Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Die nach § 173 LAG zu Beginn des 21. Juni 1948 als entstanden geltende Kreditgewinnabgabeschuld ist gemäß der von vornherein feststehenden Regelung der §§ 175 und 176 LAG als eine Jahresleistung jährlich zu tilgen und zu verzinsen. Dieser Rechtszustand wird nicht dadurch berührt, daß die Jahresleistung in vier gleichen Teilbeträgen zu entrichten ist.
Der Tilgungsplan in Tz. 128 des Zweiten Sammelerlasses zur Kreditgewinnabgabe vom 12. Juli 1954 LA 2700 - 25/54 (BStBl 1954 I S. 374) entspricht daher den Vorschriften des §§ 173 ff. LAG; er stellt keinen Verstoß gegen das GG dar.
Normenkette
LAG §§ 175-176
Nachgehend
Tatbestand
Die Abgabepflichtige hat nach dem vorläufigen Veranlagungsbescheide über ihre Kreditgewinnabgabe vierteljährlich für die Zeit vom 10. Juli 1952 bis einschließlich 10. Oktober 1973 Teilbeträge zu entrichten. Diese Vierteljahrsbeträge waren nach Maßgabe des in Tz. 128 des Zweiten Sammelerlasses zur Kreditgewinnabgabe vom 12. Juli 1954 (BStBl 1954 I S. 350) enthaltenen Tilgungsplanes errechnet. Diesem liegt der Gedanke zugrunde, daß die gesamte Abgabeschuld als zu Beginn des 21. Juni 1948 entstanden gilt (ß 173 LAG), und daß die Tilgungsbeträge und Zinsleistungen nach dem Willen des Gesetzgebers (ß 175 LAG) auf der Grundlage der bestehenden Gesamtabgabeschuld von vornherein feststehen. Für die Zeit vom 1. Januar 1953 bis zum Ende des Jahres 1973 ist alljährlich, also als Jahresleistung, ein Teil der Abgabeschuld zu tilgen und lediglich für die Anlaufzeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1952 ein Halbjahrsbetrag zu leisten. Wie sich hieraus ergibt und durch § 175 LAG bestimmt wird, ist die Verzinsung, abgesehen von dem ersten Halbjahr, ganzjährig anzurechnen, obgleich nach § 176 LAG die Jahresleistung in vier gleichen Teilbeträgen zu entrichten ist. Demnach ist ungeachtet der Teilbeträge in jedem Jahre der ganze Jahresbetrag bis zur Jahresabrechnung zu verzinsen. Die Mehrverzinsung in jedem Jahre bedeutet für die gesamte Laufzeit eine finanzielle Mehrbelastung.
Aus diesem Grunde hat die Abgabepflichtige Einspruch eingelegt und beantragt, abweichend von dem erwähnten Tilgungsplan die Fälligkeit nicht jährlich, sondern vierteljährlich zu berechnen und demgemäß die Zinsabrechnung vierteljährlich anläßlich der Teilbetragsfälligkeiten vorzunehmen.
Einspruch und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Mit der Rb. wird der frühere Antrag wiederholt.
Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Bfin. hat in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Nachverzinsung einen Verstoß gegen Art. 14 des Grundgesetzes (GG) behauptet. Die Bfin. steht auf dem Standpunkt, daß es an einer verzinslichen Kapitalschuld fehle, soweit im Laufe des Jahres vierteljährliche Teilbeträge geleistet seien. Insoweit ermangele die gesetzliche Zinspflicht der erforderlichen rechtlichen Grundlage.
Der Zweite Sammelerlaß zur Kreditgewinnabgabe enthält Verwaltungsvorschriften und ist für die Gerichte nicht bindend. Ob der Tilgungsplan für die Kreditgewinnabgabe in seiner Tz. 128 verbindlich ist, hängt davon ab, ob er dem Gesetze entspricht. Die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften finden sich in den §§ 173 ff. LAG; um ihre Auslegung geht es.
Die Auslegung einer Steuerrechtsnorm hat auf der Grundlage ihres Wortlautes nach Maßgabe ihres Sinnes und Zweckes zu erfolgen. Die Handhabung auf anderen Gebieten durch Behörden oder kaufmännische Firmen, wie z. B. die von der Abgabepflichtigen angeführte Handhabung bei der ehemaligen Reichsversicherungsanstalt für Angestellte, kann bei der Anwendung der angeführten Bestimmungen nicht, auch nicht hilfsweise, in Betracht gezogen werden.
Weil die gesamte Abgabeschuld nach § 173 LAG als mit dem Beginn des 21. Juni 1948 entstanden gilt, hat der Gesetzgeber von vornherein die Tilgungsleistungen und Zinsleistungen mit den Fälligkeitsterminen festgelegt (ß 175 LAG). Deshalb bezieht sich die Verzinsung auf die ab 21. Juni 1948 bestehende Kapitalschuld der gesamten Kreditgewinnabgabe. Schon deshalb trifft der Gesichtspunkt der Bfin. nicht zu, es fehle an der erforderlichen rechtlichen Grundlage der Zinspflicht, soweit die vierteljährlichen Teile der Tilgungsannuitäten jeweils bereits entrichtet seien.
Es kommt hinzu, daß es sich bei der Verzinsung der Kreditgewinnabgabe nicht um bürgerlich-rechtliche, sondern um steuerrechtliche - öffentlich-rechtliche - Verhältnisse handelt; solche Belastungen verstoßen grundsätzlich nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG (s. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 14, 25, 167/52 vom 30. April 1952, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 1 S. 264; 1 BvL 17/57 vom 4. Mai 1960, BVerfGE Bd. 11 S. 64).
Schließlich ist nach § 175 LAG die Kreditgewinnabgabeschuld ab 1. Juli 1952 jährlich mit 3 v. H. zuzüglich der ersparten Zinsen zu tilgen. Nach dieser Vorschrift erfolgt die Tilgung demnach jährlich. Dies bedeutet die Fälligkeit der vom Gesetz auch so genannten "Jahresleistungen". Wenn das Gesetz in § 176 die Jahresleistung, d. h. die jährliche Fälligkeit, in vier gleichen Teilbeträgen, jeweils am 10. Januar, 10. April, 10. Juli und 10. Oktober fordert, so hat der Gesetzgeber derartige Anordnungen über die zeitliche Verteilung von Jahresfälligkeiten vielfach getroffen. Hierbei leitet ihn der Wunsch, eine Zusammenballung von Zahlungsverpflichtungen zu vermeiden, um Steuerschuldnern die Zahlungsdispositionen zu erleichtern, das Steueraufkommen gleichmäßig auf das Jahr zu verteilen und volkswirtschaftlich eine unerwünschte Beeinflussung des Geldmarktes durch jährlich einmalig hohe Steuerfälligkeiten zu verhüten. Dies ändert aber im vorliegenden Falle nichts daran, daß es sich bei der Kreditgewinnabgabe um eine Jahresfälligkeit - mit den zu § 176 LAG vorgesehenen Teilbeträgen - handelt. Entscheidend ist, daß deshalb die Verzinsung, die zu den Abgabeleistungen kraft Gesetzes von vornherein gehört, ohne daß es auf die vierteljährlichen Teilbeträge ankommt, nach § 175 jährlich erfolgt.
Zu Unrecht beruft sich die Bfin. auf die Fassung des § 6 der Verordnung zur Durchführung der Verordnung über die Aufhebung der Gebäudeentschuldungsteuer vom 31. Juli 1942 (RGBl 1942 I S. 503), wo für die Abgeltungsdarlehen ebenfalls eine jährliche Verzinsung und jährliche Tilgung vorgesehen ist und dann zum Schluß ausdrücklich hinzugefügt wird:
"Die Tilgung wird jährlich verrechnet." Dieser Zusatz ist bei der Kreditgewinnabgabe entbehrlich gewesen, weil ausdrücklich die jährliche Tilgung eindeutig angeordnet ist. Ist eine Schuld jährlich zu tilgen, so hat auch die Abrechnung der Verzinsung jährlich zu erfolgen. In diesem Sinne war der erwähnte Zusatz in dem angeführten § 6 der Verordnung vom 31. Juli 1942 nicht erforderlich.
Der auf jährliche Abrechnung der Kreditgewinnabgabeleistungen gerichtete Wille des Gesetzgebers ist um so deutlicher, als sich die diesbezügliche Fassung der Kreditgewinnabgabevorschriften unverkennbar von den entsprechenden Vorschriften über die Vermögensabgabe abhebt. In § 34 LAG ist, im Gegensatz zu den entsprechenden Vorschriften der Kreditgewinnabgabe, bestimmt, daß die verbleibende Vermögensabgabeschuld in gleichen vierteljährlichen Teilbeträgen (Vierteljahrsbeträgen), die zugleich eine Tilgung und Verzinsung der Abgabeschuld darstellen, zu entrichten ist. Deshalb setzt der Veranlagungsbescheid Vierteljahrsbeträge fest, die je nach der Art der Zusammensetzung des Vermögens zu errechnen sind und deren Fälligkeit sich nach § 49 LAG richtet. Die Konstruktion der Schuldbeträge der Vermögensabgabe ist hiernach eine andere als diejenige der Schuldbeträge der Kreditgewinnabgabe. Hierbei mag es eine Rolle gespielt haben, daß es grundlegende Veränderungen in der Zurechnung des Vermögens - durch Schuldübernahme, durch Schenkung, durch Entflechtung, durch Eröffnung des Konkursverfahrens, durch Erbfolge oder durch Auflösung einer Ehe usw. - bei einer so persönlichen Steuer wie der Vermögensabgabe notwendig erscheinen ließen, vierteljährliche Schuldtermine zur Vereinfachung der Abrechnung für den übergangsfall zu bestimmen, weil sich solche Fälle der änderung in der Zurechnung des Vermögens inmitten des Jahres ereignen können.
Bei einer auf dem Betriebe lastenden Abgabe, wie der Kreditgewinnabgabe, verhält es sich anders. Selbst wenn der Betrieb auf eine andere Person übergeht (vgl. § 185 LAG), geht die Kreditgewinnabgabe als Betriebsschuld automatisch auf den Rechtsnachfolger über: Die Kreditgewinnabgabe geht mit dem Betriebe mit; deshalb erübrigte sich hier die Festsetzung kurzfristiger, z. B. vierteljährlicher Schuldfälligkeiten.
Ebenso entspricht es der Struktur der Hypothekengewinnabgabe, daß der Gesetzgeber für diese im § 106 LAG die Fälligkeitstermine grundsätzlich von den "Bedingungen der RM-Verbindlichkeit" abhängig gemacht hat. So zeigen die einschlägigen Vorschriften über die Hypothekengewinnabgabe verständlicherweise eine wesentliche Abweichung von der Regelung der Kreditgewinnabgabefälligkeiten in den §§ 175 und 176 LAG. Da die Abweichungen bei der Vermögensabgabe und bei der Hypothekengewinnabgabe im Vergleich zur Kreditgewinnabgabe durchaus sinnvoll sind, ist es nicht angängig, die Regelungen für die Vermögensabgabe und für die Hypothekengewinnabgabe auf die Kreditgewinnabgabe abweichend vom Wortlaute und Sinne und Zwecke der §§ 173 ff. LAG entsprechend anwenden zu wollen.
Auch die Berufung auf § 362 BGB kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Nach dieser Vorschrift ist eine Verbindlichkeit nach erfolgter Zahlung als erloschen anzusehen. Dies bedeutet - so folgert die Bfin. -, daß vom Augenblick der Tilgung an keine Zinsen mehr für die Verbindlichkeit erhoben werden könnten und dürften, da sie insoweit erloschen sei. Abgesehen davon, daß § 362 BGB zunächst für bürgerliche Rechtsverhältnisse gilt, ist er auch auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechtes durch den allgemeinen Grundsatz der Vertragsfreiheit eingeschränkt. Es ist durchaus denkbar, daß zwischen Privatpersonen eine längere Verzinsung vereinbart oder eine erfolgte Zahlung vertraglich noch nicht als Tilgung einer Verbindlichkeit für eine bestimmte Zeitdauer erachtet wird. Entsprechend würde es dem Steuergesetzgeber gegebenenfalls freistehen, auf dem öffentlich-rechtlichen Gebiete des Abgabewesens zu bestimmen, daß für eine Abgabeschuld trotz geleisteter Zahlungen für eine bestimmte Zeit noch Zinsen zu entrichten sind. Die Festsetzung der Steuerschuldfälligkeiten und damit der Steuerzinsverpflichtungen gehört zur Kompetenz des Steuergesetzgebers, dessen Ermessensspielraum nicht unangemessen einzuengen ist. Für die Ausübung dieser Kompetenz gelten allerdings auch die Grundsätze des Verfassungsrechtes. Es läßt sich für die vorliegende Frage indessen, wie schon zu Art. 14 GG ausgeführt, nicht sagen, daß der Steuergesetzgeber verfassungsrechtliche Grundsätze mit der Regelung der §§ 175 und 176 LAG verletzt habe; insbesondere sind die letztgenannten Vorschriften völlig gleichmäßig anzuwenden. Eine Willkür ist in ihnen nicht zu erblicken. Zwar legt diese gesetzliche Regelung der Jahresfälligkeit und der Jahresverzinsung den Kreditgewinnabgabepflichtigen eine zusätzliche finanzielle Last auf. Hieran war indessen der Gesetzgeber so wenig gehindert, wie er gehindert gewesen wäre, einen höheren Steuersatz anzuordnen, und wie er andererseits die Zahlung der Nachholzinsen in § 176 Abs. 2 LAG erleichtert hat.
Die Regelung in der Ablösungsverordnung vom 8. Oktober 1952 (BStBl 1952 I S. 787) kann dem in den §§ 175 und 176 LAG getroffenen Zahlungsmodus nicht entgegengehalten werden. Diese Verordnung verfolgt lediglich den einen Zweck des erleichterten Ablösungsverfahrens, und zwar im Sinne einer einheitlichen Regelung für die Vermögensabgabe, die Hypothekengewinnabgabe und die Kreditgewinnabgabe. Es ist deshalb verständlich, wenn die genannte Verordnung einheitlich von "Vierteljahrsbeträgen oder sonstigen Teilleistungen (Raten)" spricht. Der Verordnungsgeber mußte bedenken, daß der Fall der Ablösung bei jeder der Lastenausgleichsabgaben inmitten des Jahres eintreten kann. Immerhin ist es beachtlich, daß auch diese Verordnung im § 9 Abs. 2 von einer Laufzeit von 21 1/2 Jahren in übereinstimmung mit dem Tilgungsplan der Tz. 128 des Zweiten Sammelerlasses zur Kreditgewinnabgabe spricht.
Auch die von der Abgabepflichtigen in bezug genommenen Einkommensteuer-Richtlinien 1958, denen im übrigen eine bindende Kraft für das Gebiet des Lastenausgleichs nicht zukommt, enthalten bei sachgemäßer Auslegung nichts, das der vorstehenden Auslegung der §§ 175 und 176 LAG entgegensteht.
Da der streitige Kreditgewinnabgabebescheid daher gesetzmäßig ist und auch keinen begründeten verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, ist die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410111 |
BStBl III 1961, 359 |
BFHE 1962, 254 |
BFHE 73, 254 |