Entscheidungsstichwort (Thema)
Andere freigebige Zuwendungen unter Lebenden i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959
Leitsatz (NV)
Eine andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, durch die der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959), setzt weder eine Einigkeit über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung noch den Willen des Zuwendenden voraus, den anderen zu bereichern; erforderlich und ausreichend ist, daß der Zuwendende etwas unentgeltlich zuwenden will, wobei der Wille zur Freigebigkeit auf der Grundlage der dem Zuwendenden bekannten Umstände nach Maßgabe des allgemein Verkehrsüblichen bestimmbar ist.
Normenkette
ErbStG 1959 § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Frau A war an den Unternehmen X-GmbH und Y-GmbH als Gesellschafterin beteiligt. Durch notariell beurkundete Angebotsverträge vom 17. Februar, 25. Februar und 14. März 1958 bot sie die Geschäftsanteile an den beiden Gesellschaften ihrer Schwester, Frau B, deren Ehemann, Herrn B, und - für den Fall, daß diese das Angebot nicht annähmen - Herrn D, dem Vater der Klägerin, zum Kauf an. Das Angebot konnte auf Verlangen von Frau A zu deren Lebzeiten, im übrigen innerhalb von drei Monaten nach ihrem Tode, angenommen werden. Der Kaufpreis betrug beim Erwerb durch einen der Eheleute B stets und beim Erwerb durch den Vater der Klägerin zu Lebzeiten von Frau A 60 v. H. des ,,Einheitswerts" der Anteile. Gleichzeitig machten die Eheleute B dem Vater der Klägerin ein Kaufangebot für den Fall, daß sie die Geschäftsanteile erwerben sollten. Der Kaufpreis betrug in diesem Falle sowie im Falle des Erwerbs durch den Vater der Klägerin nach dem Tode von Frau A jeweils 30 v. H. des ,,Einheitswerts" der Anteile. Das Angebot an Herrn D wurde mit Nachtrag vom 12. März 1963 vererblich und - in beschränktem Rahmen - abtretbar gestellt. Der Vater der Klägerin starb noch im Jahre 1963; die Eheleute B sind 1965 bzw. 1966 verstorben. Frau A, die zu ihren Lebzeiten die Annahme nicht verlangt hat, verstarb am 17. März 1968.
Die Klägerin hat nach Abtretung der Rechte ihrer Mutter das Angebot der Frau A am 4. Juni 1968 durch Erklärung gegenüber dem Erben der Frau A angenommen.
Das Finanzamt (FA) sah in dem Vorgang eine gemischte Schenkung unter Lebenden. Es erhob auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem steuerrechtlichen Wert der Anteile und dem Kaufpreis von 30 v. H. dieses Werts Schenkungsteuer. Mit geändertem endgültigen Bescheid vom 29. November 1978, der Gegenstand des Verfahrens ist, setzte es die Schenkungsteuer gegen die Klägerin auf . . . DM fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Auffassung vertreten, der Erwerb unterliege gleich einer Schenkung auf den Todesfall der Erbschaftsteuer.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr auf Aufhebung der Steuerfestsetzung gerichtetes Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin war zurückzuweisen. Zwar ergeben die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils eine Verletzung bestehenden Rechts, doch stellt sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Zutreffend rügt die Revision Verletzung von § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1959. Schon die Änderung des ursprünglichen Angebots durch die Vereinbarung vom 12. März 1963 schließt die Annahme einer Schenkung auf den Todesfall aus.
2. Die teilweise unentgeltliche Zuwendung der Gesellschaftsanteile unterliegt jedoch als Schenkung unter Lebenden gemäß § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 2 ErbStG 1959 der Schenkungsteuer, wobei die Steuer mit deren Ausführung im Jahre 1968 in der Person der Klägerin als Beschenkter (§ 15 Abs. 1 ErbStG 1959) entstand (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959).
Mit den Verträgen vom Februar/März 1958 hat Frau A lediglich ein unwiderrufliches, bindendes Vertragsangebot über den Erwerb der Anteile an den beiden Gesellschaften gemacht sowie dessen Inhalt und die Annahmebedingungen vertraglich festgelegt. Es handelt sich dabei um das Angebot zum Abschluß eines Vertrages, der sowohl Elemente der Entgeltlichkeit als auch Elemente der Unentgeltlichkeit enthält, aber nicht in zwei Vertragsteile aufgespalten werden kann, die etwa zu unterschiedlichen Zeitpunkten als gesonderte Verträge wirksam geworden wären. Auch scheidet die Annahme eines aufschiebend bedingten Anspruchs aus einem bereits abgeschlossenen Erwerbsvertrag, der durch einseitige Erklärung wirksam werden könnte, aus; denn eine weitergehende Bindung als die eines unwiderruflichen Angebots zum Abschluß eines Vertrages mit dem beschriebenen Inhalt ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, daß das Angebot nicht nur einseitig erklärt, sondern vertraglich begründet worden ist. Zur Wirksamkeit des Vertrages bedurfte es vielmehr der für sein Zustandekommen unabdingbaren Annahme durch einen der Annahmeberechtigten, wie sie durch die Klägerin am 4. Juni 1968 erklärt wurde.
Soweit die Revision auf die Senatsentscheidung vom 16. Juli 1975 II R 154/66 (BFHE 117, 76, BStBl II 1976, 17) verweist, vermag der Senat keine Sachverhaltsparallele zu erkennen: Dort ging es um die Frage, ob der Übergang eines Wiederkaufsrechts von Todes wegen beim Erben im Verhältnis zum Erblasser Erbschaftsteuer auslöst, wenn der Erbe später auf das Wiederkaufsrecht entgeltlich verzichtet. Hier ist jedoch nicht der Erwerb der Klägerin von Todes wegen nach ihrem Vater zu beurteilen, sondern die nicht vergleichbare Frage, ob durch die Annahme des Vertragsangebots der Frau A eine (gemischte) Schenkung an die Klägerin ausgeführt worden ist. Solange aber das Angebot noch nicht angenommen war, konnte eine Schenkung noch nicht ,,ausgeführt" sein.
Soweit für den Erwerb der Anteile durch die Klägerin keine deren Wert äquivalente Gegenleistung zu erbringen war, sind die Voraussetzungen einer Schenkung unter Lebenden i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959 erfüllt. Zu den danach der Erbschaftsteuer unterliegenden Schenkungen unter Lebenden gehört nicht nur die Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959), sondern auch jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959).
Einer Einigkeit über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung bedarf es in solchen Fällen ebensowenig wie des Willens des Zuwendenden, den anderen zu bereichern. Erforderlich und ausreichend ist es, wenn der Zuwendende etwas unentgeltlich zuwenden will, wobei der Wille zur Freigebigkeit auf der Grundlage der dem Zuwendenden bekannten Umstände nach Maßgabe des allgemein Verkehrsüblichen bestimmbar ist (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1979 II R 26/78, BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631, und vom 21. Oktober 1981 II R 176/78, BFHE 134, 357, BStBl II 1982, 83). Ohne Bedeutung ist dabei das Motiv für die Zuwendung, sofern diese nicht ihre Wurzel in einer rechtlichen Verpflichtung hat. Daß Frau A sich dessen bewußt war, daß der steuerrechtlich maßgebende Wert der Anteile deren gemeinem Wert etwa nahekomme und ein Erwerbspreis von nur 30 v. H. dieses Wertes erheblich hinter dem Wert der Geschäftsanteile zurücklag, bedarf keiner Vertiefung.
Fundstellen
Haufe-Index 415757 |
BFH/NV 1989, 168 |