Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall des Feststellungsinteresses für Verfahren gegen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide; Steuerbefreiung nach NATOTrStatZAbk
Leitsatz (NV)
1. Nachdem ein Umsatzsteuerjahresbescheid Gegenstand eines gegen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide gerichteten Verfahrens geworden ist, besteht grundsätzlich kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vorauszahlungsbescheide mehr.
2. Die Steuerbefreiung nach Art. 67 Abs. 3 NATOTrStatZAbk setzt u.a. voraus, daß die Leistungen von einer amtlichen Beschaffungsstelle in Auftrag gegeben werden.
Normenkette
FGO §§ 68, 100 Abs. 1 S. 4; UStG 1980 § 18; NATOTrStatZAbk Art. 67
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) stellte im Streitjahr 1984 u.a. in den . . . (Einrichtungen) der . . . Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) Unterhaltungsautomaten ohne Geldauszahlung auf. Er hatte die Aufstellbedingungen im einzelnen mit den Leitern der örtlichen . . . (Einrichtungen) vereinbart. Ihm oblag die Auswechslung und Reparatur defekter Geräte. Die Spielautomaten, die nicht mit seinem Namen gekennzeichnet waren, wurden überwiegend mit . . . (Münzen des Entsendestaates), z.T. auch mit deutschen Münzen bedient. Sie wurden durch den Kläger und einen oder mehrere Vertreter der Truppe gemeinsam geleert. Der Kläger erhielt im Streitjahr den größeren Anteil der Spieleinnahmen, und zwar vorwiegend sofort nach der Leerung der Automaten in bar, z.T. durch Überweisung . . . (einer amtlichen Beschaffungsstelle), insgesamt . . . DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte den Anteil des Klägers an den Spielerlösen als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt, und zwar zunächst als Nettoentgelt, in den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden für Januar bis Dezember 1984; vom 15. Mai bzw. 13. Juni 1985 als Bruttoentgelt.
Auf die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage verminderte das Finanzgericht (FG) die Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Januar bis Dezember 1984 um die Umsatzsteuer, die das FA für die Anteile des Klägers an den Spieleinnahmen festgesetzt hatte. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus (vgl. das in Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau - DVR - 1987, 46, auszugsweise abgedruckte Urteil): Der Kläger habe gegenüber den einzelnen Benutzern der Automaten keine Spielumsätze ausgeführt. Vertragspartner der Spieler sei nicht der Kläger gewesen, sondern . . . (der Entsendestaat) als Betreiber der . . . (Einrichtungen). Die Umsätze des Klägers aus der Automatenüberlassung an . . . (den Entsendestaat) seien nach Art. 67 Abs. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen - NATOTrStatZAbk - (BGBl II 1961, 1218) umsatzsteuerfrei. Das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und . . . (dem Entsendestaat) gleiche dem einer stillen Gesellschaft. Die im Streitjahr geltenden schriftlichen Automatenaufstellverträge seien ursprünglich mit den Leitern der örtlichen . . . (Einrichtungen) und nicht mit . . . als amtlicher Beschaffungsstelle geschlossen worden. . . . (Die amtliche Beschaffungsstelle) sei aber als Auftraggeber in das Vertragsverhältnis des Klägers mit . . . (dem Entsendestaat) eingetreten, indem ihm die Umsätze gemeldet worden seien sowie indem es entsprechende Abwicklungsscheine ausgestellt und entsprechende Spielerlöse im vollen Umfang vereinnahmt habe. Die Umsatzsteuerfreiheit hänge nicht davon ab, daß die Truppe das Entgelt für die von ihr empfangene Leistung unbar bezahle.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des Art. 67 Abs. 3 NATOTrStatZAbk. Zwischen dem Kläger und den . . . (Einrichtungen) habe - so meint es - ein typischer Automatenaufstellvertrag vorgelegen. Zwischen dem Kläger und den einzelnen Benutzern der Automaten seien Spielverträge zustande gekommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, daß die Umsatzsteuerbescheide für die Monate Januar bis Dezember 1984 rechtswidrig gewesen sind, hat er keinen Erfolg.
Aufgrund des im Revisionsverfahren gestellten Antrags des Klägers ist der Umsatzsteuerjahresbescheid für 1984 vom 10. November 1988 Gegenstand des Verfahrens geworden (§ 68 FGO; Senatsurteil vom 21. Februar 1991 V R 130/86, BFHE 163, 408, BStBl II 1991, 465). Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide rechtswidrig gewesen seien (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), hat der Kläger seither nicht mehr. Die Jahressteuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1980) löst die auf Vorauszahlungsbescheiden (§ 18 Abs. 1 UStG 1980) beruhende Steuerfestsetzung für die Voranmeldungszeiträume ab. Das materielle Ergebnis der in dem Kalenderjahr positiv oder negativ entstandenen Umsatzsteuer wird für die Zukunft ausschließlich aus dem Jahressteuerbescheid festgestellt (Senatsurteil in BFHE 163, 408, BStBl II 1991, 465). Die Senatsrechtsprechung, wonach auch nach Ergehen eines Jahresumsatzsteuerbescheides ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit von Vorauszahlungsbescheiden bestehen kann (Senatsurteile vom 29. November 1984 V R 146/83, BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370; vom 18. Dezember 1986 V R 127/80, BFHE 148, 226, BStBl II 1987, 222; vom 16. Juli 1987 V R 2/81, BFHE 150, 215, BStBl II 1988, 190), betrifft nicht Fälle, in denen der Jahresbescheid gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des gegen Vorauszahlungsbescheide gerichteten Verfahrens geworden war.
2. Die vom Kläger geltend gemachte Umsatzsteuerfreiheit der von ihm ausgeführten Umsätze ergibt sich nicht aus Art. 67 Abs. 3 NATOTrStatZAbk.
a) Nach Art. 67 Abs. 3 Buchst. a Ziff. (I) und (II) des Abkommens sind Lieferungen und sonstige Leistungen an eine Truppe oder ein ziviles Gefolge von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie von einer amtlichen Beschaffungsstelle der Truppe oder des zivilen Gefolges in Auftrag gegeben werden und für den Gebrauch oder den Verbrauch durch die Truppe, das zivile Gefolge, ihre Mitglieder oder deren Angehörige bestimmt sind, unter der weiteren Voraussetzung, daß das Entgelt mit Zahlungsmitteln in der Währung des Entsendestaates entrichtet wird. Diese Voraussetzung gilt auch als erfüllt, wenn die Zahlung in Deutscher Mark geleistet wird, die die Truppe oder eine von ihr bevollmächtigte Stelle durch den Umtausch derartiger Zahlungsmittel in der Bundesrepublik erworben hat, oder in Deutscher Mark, deren Verwendung im Rahmen der genannten Vorschrift durch besondere Vereinbarung zwischen den deutschen Behörden und den Behörden des Entsendestaates zugelassen worden ist. Diese Vergütung ist nach Art. 67 Abs. 3 Buchst. c NATOTrStatZAbk weiter davon abhängig, daß das Vorliegen ihrer Voraussetzungen den zuständigen deutschen Behörden nachgewiesen wird. Die Art dieses Nachweises wird durch Vereinbarungen zwischen den deutschen Behörden und den Behörden des betreffenden Entsendestaates festgelegt. Nähere Bestimmungen hierzu enthält der auf § 26 Abs. 5 UStG 1980 beruhende § 73 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) 1980.
Leistungen werden durch eine amtliche Beschaffungsstelle i.S. des Art. 67 Abs. 3 NATOTrStatZAbk in Auftrag gegeben, indem die Stelle durch Abgabe des Vertragsangebotes oder durch Annahme eines Vertragsangebotes am Zustandekommen des betreffenden Umsatzgeschäftes mitwirkt. Wird die amtliche Beschaffungsstelle erst eingeschaltet, nachdem ein Mitglied der Truppe oder des zivilen Gefolges oder ein Angehöriger eines Mitglieds die Leistungspflicht durch Vertragsangebot oder durch Angebotsannahme zur Entstehung gebracht hat, liegt keine Auftragsvergabe durch eine amtliche Beschaffungsstelle vor, und zwar auch dann nicht, wenn die Beschaffungsstelle in das Vertragsverhältnis eintritt und Abwicklungsscheine i.S. des § 73 § Abs. 1 Nr. 1 UStDV 1980 ausstellt (Senatsurteil vom 29. September 1988 V R 53/83, BFHE 154, 395, BStBl II 1988, 1022).
Die Regelungen in Art. 67 Abs. 3 NATOTrStatZAbk über die Zahlung des Entgelts fordern - zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß -, daß eine unbare Zahlung von einem Bankkonto der zahlenden Dienststelle erfolgt, weil nur eine solche Zahlung die hinreichende Vermutung dafür ergibt, daß die dem Gesamtkonzept der Vorschrift zu entnehmende Voraussetzung erfüllt ist, die Zahlung müsse aus Haushaltsmitteln des Entsendestaates geleistet werden (Senatsurteil vom 21. März 1974 V R 144/69, BFHE 112, 88, BStBl II 1974, 437; Senatsbeschluß vom 19. Juli 1990 V B 136/88, BFH/NV 1991, 778).
b) Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung war aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Soweit der Kläger nach der Leerung der Automaten seinen Anteil an den Spielerlösen erhalten hat, steht ihm die Umsatzsteuerbefreiung schon deshalb nicht zu, weil es an einer unbaren Zahlung fehlt.
Im übrigen hat keine amtliche Beschaffungsstelle Leistungen des Klägers in Auftrag gegeben, für die er die Anteile an den Spielerlösen erhalten hätte. Amtliche Beschaffungsstelle ist zwar . . . (Liste der amtlichen Beschaffungsstellen i.d.F. des Schreibens des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 8. Dezember 1975, BStBl I 1976, 18, bis zum Streitjahr zuletzt geändert durch BMF-Schreiben vom 10. August 1984, BStBl I 1984, 489). Die örtlichen . . . (Einrichtungen) sind keine amtlichen Beschaffungsstellen (BMF-Schreiben vom 29. Januar 1982, Umsatzsteuer-Erlasse in Karteiform, § 26 UStG 1980, Abs. 5, . . .). Der Kläger hat die Verträge mit den Leitern der örtlichen . . . (Einrichtungen) geschlossen. Daß, wie das FG festgestellt hat, . . . (die amtliche Beschaffungsstelle) über die streitigen Umsätze unterrichtet wurde, darüber Abwicklungsscheine ausgestellt und die Spielerlöse zum Teil ganz vereinnahmt hat, führte, wie dargelegt, nicht dazu, daß es selbst zum Auftraggeber wurde.
Keiner Entscheidung bedarf danach mehr, ob der Kläger, wie es die Steuerbefreiung nach Art. 67 Abs. 3 NATOTrStatZAbk voraussetzt (Senatsurteil in BFHE 154, 395, BStBl II 1988, 1022), Leistungen an die Truppe oder das zivile Gefolge selbst und nicht an die Mitglieder der Truppe oder des zivilen Gefolges vorgenommen hat.
Fundstellen