Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Anschaffungskosten auf eine wesentliche Beteiligung bei Finanzplan-Bürgschaften
Leitsatz (amtlich)
Fällt ein wesentlich beteiligter Gesellschafter mit einer Regreßforderung aus einer Bürgschaft für einen Kredit aus, der von vorneherein in die Finanzplanung der Gesellschaft einbezogen war, sind die Anschaffungskosten der Beteiligung um den Nennwert der Regreßforderung zu erhöhen (Fortführung der Rechtsprechung zu den sog. Finanzplan-Darlehen).
Normenkette
EStG § 17 Abs. 2, 4
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) --zusammenveranlagte Ehegatten-- waren mit jeweils 37 v.H. am Stammkapital einer GmbH (50 000 DM) beteiligt. Da das Stammkapital zur Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs nicht ausreichte und die GmbH auch gegen Besicherung ihres Warenlagers kein Bankdarlehen erlangen konnte, gewährten ihr die Kläger im Zeitpunkt der Gründung (4. März 1991) ein Darlehen in Höhe von 123 000 DM. Außerdem übernahmen sie am 10. Oktober 1991 eine Bürgschaft für einen von der Deutschen Bank gewährten Kontokorrentkredit in Höhe von 30 000 DM.
1992 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der GmbH. Am 22. Oktober 1992 lehnte das Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels Masse ab. Die Kläger fielen mit ihren Darlehen aus. Außerdem zahlten sie in Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus der ursprünglich übernommenen Bürgschaft über 30 000 DM und einer weiteren Bürgschaft über 15 956 DM insgesamt 45 956 DM an die Deutsche Bank.
Die Kläger vertraten im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1992 die Ansicht, daß ihnen ein Liquidationsverlust nach § 17 Abs. 4 in Höhe von (37 000 DM + 123 000 DM + 45 956 DM =) 205 956 DM entstanden sei. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ demgegenüber nur einen Teilbetrag in Höhe von 82 956 DM zum Abzug zu; der Ausfall des Darlehens über 123 000 DM führe nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten, weil es im Zeitpunkt der Krise der GmbH wertlos gewesen sei.
Das FA ermittelte einen Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger in Höhe von 22 398 DM und setzte die Einkommensteuer 1992 mit 0 DM fest. Die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1992 nach § 10d Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lehnte es ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die Kläger die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1992 in Höhe von 100 602 DM beantragt hatten, statt. Es verwies zur Begründung auf das Urteil des erkennenden Senats vom 4. November 1997 VIII R 18/94 (BFHE 184, 374, Der Betrieb --DB-- 1998, 113).
Mit der --vom Senat zugelassenen-- Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 2 EStG, § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches --HGB--).
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat das FA zu Recht verpflichtet, den für die Kläger verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1992 gesondert festzustellen (§ 10d Abs. 3 EStG 1990). Der den Klägern durch den Ausfall ihrer Darlehensforderungen und durch ihre Verpflichtung zur Begleichung der Bürgschaftsschuld entstandene Aufwand ist als Auflösungsverlust ausgleichs- bzw. abzugsfähig (§ 17 Abs. 2, Abs. 4, § 2 Abs. 4, § 10d Abs. 1, Abs. 2 EStG).
1. Verluste, die im Entstehungsjahr bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden können, sind bis zu einem Betrag von insgesamt 10 Mio. DM in den folgenden Veranlagungszeiträumen wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen, soweit sie nicht in den zwei dem Verlustentstehungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeiträumen abgezogen werden konnten (§ 10d Abs. 1 und 2 EStG). Zu den rücktrags- bzw. vortragsfähigen Verlusten zählt auch ein Verlust, den ein wesentlich beteiligter Gesellschafter anläßlich der Auflösung der Kapitalgesellschaft erleidet (§ 17 Abs. 2 und 4 EStG, vgl. u.a. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Juli 1992 VIII R 24/90, BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333, und vom 29. Juni 1995 VIII R 68/93, BFHE 178, 160, BStBl II 1995, 722).
2. Einen solchen Verlust haben die Kläger im Veranlagungszeitraum 1992 in Höhe von jeweils 102 978 DM erlitten.
a) Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. Oktober 1992 VIII R 87/89, BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340; vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall mit der Auflösung der GmbH durch die Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse am 22. Oktober 1992 erfüllt (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften). Die Kläger waren seit dem 4. März 1991 mit jeweils 37 v.H. am Stammkapital der GmbH beteiligt.
b) Die Entstehung eines 1992 nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Auflösungsverlustes setzt weiter voraus, daß mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 24. April 1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1997, 1805, unter II. 2. der Gründe, m.w.N.).
Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Die die Höhe des Verlustes bestimmenden Umstände standen bereits im Zeitpunkt der Auflösung der GmbH durch die Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse fest. Das Kapital war verbraucht. Die Kläger fielen mit ihren Darlehen in voller Höhe aus. Der Rückgriffsanspruch aus der Bürgschaft gegenüber der Gesellschaft erwies sich als wertlos. Es kommt deshalb für die Entscheidung im Streitfall ausschließlich darauf an, ob und ggf. in welcher Höhe der Ausfall der Kläger mit diesen Forderungen zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung führte.
c) Als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung kommen insbesondere auch die Wertminderung eines Rückerstattungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen und Leistungen eines Gesellschafters aus einer für Verbindlichkeiten der Gesellschaft eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung in Betracht, wenn die Finanzierungsmaßnahmen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt waren (ständige Rechtsprechung, vgl. --für Darlehen und Bürgschaften-- BFH-Urteil in BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340, m.w.N.). Der Senat hat diese Rechtsprechung erneut bestätigt (Urteil vom 10. November 1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348).
Der Zeitpunkt der Erfüllung der Bürgschaftsschuld ist für die Entscheidung im Streitfall ohne Bedeutung. Der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung oder der Liquidation der Gesellschaft ist aufgrund einer Stichtagsbewertung aller in dieser Vorschrift genannten Faktoren auf den Zeitpunkt der Veräußerung bzw. Liquidation zu ermitteln. Dementsprechend sind in diese Bewertung auch alle Verbindlichkeiten einzubeziehen, soweit sie nicht ausnahmsweise --z.B. wegen Zahlungsunfähigkeit des Gesellschafters-- für diesen keine gegenwärtige Belastung darstellen. Das gilt auch für die Verpflichtung eines Gesellschafters aus einer Bürgschaft, wenn der Gläubiger seinen Anspruch aus der Bürgschaft geltend gemacht hat oder wenn mit einer Inanspruchnahme des Bürgen ernstlich zu rechnen ist (BFH-Urteile in BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162, und vom 8. April 1998 VIII R 21/94, BFHE 186, 194, BStBl II 1998, 660, unter II. 2. d. der Gründe).
d) Die Anschaffungskosten eines Gesellschafters für seine Beteiligung erhöhen sich um den Nennwert seiner wertlos gewordenen Forderungen auf Rückerstattung des gewährten Darlehens und aus der für die Gesellschaft übernommenen Bürgschaft, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehenshingabe und der Bürgschaftsübernahme wegen fehlender Kreditwürdigkeit bereits in der sog. Krise war (vgl. z.B. --für Darlehen-- BFH-Urteile in BFHE 183, 402, DStR 1997, 1805, und --für Bürgschaften-- vom 26. Januar 1999 VIII R 32/96 --nicht amtlich veröffentlicht--, in der Anlage mit weiteren Nachweisen) oder die Darlehen und Bürgschaften auch für den Fall der Krise bestimmt waren (vgl. z.B. --für Darlehen-- BFH-Urteile in BFHE 183, 402, und vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, sowie --für Bürgschaften-- in BFHE 183, 402, unter II. 3. c der Gründe, und vom 24. April 1997 VIII R 23/93, BFHE 183, 397, DStR 1997, 1807, unter II. 2. a der Gründe). Den Krisendarlehen und krisenbestimmten Darlehen stehen die sog. Finanzplandarlehen gleich (BFH in BFHE 184, 374). Dasselbe gilt für Bürgschaften, die von einem Gesellschafter im Rahmen eines erkennbaren Finanzplans übernommen worden sind. Für die sog. gesellschafterbesicherten Darlehen, die der Gesellschaft von Dritten in der Krise oder (auch) für die Krise gewährt werden, ist diese Erweiterung des Kapitalersatzrechts anerkannt (vgl. u.a. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 13. Juli 1981 II ZR 256/79, BGHZ 81, 252; vom 9. Oktober 1986 II ZR 58/86, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 1987, 169; vom 9. März 1992 II ZR 168/91, ZIP 1992, 616). Eine Erweiterung ist aber auch für den Fall erforderlich, daß eine ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Gesellschafters für den Fall einer späteren Krise nicht vorliegt (Fleischer, Finanzplankredit und Eigenkapitalersatz im Gesellschaftsrecht 1995, 301). Der Gesellschafter kann sich durch eine Umwegfinanzierung seiner Finanzierungsverantwortung nicht entziehen. Es kommt deshalb in diesen Fällen nur darauf an, ob das Drittdarlehen oder eine Finanzierungshilfe anderer Art in die Finanzplanung der Gesellschaft einbezogen worden ist.
Diese Grundsätze werden entgegen der Ansicht des FA durch den Beschluß des Großen Senats zum Forderungsverzicht als Einlage eines Gesellschafters (Beschluß vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307) nicht berührt. Der Senat verweist insoweit auf sein Urteil in BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348).
e) Das FG ist zutreffend von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat entsprechend der Entscheidung des Senats in BFHE 184, 374 aus den Umständen des Falles auf das Vorliegen eines bereits im Gründungsstadium der GmbH vorhandenen Finanzplankredites geschlossen. Diese Würdigung ist möglich. Der Senat ist deshalb mangels einer begründeten Verfahrensrüge an sie gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO und dazu u.a. BFH-Urteil vom 20. September 1994 VII R 40/93, BFH/NV 1995, 485, unter Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 118 Rz. 23, m.w.N.). Auf die Frage, ob die Gesellschaft bereits im Gründungsstadium kreditunwürdig war, kommt es danach nicht mehr an.
Fundstellen
Haufe-Index 56607 |
BFH/NV 1999, 1269 |
BStBl II 1999, 559 |
BFHE 188, 295 |
BFHE 1999, 295 |
BB 1999, 1252 |
DB 1999, 1357 |
DStR 1999, 977 |
DStRE 1999, 502 |
DStRE 1999, 502 (Leitsatz) |
DStZ 1999, 757 |
HFR 1999, 630 |
StE 1999, 354 |