Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für die Schulung zum Verkehrsflugzeugführer als Werbungskosten abziehbar
Leitsatz (NV)
Aufwendungen für den Erwerb des Verkehrsflugzeugführerscheins können als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sein, auch wenn es sich hierbei um eine erstmalige Berufsausbildung handelt.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der 1971 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit 1993 Inhaber der Privatpilotenlizenz (PPL) und des allgemein gültigen Flugfunksprechzeugnisses (AZF). In der Folgezeit wurde er an der Verkehrsfliegerschule der Fluggesellschaft A zum Verkehrsflugzeugführer ausgebildet. Nachdem er den Verkehrsflugzeugführerschein (Airline Transport Pilot Licence/ATPL) mit Crew Coordination Concept (CCC) sowie eine Musterberechtigung (Type Rating) erworben hatte, wurde er ab August 1996 von dieser Fluggesellschaft als Pilot angestellt. Vor der Schulung zum Verkehrsflugzeugführer hatte er keine andere Berufsausbildung abgeschlossen.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1996 machte der Kläger bei einem Bruttoarbeitslohn von 34 048 DM Aufwendungen für eine Lizenzversicherung in Höhe von 2 005 DM, Kosten für fliegerärztliche Untersuchung in Höhe von 350 DM sowie Kosten für Flugstunden und CCC ("Leistung nach Phase III") in Höhe von 32 634 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) sah die Aufwendungen als Berufsausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und ließ diese nur mit dem Höchstbetrag von 2 400 DM als Sonderausgaben zum Abzug zu.
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte der Kläger geltend, die Schulungskosten stellten Werbungskosten dar. Er sei bereits als Werkspilot oder in einem vergleichbaren Beruf tätig gewesen, weil er in den Jahren 1993 und 1994 Werkstatt- und Rundflüge für eine Flugschule durchgeführt habe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, Werbungskosten könnten nicht anerkannt werden, weil der Kläger vor Durchführung der streitgegenständlichen Schulungsmaßnahmen noch keine abgeschlossene Berufsausbildung gehabt habe. Der Erwerb der PPL habe noch keinen Abschluss einer Berufsausbildung dargestellt.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die geltend gemachten Bildungsaufwendungen seien als Fortbildungs- und damit Werbungskosten anzusehen, weil die Schulung dem Erwerb einer höheren Qualifikation in dem bereits erworbenen Beruf des Berufsverkehrsflugzeugführers gedient habe. Spätestens mit dem Erwerb der ATPL habe er eine abgeschlossene Berufsausbildung gehabt. Diese befähige dazu, große Passagierflugzeuge zu fliegen. Vor dem konkreten Einsatz auf einem Flugzeug erfolge aber noch die Einweisung in einen Flugzeugtyp. Eine solche Musterberechtigung habe er erst im Rahmen des CCC erhalten. Außerdem habe das FG nicht ausreichend gewürdigt, dass die Fluggesellschaft A ihm im Dezember 1998 Schulungskosten in Höhe von 28 696 DM erstattet habe und diese Erstattung in voller Höhe der Lohnsteuer unterworfen worden sei.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1996 dahin gehend zu ändern, dass zusätzliche Werbungskosten von 34 989 DM berücksichtigt werden und die Einkommensteuer 1996 auf 0 Euro herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es ist der Ansicht, die vom Kläger für die Erlangung der Musterberechtigung aufgewendeten Kosten dienten dazu, notwendige grundlegende Kenntnisse für einen künfigen Beruf zu erlangen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Aufwendungen für eine auf die Erzielung von steuerbaren Einnahmen gerichtete Umschulungsmaßnahme können vorab entstandene Werbungskosten sein. Dies gilt auch dann, wenn die Bildungsmaßnahme eine neue Basis für andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet (Änderung der Rechtsprechung; Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403). Darüber hinaus können vorab entstandene Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG aber auch bei einer erstmaligen Berufsausbildung anzuerkennen sein. Voraussetzung hierfür ist, dass sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit stehen (BFH-Urteil vom 27. Mai 2003 VI R 33/01, BFH/NV 2003, 1119). Zur Begründung im Einzelnen wird auf das genannte Urteil verwiesen.
Nach diesen Grundsätzen ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des FG, dass die Aufwendungen für den Erwerb der Musterberechtigung mit CCC (ggf. auch für den Erwerb der ATPL) dem Grunde nach als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind. Die Schulungskosten des Klägers stehen in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Erzielung von steuerbaren Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit. Nach der im Streitjahr geltenden Verordnung über das Luftfahrtpersonal (LuftPersV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 13. Februar 1985 (BGBl I, 265) ist der Erwerb der ATPL einschließlich Musterberechtigung erforderlich, um im gewerbsmäßigen internationalen Luftverkehr als verantwortlicher Flugzeugführer oder Co-Pilot auf einem bestimmten Flugzeugmuster tätig zu sein (vgl. z.B. §§ 16, 66 LuftPersV). Die Schulung bereitete den Kläger konkret und gezielt auf eine Tätigkeit als Verkehrsflugzeugführer i.S. der LuftPersV vor. Er hat die Schulungskosten aufgewandt, um (möglichst hohe) Einnahmen aus der angestrebten ―und auch alsbald verwirklichten― Berufspilotentätigkeit zu erzielen.
Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil war deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, da das FG ―aus seiner Sicht zu Recht― keine Feststellungen zu den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen getroffen hat. Bei den Feststellungen werden die Grundsätze des Urteils vom 29. April 2003 VI R 86/99 (BFH/NV 2003, 997) zu beachten sein.
Fundstellen