Leitsatz (amtlich)
1. Zur Abgrenzung von Privatvermögen und Betriebsvermögen.
2. Verliert ein Kaufmann auf einer Geschäftsreise persönlichen Schmuck, den er auf einer gesellschaftlichen Veanstaltung tragen wollte, so führt das in der Regel nicht zu einem Betriebsverlust.
2. Streitwert bei der einheitlichen Gewinnfeststellung einer Kommanditgesellschaft mit hohem Gewinn.
Normenkette
EStG 1961 § 4 Abs. 1, 4, § 5; FGO § 140 Abs. 3
Tatbestand
Die steuerpflichtige KG, deren Gesellschafter Eltern und deren Kinder sind, stellt Modewaren her. Im Januar 1963 fuhr die Mutter, die Kommanditistin ist, mit einer Angestellten zu einer Modenschau nach Italien und nahm dabei ihren Schmuck im Werte von 33 275 DM mit, um ihn bei repräsentativen Veranstaltungen aus Anlaß der Modenschau zu tragen. Als sie in Mailand die Reise unterbrach, vertraute sie den Koffer mit dem Schmuck der Angestellten an, die bei einer Taxifahrt den Koffer vergaß; die Nachforschungen nach dem Koffer blieben ohne Erfolg.
Die Steuerpflichtige setzte bei der Ermittlung des Gewinns für das Geschäftsjahr 1962/1963 den Wert des verlorenen Schmucks als Betriebsverlust ab. Sie trug dazu vor allem vor, die Mutter habe wie in früheren Jahren die Modenschau besucht, um als Modeschöpferin neue Anregungen zu erhalten; sie habe durch ihre repräsentative Aufmachung bei den Veranstaltungen ausschließlich dem Ansehen ihrer KG dienen wollen. Der Verlust des Schmucks sei somit im Sinne der Entscheidung des BFH VI 79/60 S vom 2. März 1962 (BFH 74, 513, BStBl III 1962, 192) eine Wertaufopferung im Interesse des Betriebs gewesen. Die Mutter habe den Schmuck für die Dauer der Reise in das Betriebsvermögen eingebracht. Zudem habe sie von ihr - der steuerpfichtigen KG - Ersatz des durch die Angestellte verschuldeten Schadens verlangt; wenn sie - die Steuerpflichtige - diesen Anspruch erfülle, führe das zu einer Betriebsausgabe. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision, mit der die Steuerpflichtige unrichtige Rechtsanwendung rügt, hat keinen Erfolg.
Zu Unrecht beanstandet die Steuerpflichtige die Auffassung des FG, daß der Schmuck zur Zeit des Verlustes nicht Teil ihres Betriebsvermögens gewesen sei. Es handelte sich um persönlichen Schmuck der Mutter, der wie Kleidung und andere persönliche Habe, zum notwendigen Privatvermögen seines Eigentümers gehörte. Der Entschluß der Mutter, den Schmuck auf einer gesellschaftlichen Veranstaltung zu tragen, mit der sie, wie die Steuerpflichtige vorträgt, auch betriebliche Zwecke verfolgte, löste den Schmuck nicht aus dem notwendigen Zusammenhang mit dem Privatvermögen der Mutter und bedeutete keine Einlage in das Betriebsvermögen der Steuerpflichtigen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Fall anders zu beurteilen wäre, wenn die Mutter etwa den Schmuck dem Betrieb zur Verfügung gestellt hätte, damit auf der Modenschau Vorführdamen ihn zu Modellen der Steuerpflichtigen tragen konnten; denn so liegt der Streitfall nicht; die Mutter wollte vielmehr selbst den Schmuck auf den gesellschaftlichen Veranstaltungen im Rahmen der Modenschau tragen.
Die Steuerpflichtige beruft sich für ihre Auffassung, daß der Verlust des Schmucks ein betrieblicher Vorgang sei und das Betriebsergebnis belasten müsse, auf die Rechtsprechung des Senats. In der Entscheidung VI 180/63 S vom 28. Februar 1964 (BFH 79, 602, BStBl III 1964, 453) hat der Senat ausgesprochen, daß, wenn ein zum Betriebsvermögen gehörender Kraftwagen auf einer Privatfahrt durch Unfall beschädigt oder zerstört wird, die dadurch entstandenen Ausgaben oder Vermögensverluste nicht den Gewinn mindern dürften; ein Steuerpflichtiger, der das mit einer privaten Fahrt verbundene Risiko übernehme, müsse dabei entstandene Schäden als Privatschäden behandeln. Daraus ist im Fachschrifttum abgeleitet worden (z. B. Hartz in Der Betrieb 1964 S. 1210; Vangerow, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Anmerkungen, Einkommensteuergesetz, § 4 Rechtsspruch 678), daß dann, wenn umgekehrt ein Unternehmer seinen privaten Kraftwagen bei einer Betriebsfahrt benutze, ein dabei entstandener Schaden auch ein Betriebsverlust sein müsse. Von diesen Erwägungen ist auch die Grundsatzentscheidung des Senats VI 79/60 S (a. a. O.) getragen, auf die sich die Steuerpflichtige beruft. Die dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Erwägungen können an sich auch auf andere Gegenstände als Kraftwagen angewandt werden. Voraussetzung ist aber, daß der zum Privatvermögen gehörende Gegenstand einwandfrei nicht in dem privaten Bereich, sondern in dem betrieblichen (beruflichen) Bereich verlorengegangen oder beschädigt worden ist. Das ist hier indessen nicht der Fall gewesen. Wie bereits ausgeführt, wollte die Mutter den Schmuck auf gesellschaftlichen Veranstaltungen im Rahmen der Modenschau tragen. Die Frage, ob eine Veranstaltung privater oder betrieblicher Art ist, kann in Grenzfällen zweifelhaft sein, sofern für den Besuch der Veranstaltung gleichzeitig berufliche und private Motive maßgebend waren und ein Außenstehender kaum zuverlässig feststellen kann, ob sich der Steuerpflichtige zum Besuch der Veranstaltung vorwiegend von betrieblichen oder privaten Motiven hat bestimmen lassen. Soweit es sich um den steuerlichen Abzug von Ausgaben handelt, die zugleich den Betrieb (Beruf) und die Lebenshaltung angehen, hat der Gesetzgeber Ausgaben, die die Wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, in § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG dem einkommensteuerrechtlich neutralen privaten Lebensbereich zugeordnet, auch wenn die Ausgaben gleichzeitig der Förderung der betrieblichen (beruflichen) Tätigkeit der Steuerpflichtigen dienen sollten und dienten. Anders liegt es nur, wenn der Steuerpflichtige solche Ausgaben eindeutig und leicht erkennbar ausschließlich oder ganz überwiegend aus betrieblichen Gründen gemacht hat. Die in diesen Rechtsgrundsätzen zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers in der Abgrenzung des persönlichen und des beruflichen Bereichs bietet auch einen Anhalt bei der Beurteilung der Frage, ob Gegenstände, die ihrer Art nach normalerweise der Lebenshaltung des Steuerpflichtigen dienen, dadurch für den Betrieb "geopfert" worden sind, daß der Steuerpflichtige sie bei einer Veranstaltung beschädigt oder verloren hat, die in erster Linie einen privaten (gesellschaftlichen) Charakter hatte, aber nach dem Willen und den Vorstellungen des Steuerpflichtigen gleichzeitig seine betrieblichen (beruflichen) Interessen fördern sollte.
Die Auffassung des FG, daß für die Mutter die Teilnahme an den gesellschaftlichen Veranstaltungen im Rahmen der Modenschau (einschließlich der Garderobe und des Schmuckes, den sie dabei trug) ausschließlich oder ganz überwiegend eine Angelegenheit der privaten Lebensführung gewesen sei, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Verlust ist auch nicht etwa dadurch, wie die Steuerpflichtige meint, zu einem Betriebsvorgang der Steuerpflichtigen geworden, daß eine Angestellte der Steuerpflichtigen, der die Mutter den Koffer anvertraut hatte, dessen Verlust verschuldete. Die Aufsicht über den Koffer gehörte nicht zu den Dienstaufgaben der Angestellten für die Steuerpflichtige. Die Angestellte tat mit der Verwahrung des Koffers der Mutter nur einen persönlichen Gefallen. Wenn sie dabei einen Schaden verursachte, berührt das nicht den betrieblichen Bereich der Steuerpflichtigen, sondern nur die (außerbetrieblichen) persönlichen Beziehungen zwischen der Mutter und der Angestellten.
Der Streitwert wurde wegen der Höhe des Gewinns (festgesetzter Gewinn der KG = über 1 Million DM, hiervon Anteil der Mutter = über die Hälfte) auf 50 v. H. der streitigen 33 275 DM festgesetzt (Entscheidung des Senats VI 24/64 vom 2. April 1965, HFR 1965 S. 517).
Fundstellen
Haufe-Index 67952 |
BStBl II 1968, 342 |
BFHE 1968, 413 |