Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur zeitlichen Anwendung des § 40 Abs. 1 S. 2 EStG 1983 in sog. Übergangsfällen
Leitsatz (NV)
1. Der Nettosteuersatz des § 40 Abs. 1 S. 2 EStG 1983 ist erstmals auf den laufenden Arbeitslohn, der für einen nach dem 31. 12. 1982 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und auf sonstige Bezüge anzuwenden, die nach dem 31. 12. 1982 zufließen.
2. Der in der Übernahme der pauschalen Lohnsteuer durch den Arbeitgeber ggfs. liegende geldwerte Vorteil für den einzelnen Arbeitnehmer wird durch § 40 Abs. 1 S. 2 EStG 1983 nicht erfaßt. Auch wenn die Übernahme nach dem 31. 12. 1982 erfolgt, bleibt es deshalb bei der Regelung des Rechtssatzes 1.
Normenkette
EStG 1983 § 40 Abs. 1 S. 2, § 52 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft, beantragte im Verlauf einer vom 20. September bis 12. Oktober 1983 durchgeführten und den Zeitraum 1. Januar 1979 bis 31. Juni 1983 betreffenden Lohnsteueraußenprüfung die Pauschalierung nach § 40 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erhob die nachzufordernde Lohnsteuer unter Anwendung von Nettosteuersätzen in Höhe von 29,8 v.H. bzw. 57,7 v.H. Gegen den Lohnsteuerpauschalierungsbescheid vom 30. Dezember 1983 wendet sich die Klägerin mit der Begründung, auf den Arbeitslohn, der für vor dem 1. Januar 1983 endende Lohnzahlungszeiträume gewährt worden sei, dürfe nur ein Bruttosteuersatz von 23 v.H. bzw. 36,6 v.H. angewendet werden.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß die Neufassung des § 40 EStG durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1982, 1857, BStBl I 1982, 972), die in Abs. 1 Satz 2 die Anwendung eines Nettosteuersatzes ausdrücklich vorsehe, nicht eingreife. Es führte zur Begründung u.a. aus: Nach feststehender Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei die pauschale Lohnsteuer der §§ 40 bis 40b EStG keine Lohnsteuer des Arbeitnehmers, sondern eine originär in der Person des Arbeitgebers entstehende Unternehmenssteuer eigener Art, die keinen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers bewirke. Unabhängig davon, ob man die im steuerrechtlichen Schrifttum gegen diese Rechtsprechung erhobene Kritik für berechtigt halte, sei mit dem BFH darin übereinzustimmen, daß sich die pauschale Lohnsteuer des § 40 Abs. 1 EStG dem einzelnen Arbeitsverhältnis nicht konkret zuordnen lasse. Die pauschale Lohnsteuer werde nämlich unabhängig davon erhoben, ob überhaupt und in welcher Höhe beim einzelnen Arbeitnehmer eine Steuerschuld entstehe und ob der Arbeitgeber beim einzelnen Arbeitnehmer Rückgriff nehmen könne. Ebenso habe der pauschal besteuerte Arbeitslohn bei der Jahressteuerfestsetzung außer Ansatz zu bleiben; die pauschale Lohnsteuer sei auf die Jahressteuer des Arbeitnehmers nicht anzurechnen. Allein dies habe zur Folge, daß die Übernahme und Bezahlung der pauschalen Lohnsteuer durch den Arbeitgeber keinen Zufluß eines geldwerten Vorteils beim einzelnen Arbeitnehmer darstelle. Die durch die Neufassung des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 ausdrücklich angeordnete Anwendung des Nettosteuersatzes gelte nur für Arbeitslohn, welcher für nach dem 1. Januar 1983 beginnende Lohnzahlungszeiträume gezahlt werde. Dies folge aus der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983. Diese Vorschrift und nicht § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG 1983 sei im Bereich der Lohnsteuererhebung maßgebend. Die vorliegend streitigen Löhne seien den Arbeitnehmern vor dem 1. Januar 1983 zugeflossen. Die Übernahme der darauf entfallenden pauschalen Lohnsteuer sei, wie dargelegt, kein erst im Zeitpunkt der Pauschalierung zufließender sonstiger Bezug. Daran ändere auch nichts die Neufassung des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG ab 1983. Zwar sei nach dieser Vorschrift bei der Ermittlung des pauschalen Steuersatzes zu berücksichtigen, daß die Übernahme der pauschalen Lohnsteuer durch den Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine in Geldeswert bestehende Einnahme i.S. des § 8 Abs. 1 EStG darstelle. Aus dieser Formulierung sei aber nur zu schließen, daß das Gesetz lediglich zum Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes unterstelle, die pauschale Lohnsteuer sei eine Einnahme des Arbeitnehmers. Hierdurch werde allein der Nettosteuersatz definiert. Eine weitergehende Anordnung dahingehend, daß ein in der tatsächlichen Lebenswirklichkeit nicht vorhandener und nicht konkretisierbarer Zufluß der pauschalen Lohnsteuer beim einzelnen Arbeitnehmer nunmehr tatsächlich vorliege, habe das Gesetz nicht treffen wollen und können.
Mit der Revision begehrt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage. Es ist der Auffassung, im Streitfall sei die pauschale Lohnsteuer nach § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 unter Anwendung eines Nettosteuersatzes zu berechnen.
Zwar könne dem FG darin gefolgt werden, daß die Übernahme der pauschalen Lohnsteuer durch den Arbeitgeber keinen sonstigen Bezug für den Arbeitnehmer darstelle. Die Annahme eines sonstigen Bezuges könne auch nicht aus der Neufassung des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 begründet werden, denn diese Vorschrift könne nicht zur Auslegung des § 52 Abs. 1 EStG 1983 herangezogen werden, da es ja gerade um den zeitlichen Geltungsbereich des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 gehe. Im übrigen sei mit dem FG davon auszugehen, daß § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 keine konstitutive Bedeutung habe, sondern lediglich Zwecken der Steuerberechnung diene. Das FG habe aber zu Unrecht die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 angewendet, denn die pauschale Steuer sei keine Abzugssteuer. Der zeitliche Anwendungsbereich des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 werde hingegen durch § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG 1983 geregelt. Auf die pauschale Lohnsteuer, die sich kalenderjahrunabhängig auf nachzuversteuernde Beträge beziehe, seien daher die Vorschriften anzuwenden, die im Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs Geltung hätten. Die pauschale Lohnsteuer entstehe durch Erlaß des Lohnsteuerpauschalierungsbescheides. Im Streitfall sei die pauschale Lohnsteuer nach dem 31. Dezember 1982 entstanden. Gegen dieses Ergebnis könnten keine verfassungsrechtlichen Bedenken hergeleitet werden. Dem Streitfall liege allenfalls eine unechte Rückwirkung vor. Mit Inkrafttreten der Neufassung des § 40 EStG 1983 seien noch nicht alle für das Entstehen der Steuer wesentlichen Sachverhalte erfüllt, da der Nachforderungsbescheid erst nach dem 31. Dezember 1982 ergangen sei. Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin am Fortbestand einer Regelung, die von einer Bruttobesteuerung ausgehe, sei nicht gegeben.
Die Klägerin tritt der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Das FG hat im Ergebnis zutreffend die nachzuversteuernden Löhne mit einem Bruttosteuersatz belegt. Es hat zu Recht die Anwendung des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG ab 1983 und damit den Ansatz eines Nettosteuersatzes auf die vor dem 1. Januar 1983 gezahlten Löhne und sonstigen Bezüge abgelehnt.
Die zeitliche Anwendung des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 wird durch § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 geregelt. Nach dieser Vorschrift sind die den Steuerabzug vom Arbeitslohn regelnden Vorschriften des EStG 1983 erstmals auf den laufenden Arbeitslohn, der für einen nach dem 31. Dezember 1982 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und auf sonstige Bezüge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1982 zufließen. Dem steht nicht entgegen, daß es sich bei der Pauschalsteuer des § 40 EStG nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil in BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91) um eine Unternehmenssteuer eigener Art handelt. Selbst wenn die Pauschalsteuer diesen Charakter hat, ändert das nichts daran, daß es letztlich um die vom Arbeitgeber vorzunehmende Besteuerung des Arbeitslohns und damit um den Steuerabzug vom Arbeitslohn im weiteren Sinne geht. Dies wird hinreichend deutlich durch die Gesetzesgliederung, die § 40 EStG unter den Unterabschnitt ,,Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer)" einordnet. Wenn § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG die zeitliche Anwendung des Gesetzes ,,beim Steuerabzug vom Arbeitslohn" regelt und dabei die gleiche Formulierung des 2. Unterabschnitts des VI. Abschnitts des EStG verwendet, so kann das nur bedeuten, daß damit die zeitliche Anwendung der §§ 38 bis 42 f EStG angesprochen ist.
Ob der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Übernahme der pauschalen Lohnsteuer dem jeweiligen Arbeitnehmer in Höhe der Befreiung von seiner individuellen Steuerschuld einen geldwerten Vorteil zuwendet, kann dahinstehen. Denn dieser individuelle Vorteil soll durch § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG ab 1983 nicht erfaßt werden. Andernfalls müßte - nur zum Zwecke der Berechnung des Erhöhungsbetrages - die Summe der individuellen Vorteile errechnet werden, womit der in der Durchschnittsberechnung liegende Vereinfachungsvorteil hinfällig würde. Bei dieser Berechnung müßten auch die zur Zeit der Pauschalierung bestehenden Verhältnisse berücksichtigt werden, was insbesondere bei ausgeschiedenen Arbeitnehmern zu erheblichen Schwierigkeiten führte.
Vielmehr kommt im Gesetzeswortlaut, es sei ,,zu berücksichtigen", daß die Übernahme der pauschalen Lohnsteuer eine in Geldeswert bestehende Einnahme ,,darstellt" lediglich zum Ausdruck, daß der für pauschalierte Löhne nach den Verhältnissen des Zuflußjahres ermittelte Durchschnittssteuersatz auf einen Nettosteuersatz hochzurechnen ist.
Der Gesetzgeber hatte diese Formulierung dazu verwendet, um den Nettosteuersatz zu definieren. Während in den §§ 40 Abs. 2, 40a und 40b EStG feste Steuersätze vorgesehen sind, ist der Steuersatz des § 40 Abs. 1 EStG ein von den Umständen des Einzelfalles abhängiger variabler Steuersatz. Diesen Steuersatz hat der Gesetzgeber als Nettosteuersatz ausgestaltet. Zur Umschreibung dieses Nettosteuersatzes mußte er die entsprechenden Formulierungen verwenden.
Damit regelt § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 bezogen auf den vorliegenden Streitfall, daß der Nettosteuersatz des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 erstmals auf laufenden Arbeitslohn, der für einen nach dem 31. Dezember 1982 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und auf sonstige Bezüge anzuwenden ist, die nach dem 31. Dezember 1982 zufließen. Da im Streitfall die Pauschalierung von laufendem Lohn für vorher endende Lohnzahlungszeiträume bzw. von vorher zugeflossenen sonstigen Bezügen streitig ist, verbleibt es für die pauschale Besteuerung dieser Lohnzuflüsse bei der vor dem 1. Januar 1983 geltenden Rechtslage und damit bei dem Ansatz eines Bruttosteuersatzes.
Fundstellen
Haufe-Index 415974 |
BFH/NV 1989, 365 |