Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Berücksichtigung der Verlustausgleichsbegrenzung des § 2 Abs.3 EStG bei Berechnung der für den Entlastungsbetrag nach § 32c EStG maßgeblichen gewerblichen Einkünfte
Leitsatz (amtlich)
1. Eine anteilige Verlustverrechnung gemäß § 2 Abs. 3 Satz 4 EStG ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 32c Abs. 2 EStG bei Ermittlung der gewerblichen Einkünfte nicht vorgesehen.
2. Der auf gewerbliche Einkünfte entfallende Anteil am zu versteuernden Einkommen (gewerblicher Anteil) bemisst sich nach dem Verhältnis der gewerblichen Einkünfte nach § 32c Abs. 2 EStG zur Summe der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 3 EStG.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 3, § 32c
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger erzielte im Streitjahr gewerbliche Einkünfte, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und sonstige Einkünfte (§ 22 des Einkommensteuergesetzes --EStG--); ferner negative Einkünfte nach § 17 EStG, aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Im Einzelnen stellen sich die Einkünfte wie folgt dar:
Den Entlastungsbetrag nach § 32c EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) --im Folgenden: EStG 1999-- berechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) auf der Grundlage des nach Durchführung des Verlustausgleichs gemäß § 2 Abs. 3 EStG verbleibenden Betrags in Höhe von 364 669 DM. Dadurch ergab sich ein Entlastungsbetrag nach § 32c EStG 1999 in Höhe von 11 290 DM.
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrten die Kläger, einen Entlastungsbetrag nach § 32c EStG 1999 in Höhe von 23 334 DM zu berücksichtigen. Dieser Betrag sei auf der Grundlage begünstigter gewerblicher Einkünfte in Höhe von 519 427 DM zu berechnen. Denn der anteilige Verlustausgleich nach § 2 Abs. 3 Satz 4 EStG 1999 dürfe bei der Ermittlung der gewerblichen Einkünfte i.S. von § 32c EStG 1999 nicht vorgenommen werden.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 466 veröffentlichtem Urteil statt.
Mit der Revision rügt das FA sinngemäß Verletzung materiellen Rechts. Gewerbliche Einkünfte i.S. des § 32c Abs. 2 EStG 1999 seien nur insoweit zu berücksichtigen, als sie noch im zu versteuernden Einkommen enthalten seien. Soweit sie durch Verluste aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen würden, liege diese Voraussetzung nicht vor.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass der Berechnung des Entlastungsbetrags nach § 32c Abs. 4 EStG 1999 gewerbliche Einkünfte des Klägers in Höhe von 519 427 DM zugrunde zu legen sind.
1. Gemäß § 32c Abs. 1 EStG 1999 ist von der tariflichen Einkommensteuer ein Entlastungsbetrag nach § 32c Abs. 4 EStG 1999 abzuziehen, wenn in dem zu versteuernden Einkommen gewerbliche Einkünfte i.S. des § 32c Abs. 2 EStG 1999 enthalten sind, deren Anteil am zu versteuernden Einkommen mindestens 93 744 DM beträgt. Der Begriff der gewerblichen Einkünfte wird in § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG 1999 dahingehend definiert, dass es sich vorbehaltlich des Satzes 2 der Vorschrift um Gewinne oder Gewinnanteile handeln muss, die nach § 7 oder § 8 Nr. 4 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der Gewerbesteuer unterliegen.
2. Im Streitfall betragen die der Tarifbegrenzung unterliegenden Einkünfte 519 427 DM. In dieser Höhe unterliegt der Gewinn des Klägers nach § 7 GewStG der Gewerbesteuer. Der von dem Kläger erwirtschaftete Verlust aus der Veräußerung einer Beteiligung i.S. von § 17 EStG gehört nicht zu den (begünstigten) gewerblichen Einkünften nach § 32c Abs. 2 EStG 1999.
Anders als § 35 EStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) enthält § 32c Abs. 2 EStG 1999 eine Definition der gewerblichen Einkünfte. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift sind gewerbliche Einkünfte nicht die anteilig geminderten Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Anwendung des Verlustausgleichs gemäß § 2 Abs. 3 EStG 1999 (vgl. auch FG Düsseldorf, Urteil vom 19. Dezember 2005 8 K 383/02 E, juris; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 32c Rn 26). Auch fehlt in § 32c EStG 1999 ein Verweis auf § 2 Abs. 3 Sätze 2 bis 8 EStG 1999. Für einen ungekürzten Ansatz der gewerblichen Einkünfte spricht zudem § 32c Abs. 3 Satz 2 EStG 1999, wonach der Entlastungsbetrag nach Abs. 4 auf der Grundlage des gesamten zu versteuernden Einkommens zu ermitteln ist, wenn die gewerblichen Einkünfte nach Abs. 2 die Summe der Einkünfte übersteigen. Diese Regelung könnte niemals greifen, wenn gewerbliche Einkünfte i.S. von § 32c Abs. 2 EStG 1999 die anteilig geminderten Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Anwendung des Verlustausgleichs gemäß § 2 Abs. 3 EStG 1999 wären. Entgegen der Auffassung des FA ergibt sich auch aus der Eingangsformulierung in § 32c Abs. 1 EStG 1999 nichts Gegenteiliges. Diese Formulierung gleicht der in § 34 Abs. 1 EStG 1999; auch bei dieser Vorschrift sind für die Berechnung der begünstigten Einkommensteuer seit 1999 die Verlustausgleichsbeschränkungen des § 2 Abs. 3 Satz 3 ff. EStG 1999 nicht zu beachten (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13. August 2003 XI R 27/03, BFHE 204, 433, BStBl II 2004, 547).
3. Gemäß § 32c Abs. 3 Satz 1 EStG 1999 bemisst sich der auf gewerbliche Einkünfte entfallende Anteil am zu versteuernden Einkommen (gewerblicher Anteil) nach dem Verhältnis der gewerblichen Einkünfte nach § 32c Abs. 2 EStG 1999 zur Summe der Einkünfte. Da § 32c EStG 1999 keine eigenständige Definition der Summe der Einkünfte enthält, ist das Verhältnis der gewerblichen Einkünfte i.S. von § 32c Abs. 2 EStG 1999 zur Summe der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 3 EStG 1999 entscheidend (ebenso Lambrecht in Kirchhof, a.a.O., § 32c Rn 22; Schmidt/Glanegger, EStG, 20. Aufl., § 32c Rz 25; Hörger in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32c EStG Rn 11). Die Verlustausgleichsbegrenzung gemäß § 2 Abs. 3 EStG 1999 wäre deshalb zu beachten, wenn --anders als im Streitfall-- negative Einkünfte von Steuerpflichtigen nicht in vollem Umfang ausgleichsfähig wären.
4. Die vom FA aufgeworfene Frage, ob die Summe der Einkünfte nach § 2 Abs. 3 EStG 1999 um den Verlustabzug i.S. des § 10d EStG zu bereinigen ist, stellt sich im Streitfall nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 1708534 |
BFH/NV 2007, 1008 |
BStBl II 2007, 449 |
BFHE 2008, 161 |
BFHE 215, 161 |
BB 2007, 762 |
BB 2007, 813 |
DB 2007, 722 |
DStR 2007, 577 |
DStRE 2007, 517 |
DStZ 2007, 328 |
HFR 2007, 468 |