Leitsatz (amtlich)
Orchestermusiker, die neben ihrer nichtselbständigen Haupttätigkeit im Orchester gelegentlich für ihren Arbeitgeber künstlerisch tätig sind, können insoweit Nebeneinkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG haben, als die Tätigkeit nicht zu den Nebenpflichten aus dem Dienstvertrag gehört.
Normenkette
EStG §§ 18-19, 34 Abs. 4
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) war im Streitjahr 1966 aufgrund eines Anstellungsvertrages als I. Hornist im Symphonieorchester einer Rundfunkanstalt tätig. Sein Arbeitgeber unterwarf die Bruttobezüge des Steuerpflichtigen dem Lohnsteuerabzug. Nach der Gehaltsbescheinigung enthielten die Bruttobezüge Honorareinnahmen von 830 DM. Der Steuerpflichtige beantragte für diese Einnahmen die Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 4 EStG mit der Begründung, sie seien für bestimmte einzelne Veranstaltungen oder Tonaufnahmen mit der Rundfunkanstalt frei vereinbart und vom Rundfunk aufgrund selbständiger Verpflichtungsverträge unabhängig von dem Arbeitsverhältnis gezahlt worden.
Der Revisionskläger (FA) gewährte dem Steuerpflichtigen zwar für weitere Honorareinkünfte, die er für Darbietungen bezogen hatte, die nicht von dieser Rundfunkanstalt veranstaltet worden waren, die beantragte Steuervergünstigung. Für den Betrag von 830 DM lehnte das FA jedoch den Antrag ab, da es sich hierbei um einen Teil des Gesamtgehaltes gehandelt habe. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das FG hielt die 830 DM für begünstigungsfähige Nebeneinkünfte aus künstlerischer Tätigkeit. Es führte aus, der Steuerpflichtige sei aufgrund des Arbeitsverhältnisses mit der Rundfunkanstalt nur zur Mitwirkung im Symphonieorchester verpflichtet gewesen. Der Dienstvertrag habe zwar keine ausdrückliche Beschränkung auf die Mitwirkung in einem bestimmten Orchester enthalten. Jedoch sei nach dem Manteltarifvertrag die Verpflichtung zur Mitwirkung ausdrücklich auf das jeweilige Orchester, dem der einzelne Musiker angehöre, beschränkt. Für anderweitige Darbietungen würden die Mitwirkenden jeweils gesondert durch Abschluß formularmäßiger Verpflichtungsverträge gewonnen, die auch für nicht beim Rundfunk beschäftigte Künstler allgemein verwendet würden. Die gelegentliche Mitwirkung des Steuerpflichtigen bei besonderen Veranstaltungen und Tonaufnahmen seines Arbeitgebers sei als selbständige Nebentätigkeit anzusehen, zu der der Steuerpflichtige nach dem Inhalt des Dienstvertrages nicht verpflichtet gewesen sei. Der Honorarbetrag sei deshalb nicht als Arbeitslohn anzusehen, obwohl der Steuerpflichtige ihn von seinem Arbeitgeber bezogen habe.
Mit der Revision rügt das FA, die Honorareinkünfte seien von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht abgrenzbar. Das FG habe einen engen Zusammenhang zwischen der Orchestertätigkeit des Steuerpflichtigen und seiner sonstigen Tätigkeit für denselben Arbeitgeber bejaht, aber entgegen der Rechtsprechung des BFH die Tarifbegünstigung nicht ausgeschlossen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision hat keinen Erfolg.
Die Vorentscheidung trifft zu. Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit werden auf Antrag nach § 34 Abs. 4 EStG tarifbegünstigt, wenn es sich um Nebeneinkünfte aus selbständiger Tätigkeit handelt. Diese Nebeneinkünfte müssen neben Einkünften aus nichtselbständiger künstlerischer oder nichtkünstlerischer Arbeit oder neben Einkünften aus einer selbständigen Berufstätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bezogen werden. Ob es sich um Nebeneinkünfte aus selbständiger Tätigkeit handelt, ist nach dem Rechtsverhältnis zu beurteilen, aufgrund dessen die künstlerische Tätigkeit geleistet wird (BFH-Urteil VI R 83/66 vom 19. Januar 1968, BFH 91, 308, BStBl II 1968, 309). Den Grundsatz der selbständigen Beurteilung des steuerrechtlichen Charakters der Nebeneinkünfte hat der BFH in dem Urteil VI 183/59 S vom 24. November 1961 (BFH 74, 97, BStBl III 1962, 37) eindeutig ausgesprochen und in der Entscheidung VI 320/63 vom 5. Februar 1965 (HFR 1965, 373) ausdrücklich bestätigt.
Sind die Haupteinkünfte des Steuerpflichtigen solche aus nichtselbständiger Arbeit, so ist es oftmals zweifelhaft, ob die Nebeneinkünfte nicht auch aus dem Dienstverhältnis fließen, wenn sie - wie im Streitfall - vom Arbeitgeber des Steuerpflichtigen stammen. Der BFH hat diese Frage bejaht, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten, mit denen die Einkünfte erzielt werden, in der Weise besteht, daß die zu den Nebeneinkünften führende Tätigkeit die Ausübung des Hauptberufs voraussetzt. Das wird, wie das FG zutreffend ausführt, im allgemeinen der Fall sein, wenn dem Steuerpflichtigen aus seinem Dienstverhältnis Nebenpflichten obliegen, die zwar im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich vorgesehen sind, deren Erfüllung der Arbeitgeber aber nach der tatsächlichen Gestaltung des Dienstverhältnisses und nach der Verkehrsauffassung erwarten darf, auch wenn er die zusätzlichen Leistungen besonders vergüten muß. Als Nebenpflichten können jedoch nur solche Pflichten gelten, die in einer unmittelbaren Beziehung zu der nicht selbständig ausgeübten Tätigkeit stehen. Bietet der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer die Möglichkeit, Fähigkeiten, die seiner nichtselbständigen Arbeit dienen oder die der Steuerpflichtige bei deren Ausübung erworben hat, außerhalb der vereinbarten Dienstleistung zu verwerten, so erfüllt der Steuerpflichtige in der Regel keine Nebenpflichten aus seinem Dienstverhältnis. Leistungen, die nach dem Dienstverhältnis nicht geschuldet werden, führen nicht zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, selbst wenn die Vergütung für diese Leistungen vom Arbeitgeber gezahlt wird.
Das FG hat bei seiner Entscheidung diese Grundsätze beachtet. Es hat die Tätigkeiten des Steuerpflichtigen unabhängig voneinander geprüft. Nach den Feststellungen des FG war der Steuerpflichtige aufgrund seines Dienstverhältnisses als Mitglied des Symphonieorchesters zur Mitwirkung bei besonderen Veranstaltungen und Tonaufnahmen der Rundfunkanstalt nicht verpflichtet. Die künstlerische Betätigung des Steuerpflichtigen bei derartigen Veranstaltungen stand deshalb mit seiner Tätigkeit als I. Hornist im Orchester in keinem unmittelbaren Zusammenhang. Der Steuerpflichtige wurde als Künstler auf seinem Instrument durch besondere Vereinbarungen von der Rundfunkanstalt zur Mitwirkung persönlich verpflichtet. Der Abschluß dieser Vereinbarungen beruhte auf der freien Entscheidung des Steuerpflichtigen. Er hatte insoweit die Stellung von Musikern, die nicht zum Orchester gehörten. Ob dem Steuerpflichtigen wegen seiner Zugehörigkeit zum Orchester der Abschluß der Verpflichtungsverträge bevorzugt angeboten wurde, ist weder vorgetragen worden nach entscheidungserheblich.
Das Revisionsgericht ist an diese tatsächliche Feststellung des FG, gegen die das FA keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht hat, gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Zur Begründung der Behauptung, die Honorareinkünfte des Steuerpflichtigen seien von seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht abgrenzbar, hat das FA nichts dargetan. Es hat sich weder mit den Feststellungen des FG auseinandergesetzt, noch einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften gerügt. Die Revision konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 413059 |
BStBl II 1972, 212 |
BFHE 1972, 570 |