Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugmaschine im kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinne
Leitsatz (NV)
1. Zum Begriff ,,Zugmaschine" im kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinne (§ 3 Nr. 7 KraftStG 1979).
2. Die verkehrsrechtliche Einstufung als ,,Zugmaschine" ist kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht bindend.
Normenkette
KraftStG 1979 § 3 Nr. 7, § 2 Abs. 2
Tatbestand
Für den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) ist ein Fahrzeug (Marke Nissan, MD 21, Pick Up 4 x 4 mit Selbstzündungsmotor) zum Verkehr zugelassen, das von dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) nicht als im Halten nach § 3 Nr. 7 Buchst. a des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1979 kraftfahrzeugsteuerfreie ,,Zugmaschine" zur Verwendung in dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Klägers angesehen wird. Das Fahrzeug ist mit einem Fahrer- und einem Beifahrersitz sowie zwei abklappbaren Notsitzen ausgestattet. Hinter dem Führerhaus befindet sich eine 1,875 m lange Ladefläche. Das Fahrzeug verfügt über einen Anhängebock, der eine Anhängelast von 2000 kg (nach erfolgter Verstärkung 4000 kg) bei Einhaltung einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h ermöglicht. Es war vor seiner Umrüstung mit dem verstärkten Anhängebock vom Hersteller als ,,Lastkraftwagen - offener Kasten" bezeichnet worden und wurde nach der Umrüstung verkehrsrechtlich als ,,Zugmaschine" eingestuft (Eintragung im Fahrzeugschein).
Die mit der Klage angefochtene Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung wurde vom Finanzgericht (FG) aufgehoben. Das Fahrzeug sei eine Zugmaschine. Dieser Begriff müsse in Übereinstimmung mit dem Verkehrsrecht verstanden werden. Die Frage, ob das Fahrzeug überwiegend zum Ziehen geeignet und die Ladefläche als unschädlich anzusehen sei, sei unter Rückgriff auf die vom Bundesminister für Verkehr aufgestellten Erfordernisse zu entscheiden. Diesen entspreche das Fahrzeug des Klägers. Sei nach ihnen davon auszugehen, daß das äußere Gesamtbild das Fahrzeug als Zugmaschine erscheinen lasse, so gelte das auch in kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Hinsicht. Unerheblich sei, daß das Fahrzeug als ,,Lastkraftwagen mit PKW-Komfort" bezeichnet werde, daß es über eine offene, zum Transport von privatem Gepäck aber ungeeignete (Hilfs-)Ladefläche und zwei Notsitze verfüge und daß die Umrüstung ohne erheblichen Aufwand habe erfolgen können.
Die Revision des FA macht demgegenüber geltend, die verkehrsrechtliche Einstufung des Fahrzeugs beruhe nicht auf einer gesetzlichen Bestimmung des Begriffs ,,Zugmaschine" und sei daher kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht bindend. Die nach der Rechtsprechung maßgebenden kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Anforderungen an eine ,,Zugmaschine" seien nicht erfüllt. Das Fahrzeug sei nicht zugmaschinentypisch und nicht im wesentlichen zum Ziehen von Anhängern gebaut; es sei vielmehr als geländegängiges Nutzfahrzeug mit Allrad-Antrieb konzipiert (angeboten als ,,Vielzweck-Laster mit PKW-Komfort") und auch zum Personentransport gut geeignet. Ohne Anhänger sei eine Geschwindigkeit von über 120 km/h möglich und zulässig. Bei der Größe der unter Verwendung entsprechenden Zubehörs verschließ- bzw. abdeckbaren Ladefläche habe diese keine bloße Hilfsfunktion. Der wirtschaftliche Wert des Fahrzeugs, das mit einem PKW-Kombi- oder Pritschenwagen vergleichbar sei, bestehe nicht im wesentlichen in der Zugleistung. Auch lasse sein äußeres Erscheinungsbild, selbst nach der Umrüstung, nicht die reine Zweckbestimmung als Zugmaschine erkennen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Das Fahrzeug des Klägers kann nach den von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen nicht als Zugmaschine i. S. von § 3 Nr. 7 KraftStG 1979 angesehen werden. Die anderslautende Vorentscheidung ist aufzuheben, die Klage gegen die angefochtene Steuerfestsetzung abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Der kraftfahrzeugsteuerrechtliche Begriff ,,Zugmaschine" ist in erster Linie nach seinem Wortsinn, erst daneben in Anlehnung an verkehrsrechtliche Festlegungen auszulegen. Zugmaschine ist danach ein Fahrzeug, dessen wirtschaftlicher Wert im wesentlichen in der Zugleistung liegt und das nach seiner Bauart ausschließlich oder überwiegend zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern zu dienen geeignet und bestimmt ist (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteile vom 19. Januar 1966 II 127/63, BFHE 85, 46, BStBl III 1966, 229, und vom 23. April 1980 II R 176/75, BFHE 130, 559, BStBl II 1980, 604). Unter Zugrundelegung dieser Begriffsbestimmung sind mit Anhängerkupplung bzw. Anhängebock umgerüstete ,,PKW-Kombi" bzw. LKW, die verkehrsrechtlich als Zugmaschinen anerkannt worden waren, in mehreren finanzgerichtlichen Entscheidungen nicht als Zugmaschinen beurteilt worden (Niedersächsisches FG, Urteil vom 30. November 1987 III 527/86, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1988, 258; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 12. Dezember 1989 III 1055/88, EFG 1990, 269; FG Münster, Urteil vom 3. Mai 1990 XIII 3813/88 Kfz, EFG 1991, 156; die Nichtzulassungsbeschwerden gegen die beiden zuerst bezeichneten Urteile hat der Senat durch Beschlüsse vom 9. Juni 1988 VII B 22/88 und vom 3. Mai 1990 VII B 25/90 - nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung - zurückgewiesen).
Auch die Vorinstanz ist - insoweit zutreffend - von der in der Rechtsprechung des BFH entwickelten Begriffsbestimmung ausgegangen. Unrichtig ist aber die die Vorentscheidung tragende Auffassung, die maßgebenden Begriffsmerkmale seien unter Rückgriff auf verkehrsrechtliche Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, letztlich also nach der verkehrsrechtlichen Einstufung des Fahrzeugs nach dessen Umrüstung, mit dem Ergebnis, daß das - umgerüstete - Fahrzeug auch kraftfahrzeugsteuerrechtlich als Zugmaschine anzuerkennen sei. Das Kraftfahrzeugsteuerrecht folgt zwar grundsätzlich Begriffsbestimmungen in verkehrsrechtlichen (Rechts-)Vorschriften (§ 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG 1979), nicht aber, abgesehen von den in § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG 1979 (jetzt i. d. F. des Gesetzes vom 22. Dezember 1989, BGBl I 1989, 2436, BStBl I 1989, 485) bestimmten Ausnahmen, Festlegungen verkehrsrechtlicher Art, die im Verwaltungswege erfolgen. Soweit es kraftfahrzeugsteuerrechtlich auf die Bauart (,,Gesamtbild") des Fahrzeugs als Zugmaschine ankommt, darf dieses Merkmal nicht schon deshalb für gegeben erachtet werden, weil die Verkehrsbehörde unter Beachtung einschlägiger Verwaltungsanweisungen eine entsprechende Einstufung vorgenommen hat.
Da das FG von einer hiervon abweichenden Auffassung ausgegangen ist, kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist spruchreif, denn die den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden - erschöpfenden - Feststellungen der Vorinstanz lassen nur den Schluß zu, daß es sich bei dem Fahrzeug des Klägers nicht um eine im Halten kraftfahrzeugsteuerfreie Zugmaschine handelt.
Dabei kann offenbleiben, ob das Fahrzeug schon auf Grund einzelner Ausstattungsmerkmale - Zahl der Sitzplätze, Höchstgeschwindigkeit ,,ohne Zug" 126 km/h (vom FG durch Bezugnahme auf den Fahrzeugschein festgestellt), Ladefläche von nicht unerheblichem Ausmaß - nicht als Zugmaschine zu werten ist. Entscheidend ist, auch unter Berücksichtigung dieser Merkmale in ihrer Gesamtheit, daß es als LKW konzipiert worden ist. Den Feststellungen des FG ist zu entnehmen, daß die Umrüstung nur die Verwendbarkeit des Fahrzeugs als Vorspann verbessert hat (größere Anhängelast); an der vorgegebenen Eignung zur Beförderung von Gütern hat sich indessen nichts geändert. Danach ist auszuschließen, daß die Umrüstung zu einer Bauart geführt hat, die das Fahrzeug als ausschließlich oder überwiegend zum Ziehen von Anhängern geeignet erscheinen läßt. Ob es nur in dieser Weise eingesetzt wird, ist nicht entscheidend (EFG 1990, 269).
Das FA hat danach zutreffend unter Ablehnung einer Kraftfahrzeugsteuerbefreiung gegen den Kläger Kraftfahrzeugsteuer festgesetzt.
Fundstellen
Haufe-Index 418136 |
BFH/NV 1992, 414 |