Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreie Vermietung an Arbeitnehmer; Aufteilung von Vorsteuerbeträgen nach dem Umsatzschlüssel
Leitsatz (NV)
1. Vermietet ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern bei Bedarf langfristig Räume zu Wohnzwecken, ist die Vermietung auch dann steuerfrei, wenn sie tatsächlich nur kurz ist und sich mehrere Arbeitnehmer die einzelnen Räume teilen.
2. Bei der Prüfung, ob die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach dem Umsatzschlüssel (§ 15 Abs. 3 UStG 1967) zu ungerechtfertigten Steuervorteilen führt, kommt es auf die Verhältnisse im jeweiligen Veranlagungszeitraum an.
Normenkette
UStG 1967 § 4 Nr. 12, § 15
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb in den Streitjahren 1968 bis 1970 eine . . . in eigenen Gebäuden, die aus einer Werkhalle und einem zweistöckigen Verwaltungstrakt mit Flachdach bestanden. Er ließ sich durch die Bundesanstalt für Arbeit (BfA) ausländische Arbeitnehmer vermitteln. Die BfA machte die Vermittlung der Arbeitskräfte davon abhängig, daß der Kläger Unterkünfte für diese bereitstellte. Bis Mitte 1970 überließ der Kläger seinen Arbeitnehmern angemietete Räume in Untermiete. Gleichzeitig stockte er in den Jahren 1968 bis 1970 das Verwaltungsgebäude auf und errichtete hierbei . . . Zimmer mit . . . Betten nebst einer Gemeinschaftsküche und Sanitärräumen (Bezugsfertigkeit: 1. Juli 1970). Die Überlassung der Unterkünfte war Teil der inhaltlich von der BfA vorgegebenen Arbeitsverträge. Die Arbeitnehmer hatten für die Unterkunft monatliche Beträge zu entrichten, die sich im Jahr 1970 auf . . . DM zuzüglich . . . DM für Heizung, Beleuchtung, Wasser und Bettwäsche beliefen. Der Gesamtumsatz des Klägers einschließlich der Einnahmen aus den Unterkünften und des Eigenverbrauchs betrug 1968: . . . DM, 1969: . . . DM und 1970; . . . DM.
Nach einer Betriebsprüfung ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die in den Streitjahren für die Aufstockung des Gebäudes, die Ausstattung der Räume und deren Bewirtschaftung angefallenen Vorsteuerbeträge in Höhe von . . . DM für 1968, . . . DM für 1969 und . . . DM für 1970 nicht zum Abzug zu. Das FA setzte mit Bescheiden vom 11.Juli 1973 die Umsatzsteuer für 1968 auf . . . DM, für 1969 . . . DM und für 1970 auf . . . DM fest. Es legte hierbei abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von . . . DM für 1968, . . . DM für 1969 und . . . DM für 1970 zugrunde.
Nach erfolglosem Einspruch beantragte der Kläger mit der Klage, die Umsätze aus der Überlassung der Räume an die Arbeitnehmer in Höhe von 1968: . . . DM, 1969: . . . DM und 1970: . . . DM den steuerpflichtigen Umsätzen hinzuzurechnen und die erwähnten Vorsteuerbeträge abzusetzen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte im wesentlichen aus: Der Kläger habe den ausländischen Arbeitnehmern Unterkunft auf mietvertraglicher Basis gewährt. Hierbei handele es sich um steuerfreie Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschlössen. Dies gelte auch für die Errichtung des erforderlich gewordenen neuen Flachdaches; denn die Herstellung eines neuen Daches wäre ohne die Aufstockung nicht notwendig gewesen.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 4 Nr.12 Satz 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967 und trägt zur Begründung vor: Es habe keine Vermietung im Sinn dieser Vorschrift vorgelegen; denn die Gastarbeiter hätten nicht je einen Raum zur alleinigen Benutzung erhalten. Keiner der Arbeitnehmer habe in der Gemeinschaftsunterkunft lange gewohnt. Hilfsweise begehrt der Kläger, die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 3 statt wie bisher Abs. 4 UStG 1967 vorzunehmen. Hierdurch ergäben sich keine ungerechtfertigten Steuervorteile i.S. des § 15 Abs. 5 UStG 1967.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist für das Streitjahr 1970 begründet. Sie führt zu einer antragsgemäßen Herabsetzung der Umsatzsteuer für dieses Jahr um . . . DM (§ 126 Abs. 3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im übrigen ist die Revision unbegründet (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. Nach § 15 Abs. 1 Nr.1 UStG 1967 konnte unter weiteren - hier nicht umstrittenen - Voraussetzungen der Unternehmer die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen war gemäß § 15 Abs. 2 Sätze 1 und 3 UStG 1967 u.a. die Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung von nach § 4 Nr.6 ff. UStG 1967 steuerfreien Umsätzen verwendete bzw. in Anspruch nahm. Bewirkte der Unternehmer neben Umsätzen, die nach § 15 Abs. 2 UStG 1967 zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führten, auch Umsätze, bei denen ein solcher Ausschluß nicht eintrat, waren die Vorsteuerbeträge gemäß § 15 Abs. 3 bis 6 UStG 1967 aufzuteilen. Diese Aufteilung war nicht davon abhängig, daß vorsteuerbelastete Leistungsbezüge jeweils ,,gemischt" verwendet wurden (Senatsurteil vom 21. Juli 1988 V R 87/83, BFHE 155, 177, BStBl II 1989, 60).
Das UStG 1967 sah in § 15 Abs. 3 und 4 drei Aufteilungsmethoden vor, von denen die ausschließlich nach dem Umsatzschlüssel vorzunehmende Aufteilung (§ 15 Abs. 3 UStG 1967) die gesetzliche Regelaufteilungsmethode war. Da sie, gemessen am Ergebnis der Prüfung eines jeden Leistungsabzugs auf Anwendbarkeit des § 15 Abs. 2 UStG 1967, zu einer eigentlich nicht gerechtfertigten Verweigerung oder Anerkennung geltend gemachter Vorsteuerbeträge zu führen vermochte, konnte das FA dem Unternehmer zur Vermeidung steuerlicher Nachteile auf Antrag gestatten, die Aufteilung nach einer der beiden in § 15 Abs. 4 UStG 1967 angeführten Methoden vorzunehmen. Andererseits konnte das FA, wenn die ausschließlich nach dem Umsatzschlüssel vorgenommene Aufteilung zu ungerechtfertigten Steuervorteilen geführt hätte, eine Aufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG 1967 verlangen (§ 15 Abs. 5 UStG 1967). Die Anwendbarkeit der erwähnten Aufteilungsmethoden beurteilte sich nach den Verhältnissen des betreffenden Veranlagungs- bzw. Besteuerungszeitraums (Senatsurteil in BFHE 155, 177, BStBl II 1989, 60).
2. a) Beim Kläger lagen in den Streitjahren sowohl Umsätze vor, die zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 UStG 1967 führten, als auch Umsätze, bei denen ein solcher Ausschluß nicht eintrat. Die Überlassung von Räumen an die Arbeitnehmer gegen Entgelt war eine umsatzsteuerfreie Vermietung i.S. des § 4 Nr.12 Satz 1 Buchst. a UStG 1967. Der Anwendbarkeit dieser Vorschrift steht nicht entgegen, daß es sich um die Überlassung von Räumen an Arbeitnehmer des Klägers handelte (Senatsurteile vom 30. Juli 1986 V R 99/76, BFHE 147, 284, BStBl II 1986, 877; vom 7. Oktober 1987 V R 2/79, BFHE 151, 228, BStBl II 1988, 88, und vom 13. September 1988 V R 46/83, BFHE 154, 280, BStBl II 1980, 1021). Die Umsatzsteuerpflicht der Vermietung ergibt sich auch insoweit nicht aus § 4 Nr.12 Satz 2 UStG 1967, als die Arbeitnehmer nur kurz in den Unterkünften gewohnt haben. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kommt es nicht auf die tatsächliche Dauer der Vermietung an. Entscheidend ist vielmehr die (aus äußeren Umständen ableitbare) Absicht des Unternehmers, die in Frage stehenden Räumlichkeiten nur zur vorübergehenden Beherbergung bereitzuhalten. Maßgebend sind die Verhältnisse im Erstjahr der Ingebrauchnahme (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. April 1988 X R 5/82, BFHE 153, 451, BStBl II 1988, 795; in BFHE 154, 280, BStBl II 1988, 1021).
Nach den äußeren Umständen, insbesondere aufgrund der Vereinbarungen mit der BfA, wollte der Kläger den ausländischen Arbeitnehmern die Räume je nach deren Bedarf auch für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung stellen. Dies ist keine vorübergehende Beherbergung (vgl. Senatsurteil in BFHE 147, 284, BStBl II 1986, 877). Ohne Bedeutung für die Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr.12 Satz 1 Buchst. a UStG 1967 war die gemeinsame Benutzung von bestimmten Räumen (Küche, sanitäre Einrichtungen) durch die Arbeitnehmer und das Recht des Arbeitgebers zu entscheiden, welche Arbeitnehmer welche Räume wie lange bewohnen (Senatsurteil in BFHE 147, 284, BStBl II 1986, 877). Es kommt auch nicht darauf an, daß für die Arbeitnehmer keine Einzelzimmer zur Verfügung standen. Die genannte Vorschrift galt auch für die Vermietung von Raumteilen (vgl. zum sachlich übereinstimmenden § 4 Nr.12 Satz 1 Buchst. a UStG 1980 Senatsurteil vom 8. Oktober 1991 V R 95/89, BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209).
b) Das FG ist für die Streitjahre auf die Frage der Notwendigkeit einer Vorsteueraufteilung sowie darauf nicht ausdrücklich eingegangen, welche Aufteilungsmethode zur Anwendung kommt. Die Ausführungen des FG erlauben jedoch die Schlußfolgerung, daß das FG in Übereinstimmung mit dem FA annahm, im vorliegenden Fall seien die Vorsteuerbeträge nicht nach dem Verhältnis der Umsätze (§ 15 Abs. 3 UStG 1967), sondern nach einer in § 15 Abs. 4 UStG 1967 vorgesehenen Methode zu verteilen. Das entsprechende Verlangen des FA (§ 15 Abs. 5 UStG 1967) ist darin zu sehen, daß es die Umsatzsteuer nach dieser Vorschrift aufteilte (vgl. Senatsurteil in BFHE 155, 177, BStBl II 1989, 60 unter II. A 3.).
Das Verlangen des FA, § 15 Abs. 4 UStG 1967 anzuwenden, ist lediglich für die Streitjahre 1968 und 1969 gerechtfertigt. Nur in diesen Veranlagungszeiträumen ergibt sich aus einer Anwendung des § 15 Abs. 3 UStG 1967 ein ungerechtfertigter Steuervorteil i.S. des § 15 Abs. 5 UStG 1967.
Bei Anwendung des § 15 Abs. 4 Nrn.1 und 2 UStG 1967 ist die Umsatzsteuer auf die Errichtung, die Ausstattung und die laufende Unterhaltung der Personalunterkünfte nicht abziehbar, weil diese Leistungsbezüge ausschließlich den steuerfreien Vermietungsumsätzen zuzurechnen sind. Durch die Verwendung des Zeitwortes ,,zurechnen" brachte diese Vorschrift zum Ausdruck, daß es auf eine wirtschaftliche Zuordnung ankam (Senatsurteil in BFHE 155, 177, BStBl II 1989, 60 unter II. A 6.). Unter Kostenzurechnungsgesichtspunkten (vgl. Senatsurteil in BFHE 155, 177, BStBl II 1989, 60 unter II. A 6. d) ist auch die Errichtung des neuen Flachdaches der Erstellung der Arbeitnehmerunterkünfte zuzurechnen. Nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hätte ohne die Beschaffung der Arbeitnehmerunterkünfte kein neues Dach gebaut werden müssen.
Bei Anwendung des Umsatzschlüssels wären im Jahre 1968 nur . . . (rd. 10) DM und 1969 . . . (rd. 100) DM vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Dies wäre gegenüber den Beträgen von . . . (je rd. 5000) DM, die bei Anwendung des § 15 Abs. 4 UStG 1967 nicht abgezogen werden können, ein ungerechtfertigter Steuervorteil i.S. des § 15 Abs. 5 UStG 1967, der mit dem Ziel des § 15 Abs. 3 UStG 1967, den Vorsteuerabzug technisch zu erleichtern (s. schriftlicher Bericht des Finanzausschusses vom 30. März 1967 zu BTDrucks. V/1581, Begründung zu § 15 UStG 1967), nicht zu begründen ist. Zu keinem ungerechtfertigten Steuervorteil führt die Anwendung des Umsatzschlüssels im Streitjahr 1970. Bei Anwendung dieser Aufteilungsmethode können . . . (rd. 150)DM nicht abgezogen werden. Der Streit geht in diesem Jahr aber insgesamt nur um Vorsteuerbeträge in Höhe von . . . (rd. 600) DM. Ein solch geringfügiger Vorteil ist nicht ungerechtfertigt i.S. des § 15 Abs. 5 UStG 1967 (vgl. auch Abschn. F VI Abs. 1 Nr.2 Satz 1 des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 28. Juni 1969 IV A/3-S 7300-48/69, BStBl I 1969, 349).
Danach wären im Jahre 1970 statt - wie das FA und das FG angenommen haben - . . . DM nur . . . DM nicht als Vorsteuerbeträge abziehbar. Da das Gericht jedoch über das Klagebegehren nicht hinausgehen darf (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO), kann die Umsatzsteuer für 1970 nur um . . . DM herabgesetzt werden. Dieser Betrag ergibt sich aus der vom Kläger beantragten Erhöhung der steuerpflichtigen Umsätze um . . . DM (Umsatzsteuer hierauf: . . . DM) und der ebenfalls beantragten Erhöhung der abziehbaren Vorsteuerbeträge um . . . DM.
Fundstellen