Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Ein für einen Zweckverband zugelassener Tiefladeanhänger wird zur Müllabfuhr verwendet, wenn er eine Planierraupe zwischen Müllabladeplätzen befördert, die nur der Einräumung des Mülls dient.
Normenkette
KraftStG § 2 Nr. 3, § 2/3/a
Tatbestand
Der Kläger, ein öffentlich-rechtlicher Müllabfuhr-Zweckverband der Gemeinden eines Landkreises (Steuerpflichtiger - Stpfl.), meldete am 27. Februar 1961 einen erstmals zugelassenen Tiefladeanhänger zur Kraftfahrzeugsteuer an. Er versteuerte das Fahrzeug auf Grund einer Steuerfestsetzung des Finanzamts (FA) für die Zeit vom 27. Februar bis 26. Mai 1961 mit 607,20 DM.
Der Einspruch gegen den Steuerbescheid war erfolglos. Mit der Berufung beantragte der Stpfl. erneut Steuerbefreiung für das Halten des Anhängers nach § 2 Nr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG), da das (von einer gleichfalls versteuerten Zugmaschine gezogene) Fahrzeug nur der Beförderung einer verbandseigenen Planierraupe zwischen den 14 Müllabladeplätzen der 45 Gemeinden des Landkreises diene. Der von anderen, unstreitig steuerbefreiten Fahrzeugen angefahrene Müll müsse, um untergebracht werden zu können, auf den Müllplätzen planiert werden. Ohne die Planierraupe könne bei dem heute reichlich anfallenden "Wohlstandsmüll" der notwendige gesundheitliche Schutz nicht mehr erreicht werden. Gegenüber dieser, auch bei der Auslegung des § 2 Nr. 3 KraftStG gemäß § 1 Abs. 2 StAnpG zu berücksichtigenden Entwicklung habe das FA den Begriff "Müllabfuhr" zu eng ausgelegt. Er umfasse außer dem bloßen Abholen des Mülls auch dessen Wegschaffen (Einebnen) auf ordnungsgemäß unterhaltenen Müllplätzen, da das eine ohne das andere nicht denkbar sei. Das äußerlich genügend erkennbare beschriftete Fahrzeug diene deshalb dem steuerbefreiten Zweck der Müllabfuhr.
Das Finanzgericht (FG) wies die Berufung nach mündlicher Verhandlung als unbegründet zurück. Es teilte die Auffassung des FA, daß "Müllabfuhr" nach Wortlaut und Wortsinn das Abfahren von Müll, d. h. das Abholen des Hausmülls und des Straßenkehrichts und dessen Verbringen zu Müllplätzen sei. Der Tiefladeanhänger werde aber unstreitig nur zur Beförderung der Planierraupe, letztere wiederum nicht zur Abfuhr, sondern nur zur Bearbeitung (Einbringung) des abgefahrenen Mülls, zur Unterhaltung der Müllplätze verwendet. Der Anhänger diene deshalb allenfalls mittelbar der Müllbearbeitung (Müllbeseitigung, soweit jeweils möglich). Da das KraftStG erstmalig im Dezember 1960 mit Wirkung vom 1. Januar 1961 geändert und der streitige Steuersachverhalt im Februar 1961 verwirklicht worden sei, könne auch nicht gefolgert werden, daß der Gesetzgeber die wirtschaftliche und technische Entwicklung der Verhältnisse auf dem Gebiete der Müllbeseitigung nicht in seinen Willen aufgenommen habe. Eine erweiternde Auslegung des Gesetzes sei den Steuergerichten nicht gestattet. Daran ändere sich auch nichts dadurch, daß zu den Aufgaben des steuerpflichtigen "Müllabfuhr-Zweckverbandes" auch die Unterhaltung der Müllplätze und die Müllbearbeitung gehörten, die ohne Zweifel der Daseinsvorsorge und dem Schutz der Volksgesundheit dienten. Das KraftStG gewähre auch für Körperschaften des öffentlichen Rechts nur ganz bestimmte Ausnahmen von der Besteuerung, die im Streitfall nicht vorlägen.
Mit der ab 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnden Rb. (§§ 115, 184 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO in Verbindung mit § 286 AO a. F.) erstrebt der Stpfl. im wesentlichen unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens Aufhebung der Vorentscheidungen und des Steuerbescheids.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Das Halten von Müllabfuhrfahrzeugen - auch (Tieflade-) Anhängern (§ 1 Abs. 3 KraftStG) - ist nach § 2 Nr. 3 KraftStG steuerbefreit, solange diese Fahrzeuge für eine der dort genannten Gebietskörperschaften zugelassen sind und ausschließlich zur Müllabfuhr verwendet werden; außerdem müssen die Fahrzeuge äußerlich als für diesen Zweck bestimmt erkennbar sein.
Nach Auffassung des Senats sind bei dem auch äußerlich durch die Aufschrift "Müllabfuhr-Zweckverband der Gemeinden des Landkreises ..." ausreichend gekennzeichneten Tiefladeanhänger alle Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt. Das Fahrzeug dient unstreitig ausschließlich der Beförderung der nur auf den Müllplätzen der Gemeinden des Landkreises verwendeten Planierraupe. Wie der Senat bereits in dem anderen, insoweit aber gleichgelagerten Tatbestand für Wegebaufahrzeuge entschieden hat (Urteil II 59/62 U vom 12. Mai 1965 zu II 1, BStBl 1965 III S. 425, Slg. Bd. 82 S. 492), fordert die weitere Voraussetzung die Verwendung des Fahrzeugs der Gebietskörperschaften "zur" Müllabfuhr nicht besondere Einrichtungen und eine besondere Bauart nur für Zwecke der Müllabfuhr. In bewußter Abweichung von § 2 der Zweiten Durchführungsverordnung zum Kontrollratsgesetz Nr. 14, durch den diese Befreiungsvorschrift eingeführt worden war, hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 2 Nr. 3 durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 19. Dezember 1960 (BGBl 1960 I S. 1005, BStBl 1960 I S. 992) für Müllabfuhrfahrzeuge von Gebietskörperschaften hierauf verzichtet, um kleinere (also gerade auch Land-) Gemeinden, die sich solche oft teuren Spezialfahrzeuge nicht beschaffen können, künftig nicht zu benachteiligen (Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 1621, Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes zu Art. 1 Nr. 2 S. 5, 6).
Allerdings muß - wie das Wort "zur" zeigt - das Fahrzeug nach seiner allgemeinen Beschaffenheit unmittelbar zur Müllabfuhr geeignet sein. Das heißt gleichwohl nicht, daß die Befreiungsvorschrift im ganzen oder auch vor allem hinsichtlich der Bedeutung des Wortes "Müllabfuhr" nur nach einem engen Wortbegriff auszulegen sei. Vielmehr sind, sollte der Wortlaut Zweifel offen lassen, auch Befreiungsvorschriften - wie der Senat wiederholt klargestellt hat (vgl. das oben angeführte Urteil II 59/62 U vom 12. Mai 1965 mit weiteren Nachweisen) - unter sinnvoller Würdigung des mit der Ausnahmebestimmung verfolgten Zweckes anzuwenden, gegebenenfalls also auch durch weite Auslegung (vgl. auch Egly, Kraftfahrzeugsteuer-Kommentar, 2. Auflage, Abschnitt 10 d S. 122; Abschnitt 15 a bis c S. 145 - 150). Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß Gebietskörperschaften für ihre im Dienste des Allgemeinwohls erforderlichen Müllabfuhrfahrzeuge steuerrechtlich entlastet werden sollen.
Gerade die Müllbeseitigung (im weiteren Sinne Müllabfuhr und Müllbearbeitung; siehe unten) ist eine öffentliche Aufgabe im Interesse der Volksgesundheit und der Hygiene, wie die den Gemeinden bei dringendem öffentlichen Bedürfnis eingeräumte Möglichkeit der Einführung des Anschluß- und Benutzungszwangs zeigt (für Niedersachsen § 8 der Niedersächsischen Gemeindeordnung - NGO - vom 4. März 1955 in der Fassung der Gesetze vom 16. Juni und 8. Juli 1960 und vom 18. April 1963 - Gesetz- und Verordnungsblatt 1959 S. 55, 1960 S. 93, 214, 1963 S. 255; Lüersen-Neuffer, Niedersächsische Gemeindeordnung, § 8 Anm. 6; vgl. auch zu § 19 Abs. 2 der insoweit übereinstimmenden Hessischen Gemeindeordnung Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs OS II 3/51 vom 21. März 1952, Entscheidungssammlung des Hessischen und Württemberg-Badischen Verwaltungsgerichtshofes Band II S. 126; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Band, 8. Aufl., § 21 zu II S. 360; Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 326; Turegg- Kraus, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 4. Aufl. S. 183). Auch kraftfahrzeugsteuerrechtlich kann der Begriff der Müllabfuhr, wie der der Straßenreinigung (Urteil des Reichsfinanzhofs II A 569/31 vom 8. März 1932, Slg. Bd. 30 S. 191, Reichssteuerblatt 1932 S. 412, Mrozek-Kartei, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1927, § 2 Nr. 3, Rechtsspruch 4), als verwaltungstechnischer Begriff nicht nur auf das Abfahren des Mülls, also insbesondere der Haushaltabfälle und des Straßenkehrichts (vgl. den Großen Brockhaus, 16. Aufl. und den Großen Herder, 1955, Stichwort Müll; Laves-Scheuermann, Stichwort Müll in Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 12. Band, 3. Aufl. S. 573 ff.), bis zum Rand eines Müllplatzes beschränkt werden. Die Müllbeseitigung im engeren Sinne, d. h. die Verringerung des Müllvolumens und die Umwandlung des Mülls in ein hygienisch unbedenkliches Material vollzieht sich im Grunde erst durch eine Müllbearbeitung, z. B. durch Kompostierung zu Feinmüll oder durch Müllverbrennungsanlagen. Die vorausgehende bloße Ablagerung des Mülls (vgl. zu vorstehendem Laves-Scheuermann, a. a. O.), insbesondere das Einräumen des Mülls vom Rand des Müllplatzes durch Abschieben, Einebnen und dergleichen auf der Müllhalde oder -kippe mittels der nicht versinkenden Planierraupe kann nach der überzeugung des Senats jedenfalls kraftfahrzeugsteuerrechtlich noch als vervollständigender Beförderungsvorgang der Müllabfuhr im Sinne des § 2 Nr. 3 KraftStG zugerechnet werden. Dies erscheint um so unbedenklicher, als bereits die Ablagerung der immer stärker anfallenden Müllmassen zunehmend ein ernstes Raumproblem ist (vgl. wiederum Laves- Scheuermann, a. a. O.) und als deshalb unter den heutigen Verhältnissen die Müllabfuhr zwangsläufig mit einem rationellen Einräumen des Mülls auf dem Müllplatz verbunden ist.
Somit dient die Planierraupe unmittelbar der Müllabfuhr. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände ist es nicht nur vertretbar, sondern bei nicht engherziger Auslegung geboten, auch den Tiefladeanhänger, der ausschließlich die Planierraupe zwischen den verschiedenen Müllplätzen der Gemeinde befördert, als noch unmittelbar zur Müllabfuhr verwendet anzusehen. Mit Recht weist der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Planierraupe bei der Vielzahl der weit voneinander entfernten Müllplätze ohne den Tiefladeanhänger rationell nicht einsetzbar wäre; auch dies zeigt, daß die Unmittelbarkeit der Verwendung der Planierraupe bedingt ist durch das Vorhandensein des Tiefladeanhängers, letzterer also ebenfalls unmittelbar zur Müllabfuhr dient.
Die Vorentscheidung, die von anderen rechtlichen Erwägungen ausgeht, war aufzuheben.
Die Sache ist entscheidungsreif. Unter Aufhebung auch der Einspruchsentscheidung und des Steuerbescheides des FA war wegen des nach § 2 Nr. 3 KraftStG steuerbefreiten Haltens des Tiefladeanhängers der Kläger von der angeforderten Kraftfahrzeugsteuer mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO freizustellen.
Der Stpfl. hat das Halten des Fahrzeugs nach den Feststellungen des FG für die Zeit vom 27. Februar bis 26. Mai 1961 mit 607,20 DM versteuert; er hat also unter den nach § 13 KraftStG möglichen Steuerentrichtungszeiträumen den Vierteljahreszeitraum gewählt. In Würdigung des dem Stpfl. durch das Gesetz eingeräumten und ausgeübten Wahlrechtes und unter Beachtung der durch § 140 Abs. 3 FGO gesetzten Maßstäbe hat es der Senat für angemessen gehalten, den Streitwert auch für die Revision auf den obigen Betrag der Viertelsjahressteuer festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 411956 |
BStBl III 1966, 435 |
BFHE 1966, 508 |
BFHE 85, 508 |