Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Bewertung der Sachbezüge bei Arbeitnehmern.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 2; LStDV § 3 Abs. 2; EStG § 19/1/1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Dienstwohnungen der Angestellten der Beschwerdegegnerin (Bgin.) bei der Lohnsteuerberechnung mit den Werten der Rundverfügung des Oberfinanzpräsidenten vom 29. August 1941 angesetzt werden müssen, die auf Grund der Richtlinien des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers für die Bewertung der Sachbezüge für die Zwecke des Steuerabzugs vom Arbeitslohn und für die Zwecke der Sozialversicherung vom 1. August 1941 S. 2016 - 5 III und II a 9627 - 41 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1941 S. 561) aufgestellt worden sind.
Die Bgin. hat in den Jahren 1948 bis 1951 22 Angestellte beschäftigt und zwar vier in der Rentei und 18 in der Forstverwaltung. Die verheirateten Arbeitnehmer erhielten neben ihren Barbezügen freie Dienstwohnungen, die Forstangestellten außerdem Gartenland zu einem verbilligten Pachtzins. Die überlassung der Wohnungen wurde von der Bgin. bei der Lohnsteuerberechnung als Deputat angesehen und nach der angeführten Rundverfügung des Oberfinanzpräsidenten mit 144 DM jährlich zugrunde gelegt. Bei einer Lohnsteuerprüfung im Juli 1951 wurde diese beanstandet; der Mietwert der Wohnungen wurde nach den ortsüblichen Mittelpreisen geschätzt. Bei dem Rentmeister z. B., der als Dienstwohnung ein Einfamilienhaus mit 10 Zimmern hatte, von denen ihm im Prüfungszeitraum die Küche und fünf Zimmer mit einer Wohnfläche von etwa 130 qm und ein Garten von 3.340 qm zur Verfügung standen, wurde die ortsübliche Miete vom Finanzamt mit 120 DM (Feststellung der Preisbehörde 90,60 DM) monatlich angesetzt. Dadurch ergab sich für die 22 Angestellten der Bgin. vom 1. Juli 1948 bis Juni 1951 ein Mehrbetrag an Lohnsteuer von 2.456,05 DM, außerdem eine Erhöhung der Kirchensteuer um 141,74 DM und des Notopfers Berlin um 48,40 DM. Der gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid von der Bfin, eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht hob den Einspruchsbescheid des Finanzamtes auf und stellte dem Antrag der Bgin. gemäß fest, daß der Mietwert der den Angestellten überlassenen Wohnungen bei der Lohnsteuerberechnung nach den Bewertungsrichtlinien des Oberfinanzpräsidenten angesetzt werden müsse und die Lohnsteuernachforderung auf Grund der Lohnsteuerprüfung deshalb unberechtigt sei. Die überlassung einer freien Wohnung gehöre bei den in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigten Arbeitnehmern zu den üblichen Sachbezügen, die seit jeher als Deputate bezeichnet worden seien. Die Tätigkeit der 22 Angestellten diene mehr oder weniger unmittelbar der Land- und Forstwirtschaft der Bgin.; ihre Arbeit sei jedenfalls für die Aufrechterhaltung des land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unbedingt notwendig, auch wenn die Angestellten zum Teil reine Verwaltungsarbeit zu leisten hätten. Die Auffassung des Finanzamts, sie seien keine Deputatenempfänger, weil ihre Bezüge nicht überwiegende aus Sachbezügen beständen, finde weder im Gesetz noch in den Bewertungsrichtlinien der Oberfinanzdirektion eine Stütze. Nach der Verfügung des Oberfinanzpräsidenten vom 29. August 1941 sei die "freie Wohnung" als Deputat der Land- und Forstwirtschaft für verheiratete Deputatenempfänger grundsätzlich mit jährlich 144 DM zu bewerten. Daß der Mietwert der einzelnen Wohnungen unter Umständen erheblich voneinander abweiche, sei möglich, müsse aber im Interesse der Verwaltungsvereinfachung in Kauf genommen werden. Außerdem wolle der Gesetzgeber auf diese Weise offenbar die Landwirtschaft fördern. Daß der Rentmeister der Bgin. jährlich 500 DM als Entschädigung für die Belegung seiner Dienstwohnung mit Untermietern bzw. für die Mitbenutzung von Räumen durch die Verwaltung der Bgin. erhalte, könne auch nicht zu einer anderen Bewertung, etwa zu Ansatz der ortsüblichen von der Preisbehörde festgestellten Miete, führen. Ebenso sei es nicht möglich, diese Untermieten der Lohnsteuer zu unterwerfen.
Das Finanzamt macht in seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) geltend, die Entscheidung des Finanzgerichts widerspreche sowohl der Verwaltungsübung als auch der Rechtsprechung. Die in den Bewertungsrichtlinien des Oberfinanzpräsidenten genannten Sätze seien nur bei den Durchschnittswohnung der Deputanten anwendbar, nämlich bei Personen, deren Bezüge zu einem wesentlichen Teil aus Sachbezügen beständen. Die Mietwerte der Dienstwohnungen der Angestellten der Bgin, seien jedoch nach § 8 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit den ortsüblichen Mittelwerten der Lohnsteuer zugrunde zu legen. Es bestehe keine Veranlassung, die gut bezahlten Angestellten der Bgin. anders zu behandeln als die Angestellten in der Industrie. Die Anwendung der Richtsätze des Oberfinanzpräsidenten führe bei den Angestellten der Bgin, zu einer ungleichmäßigen Besteuerung, und zwar zu einer nicht gerechtfertigten Begünstigung einiger Angestellter. Es werde daher beantragt, festzustellen, daß als Deputatempfänger im Sinn der Bewertungsrichtlinien des Oberfinanzpräsidenten nur diejenigen land- und forstwirtschaftlichen Arbeitnehmer zu verstehen seien, deren Bezüge zu einem wesentlichen Teil aus Sachbezügen beständen, und daß bei allen anderen in der Land- und Forstwirtschaft tätigen Angestellten die Sachbezüge unabhängig von diesen Richtlinien mit den ortsüblichen Mittelpreisen zu bewerten seien; schließlich werde beantragt, festzustellen, daß bei dem Rentmeister die diesem zugeflossene Entschädigung von 500 DM der Lohnsteuer zu unterwerfen sei, da diese Zahlung ein Teil des Wohngeldzuschusses sei, den der Rentmeister wegen der Schmälerung des Wertes seiner Dienstwohnung in bar erhalte.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Die gesetzliche Grundlage für die Bewertung der Sachbezüge von Arbeitnehmern ist § 8 Abs. 2 EStG. Danach sind bei der Einkommensbesteuerung jeweils die ortsüblichen Mittelpreise der Sachbezüge am Verbrauchsort zugrunde zu legen. Im § 3 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsbestimmungen (LStDB) vom 10. März 1939 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 449, RStBl. S. 409) in der Fassung des § 1 der Ersten Verordnung über die Vereinfachung des Lohnabzugs vom 1. Juli 1941 (RGBl. 1941 I S. 362, RStBl. 1941 S. 465) ist bestimmt, daß die Oberfinanzpräsidenten nach den Richtlinien des Reichsministers der Finanzen den Wert der Sachbezüge für ihre Bezirke festzusetzen und bekanntzugeben haben. Diese Anordnung erging auf Grund der §§ 12 und 13 der Reichsabgabenordnung (AO). Der Reichsminister der Finanzen hat die Richtlinien für die Bewertung der Sachbezüge für die Zwecke des Steuerabzugs vom Arbeitslohn und für die Zwecke der Sozialversicherung auf Grund des neugefaßten § 3 Abs. 2 LStDV zusammen mit dem Reichsarbeitsminister am 1. August 1941 erlassen. Wie die überschrift dieses Erlasses zum Ausdruck bringt, handelt es sich hierbei um Richtlinien, also mit Verwaltungsanweisungen an die Oberfinanzpräsidenten und die Vorsitzenden der Oberversicherungsämter und nicht um eine Rechtsverordnung. Die Richtlinien wurden deshalb auch nicht in der für Rechtsverordnungen vorgeschriebenen Form im RGBl., Reichsanzeiger oder Reichsministerialblatt veröffentlicht, sondern lediglich im RStBl. 1941 S. 561 bekanntgegeben (zu vgl. Gesetz über die Verkündung von Rechtsverordnungen vom 13. Oktober 1923, RGBl. I S. 959 und Urteil des Reichsfinanzhofs III 133/37 vom 10. März 1938, Slg. Bd. 43 S. 342, RStBl. 1938 S. 498). Die auf Grund dieser Richtlinien von den Oberfinanzpräsidenten für ihre Bezirke vorgenommenen Pauschalbewertungen der Sachbezüge stellen inhaltlich Ergänzungen zu den vom Reichsminister der Finanzen und dem Reichsarbeitsminister gemeinsam aufgestellten Richtlinien dar. Es kann ihnen deshalb keine größere Rechtswirksamkeit zukommen als den Richtlinien der beiden Reichsminister. Da diese den Verwaltungsanweisungen zuzurechnen sind, müssen auch die von den Oberfinanzpräsidenten erlassenen ergänzenden Regelungen als Verwaltungsanordnungen angesehen werden.
An diesem Rechtszustand hat sich für die Jahre 1948 bis 1951 nichts geändert. Die Bestimmung des § 3 Abs. 2 LStDV ist in diesem Zeitraum sachlich unverändert geblieben; in den für diese Jahre geltenden Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) wurde dementsprechend angeordnet, daß die Richtlinien vom 1. August 1948 weiter gelten (Abschn. 19 LStR 1947 in Steuer- und Zollblatt - StuZBl. - 1947 S. 95; Abschn. 14 LStR 1948 in StuZBl. 1949 S. 1; Abschn. 14 LStR 1950 in Steuerblatt für Niedersachsen 1950 S. 475).
Diese Rechtslage ist auch durch Art. II Ziff. 1 des Gesetzes zur änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 29. April 1950 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - 1950 I S. 95) nicht geändert worden. Durch diese Vorschrift wurde zwar die Bundesregierung ermächtigt, für das zweite Halbjahr 1948 und die Kalenderjahre 1949, 1950 und 1951 mit Zustimmung des Bundesrats Rechtsverordnungen unter anderem zur Ermittlung der Einkünfte zu erlassen. Diese Ermächtigung führte jedoch hinsichtlich der Bewertung der Sachbezüge nicht zur Festsetzung neuer Pauschbeträge. Die auf den Richtlinien vom 1. August 1941 beruhenden Pauschbewertungen der Oberfinanzpräsidenten wurden vielmehr bis zum 1. Januar 1953 weiter angewendet (Abschn. 4 der Richtlinien für die Bewertung der Sachbezüge beim Steuerabzug vom Arbeitslohn vom 8. November 1952 Bundesanzeiger 1952 Nr. 222 S. 1, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1952 I S. 873). Durch diese Handhabung hat sich die Rechtsnatur der von den Oberfinanzpräsidenten im Jahre 1941 erlassenen Anordnungen über die Bewertung der Sachbezüge nicht geändert.
Selbst wenn man annähme, daß die Ermächtigung im Gesetz vom 29. April 1950 die neue Rechtsgrundlage für die in § 3 Abs. 2 LStDV enthaltene Weisung zur Bewertung der Sachbezüge für die Zeit nach dem 21. Juni 1948 bis zum Jahr 1951 einschließlich bildete, würde dies nichts an dem Richtsatzcharakter der im Jahre 1941 von den Oberfinanzpräsidenten vorgenommenen Pauschbewertungen der Sachbezüge ändern; denn Art. 80 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) geht davon aus, daß zwar die Bundesregierung, ein Bundesminister oder eine Landesregierung zum Erlaß von Rechtsnormen in der Form von Rechtsverordnungen ermächtigt werden können, daß diese aber ihre Ermächtigung nicht ohne ausdrückliche gesetzliche Erlaubnis weiter übertragen dürfen. Da eine Ermächtigung zur Aufstellung von allgemein verbindlichen Bewertungen der Sachbezüge von Arbeitnehmern durch die Oberfinanzpräsidenten in keiner gesetzlichen Vorschrift vorhanden ist, können Anweisungen der Oberfinanzpräsidenten infolge des Fehlens einer der nach dem GG erforderlichen Voraussetzungen nicht den Charakter von allgemein verbindlichen Rechtsnormen erlangen. Die von den Oberfinanzpräsidenten im Jahre 1941 aufgestellten und in den Jahren II/1948 bis 1952 weiter angewendeten Sätze über den bei der Lohnsteuer zugrunde zu legenden Wert der Sachbezüge wären daher auch bei dieser Betrachtungsweise in diesem Zeitraum Verwaltungsanweisungen geblieben. Als solche sind sie für die Finanzgerichte nicht verbindlich, sondern haben lediglich die Bedeutung von Erfahrungssätzen. Es wird im allgemeinen möglich sein, davon auszugehen, daß die Richtsätze der Oberfinanzpräsidenten die üblichen Mittelpreise des Verbrauchsorts im Sinne des § 8 Abs. 2 EStG darstellen. Ob dies im Einzelfall zutrifft, ist eine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse, die grundsätzlich gemäß § 288 AO vom Finanzgericht abschließend vorzunehmen ist.
Das Finanzgericht hat dies verkannt und ohne sachliche überprüfung die vom Oberfinanzpräsidenten aufgestellten Pauschbeträge für Sachbezüge als verbindlich angesehen. Es hätte jedoch prüfen müssen, ob diese Regelung für die Angestellten der Bgin. überhaupt in Betracht kommt und - bejahendenfalls - ob die Pauschbeträge angemessen sind. Es bestehen erhebliche Bedenken dagegen, die den Angestellten der Bgin. zur Verfügung gestellten Dienstwohnungen den Deputaten zuzurechnen. Mangels einer gesetzlichen Festlegung dieses Begriffs können nach dem Sprachgebrauch als Deputate nur die Sachleistungen angesehen werden, die die unmittelbar in der Land- und Forstwirtschaft tätigen Arbeitnehmer üblicherweise erhalten und bei denen diese Sachleistungen einen nicht unwesentlichen Teil der Bezüge ausmachen. Da die Vorinstanz diese Prüfung unterlassen hat und die hierzu notwendigen Feststellungen auf dem Gebiete der Tatsachenwürdigung liegen, muß die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Prüfung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 408193 |
BStBl III 1955, 232 |
BFHE 1956, 91 |
BFHE 61, 91 |