Entscheidungsstichwort (Thema)
Bildungsaufwendungen als Werbungskosten abziehbar
Leitsatz (NV)
Aufwendungen einer Diplom-Übersetzerin für ein Aufbaustudium im Studiengang Journalistik stellen vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit dar.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Die im Streitjahr (1997) 38 Jahre alte Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war nach einem wissenschaftlichen Hochschulstudium ab Juli 1991 als Diplom-Übersetzerin für die Sprachen Englisch und Spanisch im Sprachendienst eines Ministeriums tätig. Neben ihrer Übersetzungsarbeit übernahm sie auch Dolmetscheraufgaben in ihrer Erstsprache (Englisch).
In der Zeit von Oktober 1997 bis September 1999 ließ sich die Klägerin von ihrem Arbeitgeber beurlauben, um ein (zwei Jahre dauerndes) Aufbaustudium im Studiengang Journalistik durchzuführen. Für dieses Studium war ein abgeschlossenes Fachstudium an einer wissenschaftlichen Hochschule von mindestens acht Semestern Voraussetzung. In der Einkommensteuererklärung für 1997 machte die Klägerin Studienkosten in Höhe von 4 026 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Hierbei handelt es sich insbesondere um Kosten für Fachliteratur und (nach Dienstreisegrundsätzen berechnete) Fahrtkosten. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) sah die Aufwendungen als Berufsausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und ließ diese nur mit dem Höchstbetrag von 1 800 DM als Sonderausgaben zum Abzug zu. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit der Klage trug die Klägerin vor, sie habe mit dem Aufbaustudium eine Erweiterung ihrer beruflichen Einsatzmöglichkeiten bei ihrem Arbeitgeber erreichen wollen. Sie strebe dort eine Tätigkeit im Bereich der Pressestelle oder im Referat Öffentlichkeitsarbeit an, wo Sprachkenntnisse nicht nur erwünscht, sondern erforderlich seien. Im Übrigen sei mit diesem Zweitstudium ―im Gegensatz zum Publizistikstudium mit einer Regelstudienzeit von vier Jahren― keine eigenständig anerkannte Berufsausbildung verbunden.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 676 veröffentlichten Gründen im Wesentlichen statt. Zur Begründung führte es aus, die Aufwendungen der Klägerin seien überwiegend als Werbungskosten zu beurteilen. Das journalistische Zweitstudium sei nicht als Vollstudium, sondern als typisches Aufbaustudium ausgerichtet, welches allein nicht für eine Berufsausbildung ausreiche und daher nur zu einer Qualifizierung im ausgeübten Beruf führen könne.
Mit der Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Aufwendungen für das Journalistikstudium seien nur als begrenzt abziehbare Sonderausgaben anzusehen. Das Studium habe objektiv den Wechsel in eine andere Berufsart, nämlich den Wechsel vom Beruf der Übersetzerin zum Beruf der Journalistin, ermöglicht, welchen die Klägerin auch angestrebt habe.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet; sie führt im angefochtenen Umfang zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Bildungsaufwendungen können Werbungskosten sein, sofern sie beruflich veranlasst sind. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die Urteile vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01 (BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, zur Umschulung), vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01 (BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407, zum berufsbegleitenden Erststudium) und vom 27. Mai 2003 VI R 33/01 (BFH/NV 2003, 1119, zur erstmaligen Berufsausbildung) verwiesen. Ob die Bildungsmaßnahme eine Basis für andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet, ist unerheblich. Entscheidend ist allein, ob die Aufwendungen durch die Erzielung von steuerbaren Einnahmen veranlasst sind. Nichts anderes gilt bei einem Zweit- oder Aufbaustudium.
Im Streitfall hat das FG zutreffend entschieden, dass die Klägerin das journalistische Aufbaustudium aus beruflichen Gründen betrieben hat. Es besteht ein hinreichend konkreter Zusammenhang mit den angestrebten steuerbaren Einnahmen aus einer Tätigkeit im Bereich der Pressestelle oder im Referat für Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums. Nach Ablauf der zweijährigen Beurlaubung war für die Klägerin eine Weiterbeschäftigung bei ihrem Arbeitgeber möglich. Aufgrund der durch das journalistische Aufbaustudium erworbenen Kenntnisse hat sie ihre Chancen erheblich verbessert, ihre Berufsziele zu verwirklichen. Da das Studium auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet war, sind hiermit im Zusammenhang stehende Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar.
Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Die Tatsachenfeststellungen des FG lassen hinsichtlich der einzelnen von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen keine abschließende Beurteilung zu; sein Urteil war deshalb aufzuheben. Das FG wird über die Höhe der Aufwendungen erneut ―unter Beachtung der Grundsätze des Urteils vom 29. April 2003 VI R 86/99 (BFH/NV 2003, 997)― zu entscheiden haben. Insbesondere wird zu würdigen sein, ob angesichts der häufigen Fahrten zur Universität diese als regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 978324 |
BFH/NV 2003, 1418 |