978 ein Grundstück und das auf dem Grundstück betriebene . . . geschäft (Gewinne 1979 68 588 DM; 1980 68 950 DM; 1981 74 823 DM). Er verpflichtete sich, seinen Eltern als Gesamtberechtigten auf Lebenszeit eine monatliche Rente in Höhe von 1500 DM zu zahlen. Diese Rente war durch eine an den Lebenshaltungskostenindex gekoppelte Wertsicherungsklausel gesichert und sollte als Reallast im Grundbuch eingetragen werden. Der Kläger räumte seinen Eltern ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht auf dem übertragenen Grundstück und ein Mitbenutzungsrecht an einer Ferienwohnung ein. Er verpflichtete sich, die Krankenkassenbeiträge für seine Eltern in der jeweils sich ergebenden Höhe zu übernehmen.
Den Wert der Leistungen hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) mit insgesamt 112 136 DM berechnet (Rente 89 388 DM, Wohnrecht 13 810 DM, Krankenversicherungsbeiträge 8938 DM).
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 28. Januar 1981 vereinbarte der Kläger mit seinen Eltern folgendes:
,,Die Rentenvereinbarung . . . wird wie folgt klargestellt bzw. ergänzt:
Die Möglichkeit einer Abänderung nach § 323 ZPO bleibt ausdrücklich vorbehalten."
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1981 beantragte der Kläger, eine dauernde Last in Höhe von 18 638 DM zum Abzug als Sonderausgaben zuzulassen. Das FA berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid die Rentenzahlung in Höhe von 18 000 DM als Leibrente mit einem Ertragsanteil von 9 v. H. (= 1620 DM) und einen Betrag in Höhe von 638 DM als dauernde Last.
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte der Kläger geltend: Bei Abschluß des Grundstücksüberlassungsvertrages im Jahre 1978 sei mündlich vereinbart worden, daß die Zahlungen an den Vater zwar fest vereinbart sein sollten, die Änderungsmöglichkeit nach der jeweiligen Geschäftslage des überlassenen Unternehmens jedoch ausdrücklich vorbehalten bleiben sollte. Die schriftliche Vereinbarung sei nur versehentlich unterblieben und am 28. Januar 1981 nachgeholt worden.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im wesentlichen statt. Die Zahlung des Klägers sei, soweit sie nach dem 28. Januar 1981 geleistet worden sei, eine dauernde Last.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Der erkennende Senat hat durch Beschluß vom 25. April 1990 X R 38/86 (BFHE 160, 33, BStBl II 1990, 625) dem Großen Senat u. a. die Rechtsfrage vorgelegt, ob bare Altenteilsleistungen auch dann in vollem Umfang als dauernde Last abziehbar sind, wenn die Vertragspartner keine besonderen Vereinbarungen über die Abänderbarkeit der Leistungen der Höhe nach - z. B. durch ,,Bezugnahme auf § 323 der Zivilprozeßordnung" - getroffen haben. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat die vorgelegten Rechtsfragen mit Beschluß vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78) beantwortet. Auf diese Entscheidungen nimmt der erkennende Senat Bezug.
Die Revision ist unbegründet.
Schon die auf der Grundlage des Vertrages vom 10. Oktober 1978 gezahlten Leistungen sind, weil abänderbar, als dauernde Last abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Die Abänderbarkeit folgt hier zwar nicht aus einem ausdrücklichen Änderungsvorbehalt, aber aus der Rechtsnatur des Übergabevertrages als Versorgungsvertrag.
1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Leibrenten können - nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG - nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG aufgeführten Ertragswerttabelle ergibt.
2. Der Große Senat des BFH hat bereits im Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, 326 f., BStBl II 1990, 847, dort unter C. II. 1. a) die zivil- und steuerrechtliche Sonderstellung des Vermögensübergabevertrages hervorgehoben. In seinem Beschluß in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C. II. 2. und 3. hat der Große Senat zur Unterscheidung von Leibrente und dauernder Last ausgeführt:
In sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe vereinbarte wiederkehrende Geld- und Sachleistungen sind dauernde Lasten, wenn sie nicht gleichbleibend sind (unter C. II. 3.). Auch soweit Geldleistungen Inhalt eines solchen Versorgungsvertrages sind, haben die Vertragschließenden die rechtlich anerkannte Möglichkeit, diese als abänderbar und damit als dauernde Last zu vereinbaren. Für eine steuerrechtlich zu beachtende Änderungsklausel genügt der ,,Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO", weil dies so zu verstehen ist, daß der Vertrag nach Maßgabe des materiellen Rechts, auf das diese Vorschrift Bezug nimmt, abänderbar sein soll. Fehlt eine Bezugnahme auf § 323 ZPO, kann sich eine gleichwertige Änderungsmöglichkeit aufgrund eines Vertragsinhalts ergeben, der eine Anpassung nach den Bedürfnissen des Vermögensübergebers und/oder der Leistungsfähigkeit des Übernehmers erlaubt (unter C. II. 3. c). Ein Anwendungsfall des Versorgungsvertrages kann der Altenteilsvertrag (Art. 96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB -) sein (unter C. II. 1. d).
3. Im Anschluß hieran hat der erkennende Senat mit Urteil vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564 BStBl II 1992, 499 entschieden: Die Verweisung auf Inhalt bzw. Rechtsnatur des anläßlich einer Vermögensübergabe vereinbarten Versorgungsvertrages führt dazu, daß Versorgungsleistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe (Übergabe von existenzsicherndem Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge) vereinbart werden, im Regelfall abänderbar sind. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.
4. Der Kläger und seine Eltern haben in dem Vertrag vom 10. Oktober 1978 eine Vermögensübergabe gegen der Höhe nach abänderbare Versorungsleistungen vereinbart.
Eine Abänderbarkeit ergibt sich aus der Rechtsnatur des Übergabevertrages als Versorgungsvertrag. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich hier um einen Altenteilsvertrag im Sinne des Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Land Schleswig-Holstein - AGBGB SH - vom 27. September 1974 (Gesetz- und Verordnungsblatt Schleswig-Holstein - GVBl SH - 1974, 357) handelt. Auf die Zuordnung zum Altenteilsvertrag im Sinne des Schleswig-Holsteinischen Landesrechts kommt es letztlich nicht an. Da existenzsicherndes Vermögen gegen Versorgungsleistungen übertragen worden ist, handelt es sich um einen Versorgungsvertrag, der dem landesrechtlich geregelten Altenteilsvertrag zumindest vergleichbar ist. Aus der zivil- und steuerrechtlichen Rechtsnatur der Versorgungsleistungen als vorbehaltene Vermögenserträge folgt für deren Abänderbarkeit, daß die wirtschaftlichen Risiken des Vertrages nicht - vorbehaltlich eines nur unter besonderen Voraussetzungen anzunehmenden Wegfalls der Geschäftsgrundlage - ein für allemal unabänderlich nach den im ursprünglichen Vertrag festgelegten Bedingungen verteilt sind. Damit entspricht der Vertrag dem Typus des Versorgungsvertrages, den der Gesetzgeber dem Rechtsinstitut der dauernden Last zugeordnet hat.
Fundstellen
Haufe-Index 418365 |
BFH/NV 1992, 595 |