Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Der Wechsel im Personenstand einer KG ist auch grunderwerbsteuerlich anzuerkennen, wenn die Beteiligten die Fortführung einer bestehenden und nicht die Gründung einer neuen KG bürgerlich-rechtlich gewollt und dies nach außen zum Ausdruck gebracht haben.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1
Tatbestand
Die Bfin. ist eine Kommanditgesellschaft (KG), die nach den Akten zumindest seit dem Jahre 1920 besteht. Persönlich haftende Gesellschafter sind seit dem 30. Dezember 1953 drei natürliche Personen; Kommanditistin ist seit dem 5. Dezember 1953 eine GmbH.
Bis zum Eintritt dieser neuen Gesellschafter waren Komplementär der Kaufmann X. und Kommanditisten Dr. Y. und seine beiden Töchter. Im Handelsregister wurde der Wechsel der Kommanditisten am 30. Dezember 1953 und der Wechsel der Komplementäre am 31. Dezember 1953 auf Grund der jeweils notariell beglaubigten Anmeldungen vom 11. und 30. Dezember 1953 eingetragen.
Streitig ist, ob die bisherige KG aufgelöst und eine neue Gesellschaft errichtet oder ob die bisherige Gesellschaft fortgeführt und lediglich ein steuerfreier Wechsel im Personenstand vorgenommen wurde.
Im Hinblick auf das Urteil des Reichsfinanzhofs II 151/41 vom 13. Dezember 1941 (RStBl 1941 S. 965, Slg. Bd. 51 S. 227) verneinte das Finanzamt einen steuerfreien Wechsel im Personenstand der KG. Nach seiner Ansicht ändere zwar der Eintritt oder Austritt von Gesellschaftern bei einer bestehenbleibenden KG das Wesen der Gesellschaft als selbständiger Rechtsträger nicht. Das treffe aber nicht zu, wenn alle Gesellschafter gleichzeitig ausschieden. Grunderwerbsteuerlich könne dann nicht mehr vom Fortbestehen der früheren Gesellschaft ausgegangen werden. Es trete dann eine neue Gesellschaft an die Stelle der bisher bestehenden. Einem gleichzeitigen Ausscheiden aller früheren Gesellschafter sei ein Ausscheiden in kurzen Zeitabständen gleichzustellen, wenn der Wille der Beteiligten von Anfang an nicht auf die Fortsetzung der Gesellschaft mit einem der bisherigen Gesellschafter gerichtet sei.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Eine KG ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats ebenso wie die OHG, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die Erbengemeinschaft grunderwerbsteuerlich als selbständige Rechtsträgerin anzusehen (vgl. Urteile des Senats II 46/56 U vom 14. November 1956, BStBl 1957 III S. 19, Slg. Bd. 64 S. 51; II 68/51 S vom 4. Mai 1951, BStBl 1951 III S. 116, Slg. Bd. 55 S. 299; II 294/55 U vom 25. Juli 1956, BStBl 1956 III S. 285, Slg. Bd. 63 S. 229; II 102/56 U vom 15. Mai 1957, BStBl 1957 III S. 238, Slg. Bd. 65 S. 14, und II 227/59 U vom 22. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 213, Slg. Bd. 72 S. 583). Nach dieser Rechtsprechung ändert der Eintritt neuer Gesellschafter in eine bestehende KG und der Austritt von Gesellschaftern aus einer bestehenbleibenden KG (Wechsel im Personenstand) nichts an dem Wesen der Gesellschaft als steuerlich selbständiger Rechtsträgerin. Die KG bleibt dieselbe. Insbesondere ist auch grunderwerbsteuerlich ein übergang von Vermögenswerten nicht gegeben, solange lediglich eine änderung im Mitgliedbestand der KG eintritt.
Allerdings muß bei bürgerlich-rechtlicher Betrachtung dann in dem Eintritt neuer Gesellschafter in eine KG eine Auflösung der bisherigen und die Gründung einer neuen KG erblickt werden, wenn ein dahingehender Wille der Beteiligten vorliegt. In diesem Falle würde zwischen der alten und der neuen KG keine Identität bestehen, so daß eine übereignung des Vermögens, insbesondere eine Auflassung der Gesellschaftsgrundstücke, erforderlich wäre. Es wäre dann Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 oder 2 GrEStG gegeben. Da aber die Auflösung und Neugründung von Gesellschaften zur Vernichtung von Unternehmen führt und mit erheblichen Ausgaben und Kosten verbunden ist und auch steuerliche Nachteile entstehen, ist zu vermuten, daß im allgemeinen die alte Gesellschaft aufrechterhalten wird (vgl. Urteil des Reichsgerichts 161/25 II. vom 2. Februar 1926, Juristische Wochenschrift 1926 S. 1432, und Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 2. Aufl. 1951, S. 225) und die neu hinzukommenden Gesellschafter nur noch als solche in die alte Gesellschaft eintreten. Es müssen deshalb besondere Umstände vorliegen, soll die Auflösung einer Gesellschaft angenommen werden.
Im Streitfall hat das Finanzgericht festgestellt, daß der Wille der Beteiligten dahin ging, daß die bisherigen Gesellschafter austreten und an ihre Stelle neue treten sollten. Diese Feststellung wird auch von der Bfin. nicht bestritten. Das Finanzgericht zieht hieraus den Schluß, daß durch den Gesellschafterwechsel ein von der früheren Gesellschaft verschiedener Rechtsträger entstanden sei. Der Auffassung der Vorinstanz kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Maßgeblich ist nicht der Wille, alle Gesellschafter auszutauschen, sondern der Wille, die Gesellschaft fortzuführen oder sie aufzulösen und eine neue Gesellschaft zu gründen. Der Austausch der Gesellschafter kann für die Ermittlung dessen, was die Beteiligten gewollt haben, einen Hinweis geben, jedoch nicht mehr. Das Finanzgericht hätte die näheren Umstände der Auflösung und die der Neugründung, namentlich die dabei getroffenen Vereinbarungen der Parteien näher erörtern müssen, wollte es seine Ansicht trotz des entgegenstehenden äußeren Sachverhalts hinreichend begründen, daß der Wille der Beteiligten auf Auflösung der alten und Gründung der neuen KG unter gleicher Firma gegangen sei. An der Darlegung solcher Umstände läßt es das angefochtene Urteil fehlen. Eine abschließende rechtliche Prüfung ist bei diesen unzureichenden Feststellungen zum Sachverhalt nicht möglich. Dieser Mangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Die Sache ist bei freier Beurteilung nach Aktenlage spruchreif.
Die Grunderwerbsteuer knüpft grundsätzlich an bürgerlich-rechtliche Tatbestände an (siehe dazu Urteil des Senats II 35/54 U vom 30. November 1955, BStBl 1956 III S. 28, Slg. Bd. 62 S. 71). Demgemäß ist auch grunderwerbsteuerlich in der Regel die bürgerlich-rechtliche Beurteilung maßgebend, es sei denn, daß ein Sondertatbestand (z. B. ein Fall des § 1 Abs. 2 oder 3 GrEStG oder ein solcher der §§ 5, 6 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -) vorliegt. Das Vorliegen solcher Tatbestände ist aber weder vom Finanzamt behauptet noch aus den Umständen ersichtlich.
Mit Recht weist die Bfin. darauf hin, daß - wie dies bei der übernahme einer alteingeführten Handelsgesellschaft der Regelfall ist - die Gesellschaft nicht untergehen sollte. Die äußeren Umstände des Gesellschafterwechsels und die aus diesem Anlaß getätigten Rechtsgeschäfte sprechen für ein Fortbestehen der KG. Wäre im Streitfall beabsichtigt gewesen, die alte Gesellschaft aufzuheben und eine neue zu gründen, so wäre nicht nur erforderlich gewesen, über die Vermögenswerte der alten Gesellschaft zu verfügen (ß 161 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 145 ff. HGB), sondern außerdem, die alte KG im Handelsregister zu löschen und die neue KG einzutragen. Daß im Streitfall nicht alle Gesellschafter gleichzeitig aus der Gesellschaft austraten, hatte bürgerlich-rechtlich gerade den Sinn, die Kontinuität der Gesellschaft zu wahren und damit jeden Zweifel über den Fortbestand der Gesellschaft auszuschließen. Zu beachten ist auch, daß die Aufrechterhaltung der alten Gesellschaft den neuen Gesellschaftern nicht nur Vorteile, sondern auch mit Rücksicht auf die Unmöglichkeit, Dritten gegenüber die Haftung auszuschließen (ß 161 Abs. 2 in Verbindung mit § 130 sowie § 173 HGB), erhebliche Risiken brachte. Allerdings könnte die in dem Einspruchsverfahren gegen die Gewerbesteuerveranlagung 1954 der KG von dem damaligen Bevollmächtigten der Bfin. gemachte äußerung "Die alte Firma A. & Co., die lediglich noch ihr Umlaufvermögen und die Schulden abgewickelt hat, und die neue Firma A. & Co., die unter neuen Gesellschaftern mit übernahme des Firmennamens die werbende Tätigkeit fortgeführt hat" für die von der Vorinstanz vertretene Meinung sprechen. Aber abgesehen davon, daß das Finanzgericht sich hierauf nicht gestützt, sondern die Richtigkeit dieser Darstellung ausdrücklich hat dahingestellt sein lassen, kann es sich bei der Meinung des Bevollmächtigten der Bfin. nur um seine Ansicht handeln, falls nicht nur eine reine Zweckbehauptung vorliegt. Die nachweisbaren Tatsachen, besonders die notariell beglaubigten Anmeldungen zum Handelsregister lassen nur den gegenteiligen Schluß zu. Haben daher die Beteiligten die Fortführung einer bestehenden und nicht die Gründung einer neuen Gesellschaft bürgerlich-rechtlich gewollt und dies nach außen durch die entsprechenden Anmeldungen zum Handelsregister und Austausch der Gesellschafter unter Wahrung der Kontinuität der Gesellschaft zum Ausdruck gebracht, ist der Wechsel im Personenstand auch grunderwerbsteuerlich zu beachten.
Die Vorinstanzen stützen ihre Ansicht, es liege hier eine Auflösung der alten Gesellschaft und die Neugründung einer neuen Gesellschaft vor, nicht auf bürgerlich-rechtliche Erwägungen, sondern auf das vorerwähnte Urteil des Reichsfinanzhofs II 151/41 vom 13. November 1941. Das Urteil betrifft einen Fall, in dem die beiden einzigen Gesellschafter einer OHG mit zwei anderen Personen einen privatschriftlichen Vertrag geschlossen hatten, wonach diese als Gesellschafter in die Gesellschaft eintraten und die beiden bisherigen Gesellschafter gleichzeitig austraten. Die bisherige Firma der Gesellschaft sollte von den neuen Gesellschaftern fortgeführt werden. Der Eintritt der neuen und das Ausscheiden der bisherigen Gesellschafter wurden im Handelsregister eingetragen. Der Reichsfinanzhof hat hierzu im wesentlichen ausgeführt:
"Wenn aber alle Gesellschafter gleichzeitig ausscheiden und an ihre Stelle neue treten, so daß nach dem Eintritt der neuen Gesellschafter überhaupt keiner der früheren Gesellschafter mehr vorhanden ist, der mit den neu eingetretenen die Gesellschaft fortführen könnte, so kann jedenfalls grunderwerbsteuerlich von einem Fortbestehen der früheren Gesellschaft und einem steuerfreien Wechsel im Personenstand nicht mehr gesprochen werden. In diesem Fall geben die bisherigen Gesellschafter zu erkennen, daß sie das zwischen ihnen für kürzere oder längere Zeit gedachte, auf gegenseitigem Vertrauen beruhende Vertragsverhältnis, das dem Wesen der Gesellschaft entspricht, nicht mehr fortsetzen, sondern zur Auflösung bringen wollen. Die bisherige Gesellschaft findet damit ihr Ende und eine neue tritt an ihre Stelle."
Es kann dahingestellt bleiben, ob den Ausführungen des Reichsfinanzhofs grundsätzlich zuzustimmen ist oder nicht. Jedenfalls kann auch nach dieser Auffassung, wenn die bisherige Gesellschaft bürgerlich-rechtlich als fortbestehend gilt - abgesehen von dem Fall des § 6 StAnpG, der jedoch im Streitfall (wie bereits ausgeführt wurde) unstreitig nicht gegeben ist -, grunderwerbsteuerlich nicht angenommen werden, daß die alte Gesellschaft aufgelöst und eine neue gegründet wurde. Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs wäre erforderlich, daß der Austritt aller Gesellschafter und der Eintritt der neuen Gesellschafter gleichzeitig stattfindet. Das ist im Streitfall, dessen Tatbestand wesentlich von dem Sachverhalt abweicht, der dem Urteil des Reichsfinanzhofs zugrunde lag, nicht der Fall. Es ist dem Finanzgericht zuzugeben, daß die vom Senat vertretene Auffassung Steuerumgehungen nicht ausschließt. Ihnen kann jedoch nur durch eingehende tatsächliche Feststellungen über das wirklich Gewollte nicht dadurch begegnet werden, daß beim Wechsel von Gesellschaftern innerhalb kurzer Zeit entgegen dem etwaigen Parteiwillen auch ein Wechsel der Identität der Gesellschaft unterstellt wird.
Nach alledem war das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben und die Bfin. von der Grunderwerbsteuer freizustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 410533 |
BStBl III 1962, 478 |
BFHE 1963, 578 |
BFHE 75, 578 |