Leitsatz (amtlich)
Ein Gerät, das der Erfassung von EDV-Ausgangsdaten auf Mikrofilm dient und durch Zwischenschaltung einer Schnittstellenverbindung im On-line-Betrieb verwendet werden kann, gehört als Einheit einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine zu Tarifnr. 84.53.
Normenkette
GZT: ATV 1; GZT: Vorschrift 3 B zu Kap. 84; GZT: Tarifnrn. 84.53; GZT: Tarifnrn. 90.07
Tatbestand
Die Klägerin beantragte die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) über ein Gerät, das der Erfassung von EDV-Ausgangsdaten auf Mikrofilm dient. Das Gerät besteht aus vier Funktionseinheiten, nämlich einer Magnetband-Einheit mit Steuerung (Eingabe), einer Leseelektronik (Decodierung, Umwandlung), einer Schreibelektronik mit Kathodenstrahlröhre (Darstellung des Klartextes auf dem Bildschirm der Kathodenstrahlröhre) und einer verschlußlosen automatischen Mikrofilmkamera. Das Gerät arbeitet in der Weise, daß die Daten in das Gerät eingegeben, decodiert, auf der Kathodenstrahlröhre sichtbar gemacht und auf den in der Mikrofilmkamera befindlichen Mikrofilm aufgenommen werden.
Die Beklagte (die Oberfinanzdirektion – OFD –) wies die Ware in der vZTA 124/73 vom 6. Juni 1973 der Tarifst. 90.07 A des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu. Zur Begründung führte sie aus, daß es sich um ein zusammengesetztes Gerät handle, das von keiner Tarifnummer unmittelbar erfaßt sei. Insbesondere scheide die Zuweisung zur Tarifnr. 84.53 aus, weil das Gerät in der vorliegenden Ausstattung nicht unmittelbar (im on-line-Betrieb) an eine EDV-Anlage angeschlossen werden könne (vgl. Vorschrift 3 B zu Kap. 84). Das Gerät sei deshalb als eine aus Erzeugnissen des Kap. 90 (Mikrofilmapparatur) und des Abschn. XVI (Magnetband-Einheit und Datensichtgerät) zusammengesetzte Ware nach den Grundsätzen der Allgemeinen Tarifierungs-Vorschrift (ATV) 3 zu tarifieren. Die ATV 3 a könne nicht angewendet werden. Das Gerät sei daher nach seinem charakterbestimmenden Bestandteil zu tarifieren (ATV 3 b). Aufgrund ihrer Bedeutung in bezug auf die Verwendung bestimme die Mikrofilmapparatur den Charakter des Geräts. Sie werde als fotografisches Spezialgerät von der Tarifst. 90.07 A erfaßt, weswegen das Gerät in seiner Gesamtheit zu dieser Tarifstelle gehöre.
Gegen diese Auskunft richtet sich die Sprungklage der Klägerin, der die OFD nach § 45 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugestimmt hat. Die Klägerin führt aus, daß die Ware eine Einheit automatischer Datenverarbeitungsmaschinen sei und daher zur Tarifnr. 84.53 gehöre. Die Ware sei nach ihrer wirtschaftlichen Verwendung ein Datenausgabegerät und falle als solches unter den Begriff „Einheit” im Sinne der Tarifnr. 84.53, wie sich aus der Vorschrift 3 B zu Kap. 84 ergebe. Die Ware erfülle alle dort genannten Voraussetzungen. Sie sei in einem eigenen Gehäuse untergebracht. Sie könne Daten in einer Form – als Code oder als Signale – empfangen oder liefern, die vom System verwendet werden könnten. Nach ihrer Beschaffenheit sei sie als Teil für ein vollständiges Datenverarbeitungssystem bestimmt und könne vor allem auch über eine oder mehrere Einheiten an eine zentrale Einheit angeschlossen werden. Zwar sei ein solcher Anschluß der Ware in der Ausstattung, wie sie Gegenstand der vZTA gewesen sei, nicht unmittelbar möglich. Zum on-line-Verfahren müsse eine Schnittstellenverbindung (Interface) zwischen dem Gerät und der Zentraleinheit eingeschoben werden. Dies sei jedoch auf die Tarifierung ohne Einfluß, denn die Schnittstellenverbindung sei als Kanalverbindungseinheit (Anpaßeinheit) ihrerseits begrifflich eine Einheit einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine (vgl. Erläuterungen zum Brüsseler Zolltarifschema – Brüsseler Erläuterungen – zu Tarifnr. 84.53 Teil I Randziff. 24) und der Anschluß einer „Einheit” an die Zentraleinheit über eine oder mehrere zusätzliche Einheiten sei ausdrücklich vorgesehen (a. a. O. Randziff. 26). Es komme nach dem Wortlaut der Vorschritt 3 B zu Kap. 84 und den Brüsseler Erläuterungen nur darauf an, ob das Gerät an eine Zentraleinheit „angeschlossen werden kann”. Es würde zu einem nicht vertretbaren Ergebnis führen, wenn das Gerät im Hinblick auf den von wirtschaftlichen Überlegungen bestimmten, im Einzelfall unterschiedlichen Einsatz in einem Datenverarbeitungssystem unterschiedlich tarifiert würde. Es könne nur darauf ankommen, ob das Gerät seiner Beschaffenheit nach ohne bauliche Veränderung über eine Kanalverbindungseinheit an eine Zentraleinheit angeschlossen werden könne.
Die Klägerin beantragt, die vZTA aufzuheben.
Die OFD beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen. Zur Begründung führt sie aus, Gegenstand des vZTA sei ein Gerät in der Ausstattung für den off-line-Betrieb. Dieses Gerät könne nur dann im on-line-Betrieb (d. h. als Ausgabeeinheit einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine) verwendet werden, wenn zuvor die Magnetbandeinheit ausgebaut und durch eine Schnittstellenverbindung (Interface) ersetzt worden sei. Außerdem müsse die Programmierung geändert werden. Das Gerät sei somit ein vollständiges und vom Rechner unabhängiges System zur Erfassung von Daten auf Mikrofilm, das erst durch Umbau an Zentraleinheiten von automatischen Datenverarbeitungsmaschinen angeschlossen werden könne. Eine Zuweisung zur Tarifnr. 84.53 müsse deshalb ausscheiden.
Die Klägerin bestreitet in ihrer Replik das Vorbringen der OFD, das Gerät könne erst durch Umbau an Zentraleinheiten von automatischen Datenverarbeitungsanlagen angeschlossen werden. Das Gerät sei sowohl für den off-line- wie auch für den on-line-Betrieb geeignet. Der On-line-Betrieb fordere lediglich die Zwischenschaltung eines sog. Interface zwischen Zentraleinheit und dem Gerät. Die Magnetbandeinheit brauche nicht ausgebaut und durch ein Interface ersetzt zu werden. Die Magnetbandeinheit werde bei direktem Datenzufluß über ein sog. Interface als Anschlußeinheit lediglich nicht benutzt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Für die Tarifierung ist maßgebend der Gemeinsame Zolltarif (Verordnung [EWG] Nr. 950/68 – VO [EWG] 950/68 – vom 28. Juni 1968, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 172 vom 22. Juli 1968 S. 1). Nach der ATV 1 zum Schema des Gemeinsamen Zolltarifs ist für die Tarifierung eine Ware vom Wortlaut der Tarifnummer, den Vorschriften zu den Abschnitten oder Kapiteln sowie von den Allgemeinen Tarifierungsvorschriften auszugehen. Danach wird das Gerät, das Gegenstand der angefochtenen vZTA ist, von Tarifnr. 84.53 erfaßt.
Nach dem Wortlaut der Tarifnr. 84.53 gehören zu ihr Einheiten automatischer Datenverarbeitungsmaschinen. Eine Einheit in diesem Sinne liegt nach der Vorschrift 3 B zu Kap. 84 dann vor, wenn es sich um einen Teil handelt, der zu einem vollständigen System gehört. Das ist, wie es in der genannten Vorschrift weiter heißt, gegeben, wenn das Gerät an die Zentraleinheit unmittelbar oder über eine oder mehrere andere Einheiten angeschlossen werden kann und seiner Beschaffenheit nach als Teil für ein solches System bestimmt ist; es muß insbesondere in der Lage sein, Daten in einer Form – als Code oder als Signale – zu empfangen oder zu liefern, die vom System verwendet werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Das Gerät kann an die Zentraleinheit über eine andere Einheit angeschlossen werden (vgl. Vorschrift 3 B Buchst. a zu Kap. 84). Die OFD hält zu Unrecht diese Voraussetzung nicht für gegeben, da das Gerät in der Beschaffenheit, die Gegenstand der vZTA war, nicht unmittelbar an eine Zentraleinheit angeschlossen werden könne, in dieser Beschaffenheit also nur für den off-line-Betrieb geeignet sei. Die OFD übersieht dabei, daß es nach der zitierten Vorschrift genügt, daß die Möglichkeit besteht, das Gerät an die Zentraleinheit über eine oder mehrere andere Einheiten anzuschließen. Es muß also lediglich so eingerichtet sein, daß es durch Zwischenschaltung einer besonderen Einheit für den on-line-Betrieb geeignet ist, ohne daß etwa diese zwischenzuschaltende Einheit Teil des Geräts selbst zu sein braucht.
Der OFD ist freilich darin zu folgen, daß diese Voraussetzungen dann nicht vorliegen, wenn neben der genannten Zwischenschaltung weiterer Einheiten auch Umbauten am Gerät selbst erforderlich wären, um das Gerät an die Zentraleinheit anzuschließen. Ein solcher Umbau ist bei den fraglichen Geräten jedoch nicht erforderlich. Der erkennende Senat hatte keine Bedenken, insoweit dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Klägerin zu folgen. Danach erfordert der on-line-Betrieb lediglich die Zwischenschaltung einer Schnittstellenverbindung (Interface) als Kanalverbindungseinheit (Anpaßeinheit). Diese kann als zwischen Zentraleinheit und Gerät geschaltete Einheit einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine angesehen werden (vgl. auch Brüsseler Erläuterungen zur Tarifnr. 84.53 Teil I Randziff. 24).
Das Gerät ist seiner Beschaffenheit nach auch als Teil für ein vollständiges Datenverarbeitungssystem bestimmt (vgl. Vorschrift 3 B Buchst. b zu Kap. 84). Ein solches vollständiges System umfaßt neben einer Zentraleinheit mindestens eine Eingabe- und eine Ausgabeeinheit (vgl. auch Brüsseler Erläuterungen zur Tarifnr. 84.53 Teil I Randziff. 17–20). Die Ausgabeeinheit wandelt die von der Maschine gelieferten Signale in eine verständliche Form (z. B. in geschriebene Texte oder in Graphiken oder Bildschirmanzeigen) um (a. a. O. Randziff. 20). Diese Funktion hat das fragliche Gerät, das beim on-line-Betrieb verschlüsselte Daten direkt aus der Zentraleinheit in lesbarer Form auf Mikrofilm überträgt.
Fundstellen
Haufe-Index 514637 |
BFHE 1976, 238 |