Leitsatz (amtlich)
Die EinfHaus-VO kann auf ein Einfamilienhaus, bei dem die gesamte Grundfläche mehr als das Zwanzigfache der bebauten Grundfläche beträgt, auch dann nicht angewandt werden, wenn das Grundstück ungünstig geschnitten ist.
Normenkette
EStG 1958 § 21 Abs. 2; EinfHaus-VO § 4; AO § 217
Tatbestand
Streitig ist, ob die Einkünfte des Klägers und Revisionsklägers (Steuerpflichtiger) aus Vermietung und Verpachtung nach der EinfHaus-VO oder durch Überschußrechnung zu ermitteln sind.
Der Steuerpflichtige erwarb im Jahre 1961 ein unbebautes Grundstück von 2 500 qm in X zum Kaufpreis von 5 000 DM. Das Grundstück liegt in einer Straßengabel und ist deshalb keilförmig geschnitten. Die Seitenmaße betragen zu den Straßen hin rund 80m und 75 m, im übrigen 60m und - an der abgeflachten Spitze - ca. 7 m. Nachdem der Steuerpflichtige für das als Siedlerstelle vorgesehene Grundstück die Genehmigung zum Bau eines Wohnhauses erhalten hatte, errichtete er dort 1963 ein Einfamilienhaus in Fertigbauweise mit Herstellungskosten von rund 85 000 DM. Die bebaute Fläche beträgt 80 qm, die Wohnfläche bei vier Räumen im Erdgeschoß und drei Räumen im Untergeschoß 94 qm, der umbaute Raum 396 cbm. Zum 1. Januar 1964 wurde das Grundstück als Einfamilienhaus mit einem Einheitswert von 9 000 DM, Bodenwertanteil 1 250 DM, bewertet.
Auf Grund einer Betriebsprüfung für die Jahre 1964 bis 1967 hielt das FA die EinfHaus-VO für nicht anwendbar, weil die Grundstücksfläche gemäß § 4 EinfHaus-VO das Zwanzigfache der bebauten Fläche übersteige. Es schätzte deshalb mit rechtskräftig gewordenen Berichtigungsbescheiden die Einnahmen aus dem Grundstück mit jährlich 5 000 DM. Auch im Steuerbescheid 1968 legte es dementsprechend als Einkünfte 260 DM zugrunde. Mit seiner Sprungklage, der das FA zugestimmt hat, begehrte der Steuerpflichtige dagegen Ansatz eines Verlustes von 3 999 DM, den er auf Grund der erhöhten AfA nach § 7b EStG ermittelte, wobei er die Einkünfte nach § 2 EinfHaus-VO mit 3,5 v. H. des Einheitswerts von 9 000 DM = 315 DM abzüglich Schuldzinsen in gleicher Höhe mit 0 DM errechnete. Die Klage hatte Erfolg. Das FG hielt die EinfHaus-VO auf Grund wirtschaftlicher Betrachtungsweise für anwendbar.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 4 EinfHaus-VO in Verbindung mit § 29 Abs. 3 EStG.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und zu erkennen, daß die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach dem Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln seien.
Der Steuerpflichtige beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz.
Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, daß es auf die Auslegung der Vorschrift des § 4 EinfHaus-VO ankommt. Denn das Grundstück ist im Einheitswertverfahren gemäß § 218 Abs. 2 AO bindend als Einfamilienhaus bewertet worden und über seine Nutzung als solches besteht kein Streit. Nach § 4 Satz 1 EinfHaus-VO sind die Bestimmungen der Verordnung "nur auf Einfamilienhäuser anzuwenden, bei denen die gesamte Grundfläche nicht größer als das Zwanzigfache der bebauten Grundfläche ist". Für die Fälle, in denen zufolge dieser Regelung die Verordnung nicht anzuwenden ist, sieht Satz 2 der Vorschrift vor, daß der Einkommensteuer mindestens ein Betrag zugrunde gelegt wird, der sich bei Anwendung der Verordnung ergeben würde. Der Wortlaut des § 4 EinfHaus-VO ist klar und eindeutig (Entscheidung des BFH VI 292/64 U vom 20. Oktober 1965, BFH 84, 37, BStBl III 1966, 13). Danach sind auf die dort bezeichneten Grundstücke die Vorschriften der EinfHaus-VO nur insoweit anwendbar, als mindestens - nicht höchstens - deren Ergebnisse zugrunde gelegt werden müssen. Eine vom klaren Wortlaut abweichende Auslegung wäre nach ständiger Rechtsprechung (BFH-Entscheidungen I 208/60 S vom 27. Februar 1962, BFH 74, 662, BStBl III 1962, 244; IV 26/62 S vom 21. Februar 1964, BFH 78, 490, BStBl III 1964, 188) nur statthaft, wenn die wortgetreue Interpretation zu offenbar sinnwidrigen Ergebnissen führen würde. Das ist hier nicht der Fall. Der Verordnungsgeber durfte den Anwendungsbereich seiner Regelung vom Typ des üblichen Einfamilienhauses ausgehend auf Grundstücke mit einer bestimmten Fläche begrenzen. Daß der Nutzungswert von Einfamilienhäusern mit übergroßer Grundfläche nach allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln ist, stellt keine unverständliche Regelung dar.
Mithin muß der Nutzungswert im Streitfall durch Schätzung festgestellt werden. Der Nutzungswert ergibt sich aus der Gegenüberstellung des Bruttonutzungswerts und der tatsächlichen Werbungskosten. Als Bruttonutzungswert ist grundsätzlich die mutmaßliche Rohmiete (Marktmiete) anzusetzen. Welche Vergleichsobjekte im Rahmen der Feststellung der Marktmiete heranzuziehen sind, bestimmt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls. Sind in der näheren Umgebung nicht genügend vergleichbare Wohngrundstücke vorhanden, so ist nicht nur auf dem örtlichen, sondern auch auf den überregionalen Wohnungsmarkt abzustellen.
Die in der neueren Rechtsprechung des BFH anerkannte Errechnung des Nutzungswerts anhand des Anschaffungs- bzw. Herstellungsaufwands und der Unterhaltskosten (Kostenmiete) kommt nur mehr hilfsweise in Betracht, vor allem wenn sich die Marktmiete nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten feststellen läßt (BFH-Entscheidungen VI R 175/66 vom 8. März 1968, BFH 92, 8, BStBl II 1968, 435; VI R 336/67 vom 12. September 1969, BFH 96, 527, BStBl II 1969, 727). Ferner ist der anhand der Kostenmiete zu ermittelnde Nutzungswert im allgemeinen dann maßgeblich, wenn er den aus der Marktmiete abgeleiteten Nutzungswert übersteigt. Denn das Wohnen im eigenen Haus ist dem Nutzenden dann diesen höheren Aufwand wert. Eine andere Beurteilung greift z. B. Platz, wenn und soweit das Grundstück nicht Wohnzwecken dient. Der Senat verweist hierzu auf das Urteil des RFH VI A 80/27 vom 8. Februar 1928 (RFH 23, 46).
Die Vorentscheidung muß, da sie von einer anderen Rechtsansicht ausgegangen ist, aufgehoben werden. Wegen des Erfordernisses weiterer tatsächlicher Feststellungen vermag der Senat nicht in der Sache selbst zu erkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 422743 |
BStBl II 1972, 759 |
BFHE 1972, 57 |