Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachung von Sonderbetriebsausgaben; Verlustvortrag nach § 10 d EStG; Zusagen im Steuerrecht
Leitsatz (NV)
1. Sonderbetriebsausgaben eines Gesellschafters gehören zu den Besteuerungsgrundlagen, deren verbindliche Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 durch einen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte zu erfolgen hat.
2. Werden bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte die im Feststellungszeitraum angefallenen Sonderbetriebsausgaben nicht erfaßt, so ist dies für das Veranlagungs-FA, das den Feststellungsbescheid auszuwerten hat, bindend.
3. Soweit Verluste nur im Rahmen eines Grundlagenbescheids mit bindender Wirkung für den Folgebescheid festgestellt werden können, sind die in den Grundlagenbescheiden getroffenen Feststellungen zur Höhe des Verlustes auch für die Bemessung des Verlustvortrags nach § 10 d EStG maßgebend.
4. Zu den Voraussetzungen einer bindenden Zusage im Steuerrecht.
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a, § 182; EStG § 10d
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bis Ende 1969 an der den Wohnungsbau betreibenden X-GmbH & Co. KG (KG) als Kommanditist beteiligt. Nach seinen Angaben hat er seinen Kommanditanteil bei negativem Kapitalkonto am 12. Dezember 1969 auf einen Mitgesellschafter übertragen. Die KG ist nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) seit Januar 1971 ,,erloschen".
Der Kläger hat für die KG eine Reihe von Aufwendungen gemacht. Nach seinen Angaben hat er im Jahre 1967 Zinsen und Kosten in Höhe von . . . DM für ein der KG in Höhe von . . . DM gewährtes Hypothekendarlehen sowie in den Jahren 1967 und 1968 von der KG geschuldete und von ihm übernommene Rechtsanwaltskosten in Höhe von . . . DM und . . . DM gezahlt. Außerdem entrichtete er in den Jahren 1967 und 1968 Zahlungen an andere Gläubiger der KG in Höhe von . . . DM (Bankschulden) und . . . DM (Rückerstattung einer Anzahlung für den Erwerb einer Eigentumswohnung). Schließlich hat er für eine am 25. März 1968 zugunsten der KG eingegangene Bürgschaft Zahlungen in Höhe von . . . DM im Jahre 1970 und in Höhe von . . . DM im Jahre 1971 geleistet.
Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der KG für die Jahre 1967 und 1968, die im Anschluß an eine die KG betreffende Betriebsprüfung mit endgültigen Bescheiden vom 12. Februar 1974 durchgeführt wurde, wurden die nach den Angaben des Klägers in den Jahren 1967 und 1968 gemachten Aufwendungen nicht berücksichtigt, da sie nicht nachgewiesen worden waren. Gegen die Bescheide legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Einspruch ein.
Noch während des Einspruchsverfahrens über die Feststellung der Einkünfte der KG für die Jahre 1967 und 1968 führte das beklagte (Wohnsitz-)Finanzamt (FA) beim Kläger eine Betriebsprüfung für die Jahre 1971 bis 1973 durch. Bei der Schlußbesprechung am 16. Oktober 1975 äußerte sich der Sachgebietsleiter der Betriebsprüfungsstelle dahin, daß die dem Kläger durch seine Beteiligung an der KG entstandenen Sonderbetriebsausgaben nachträglich bei seiner Einkommensteuerveranlagung für 1971 angesetzt werden könnten. Nachweise über Sonderbetriebsausgaben lagen dem beklagten FA damals noch nicht vor. Im Betriebsprüfungsbericht vom 23. Dezember 1975 wurde von den inzwischen vom Kläger mit Schreiben vom 20. November 1975 im einzelnen geltend gemachten Aufwendungen nur die im Jahre 1971 geleistete Zahlung auf die Bürgschaft . . . DM als abziehbare Betriebsausgabe berücksichtigt. Mit Schreiben vom 6. Februar 1976 und vom 29. Juni 1976 wies die Betriebsprüfungsstelle des beklagten FA den Bevollmächtigten des Klägers darauf hin, daß der Abzug der übrigen Aufwendungen bei dem für die einheitliche Gewinnfeststellung zuständigen Betriebs-FA zu beantragen sei. Im Gegensatz hierzu soll nach Angaben des Klägers der - inzwischen verstorbene - Sachbearbeiter des beklagten FA im Juni 1978 die mündliche Zusage gegeben haben, die Aufwendungen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1971 zu berücksichtigen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 1978 wies das Betriebs-FA den Einspruch gegen die Bescheide betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der KG für die Jahre 1967 und 1968 zurück. Zur Begründung führte das Betriebs-FA aus, der Kläger habe keine Sonderbetriebsausgaben für die Feststellungszeiträume 1967 und 1968 geltend gemacht; er selbst ordne ,,die noch zu beantragenden Sonderbetriebsausgaben einem späteren Ermittlungszeitraum zu". Die Einspruchsentscheidung wurde nicht angefochten.
Bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 1971 (Bescheid vom 14. August 1981) lehnte das beklagte FA den Abzug der als nachträgliche Sonderbetriebsausgaben geltend gemachten Aufwendungen mit Ausnahme der im Jahr 1971 geleisteten Bürgschaftszahlungen ab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auch die Klage, mit der neben den bisher geltend gemachten Aufwendungen auch noch die nach Angaben des Klägers von ihm im Jahre 1971 gezahlten Buchführungskosten der KG in Höhe von 5 500 DM als nachträgliche Betriebsausgaben geltend gemacht wurden, wurde abgewiesen.
Mit seiner ,,vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.Er beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zuzrückzuverweisen; nach Zurückverweisung solle die Einkommensteuer 1971 in Höhe von . . . DM festgesetzt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß sich die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen bei seiner Veranlagung zur Einkommensteuer 1971 nicht auswirken können.
Es kann dahinstehen, ob die vom Kläger im einzelnen benannten Ausgaben tatsächlich - wie vom Kläger dargetan - entstanden sind. Geht man ohne nähere Prüfung der für die Entstehung dieser Aufwendungen maßgebenden Umstände davon aus, daß die Aufwendungen durch die Beteiligung des Klägers an der KG veranlaßt waren, so handelt es sich hierbei um Sonderbetriebsausgaben; diese konnten bei der Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer nur berücksichtigt werden, soweit sie im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der KG erfaßt worden sind.
1. Unter Sonderbetriebsausgaben versteht man Aufwendungen des einzelnen Gesellschafters (Mitunternehmers) einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft), die durch seine Beteiligung an der Gesellschaft oder durch sein Sonderbetriebsvermögen oder durch Sondervergütungen i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) veranlaßt sind. Sie mindern den Gewinnanteil des Gesellschafters (Mitunternehmers) in dem Wirtschaftsjahr, in dem sie entstehen. Ihre Berücksichtigung erfolgt dabei nach den allgemeinen bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen. Die Sonderbetriebsausgaben gehen in eine Sonderbilanz des Mitunternehmers und mit dieser in die Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft ein (vgl. hierzu Schmidt, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 15 Anm. 96, m. w. N.).
Die Sonderbetriebsausgaben gehören zu den Besteuerungsgrundlagen, deren verbindliche Feststellung nach dem Gesetz (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung - AO 1977 -; früher § 215 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -) einheitlich und gesondert zu erfolgen hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. Urteil vom 25. Juli 1979 I R 175/76, BFHE 129, 17, BStBl II 1980, 43) werden im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) nicht nur die gemeinsam - von allen Gesellschaftern (Mitunternehmern) - erzielten Einkünfte erfaßt; vielmehr sind in diesem Verfahren auch gewisse Feststellungen zu treffen, die nur für einzelne von ihnen einkommensteuerrechtliche Bedeutung haben. Der Grund für die Einbeziehung solcher Feststellungen in das einheitliche und gesonderte Feststellungsverfahren liegt vor allem darin, daß die hiermit zusammenhängenden Fragen am besten von dem mit den Verhältnissen des Betriebs vertrauten Betriebs-FA entschieden werden können und es zweckmäßig ist, diese Entscheidung mit den übrigen vom Gesetz geforderten Feststellungen zu verbinden (BFH-Urteil vom 11. Juli 1985 IV R 61/83, BFHE 144, 151, BStBl II 1985, 577).
Der Inhalt des Bescheids über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der Mitunternehmerschaft ist als Grundlagenbescheid gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 für die Einkommensteuerveranlagung der Mitunternehmer bindend. Die Bindung bezieht sich u. a. auf die Feststellung zur Art und Höhe der Einkünfte, zu dem Zeitraum, in dem die Einkünfte erzielt worden sind, sowie zur Verteilung des Gewinns (Verlusts) auf die beteiligten Personen (Söhn in Hübschmann / Hepp /Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 182 AO 1977 Anm. 19; Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 182 AO 1977 Tz. 1). Werden Sonderbetriebsausgaben, die einem bestimmten Feststellungszeitraum zuzurechnen sind, bei der Ermittlung der Höhe des Gewinn-(Verlust-)Anteils eines Gesellschafters nicht erfaßt, so ist dies für das Veranlagungs-FA, das den Grundlagenbescheid auszuwerten hat, bindend.
2. Die Entscheidung des FG, die im Rahmen der Gewinnfeststellung für die KG nicht berücksichtigten Sonderbetriebsausgaben bei der Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer 1971 nicht zum Abzug zuzulassen, ist zutreffend.
a) Wenn die vom Kläger als Sonderbetriebsausgaben der Jahre 1967 und 1968 angesehenen Aufwendungen bei seinen Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1967 und 1968 hätten berücksichtigt werden sollen, so hätten sie im Rahmen der für die KG durchgeführten Gewinnfeststellungen 1967 und 1968 geltend gemacht werden müssen. Dies ist vor Erlaß der Gewinnfeststellungsbescheide nicht geschehen. Der Bevollmächtigte des Klägers hat zwar gegen diese Bescheide Einspruch eingelegt. Er hat aber von dem Recht, gegen die - den Abzug der Sonderbetriebsausgaben ablehnende - Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 1978 Klage zu erheben, keinen Gebrauch gemacht.
Zur Begründung dafür, daß die vom Kläger in früheren Jahren gemachten Aufwendungen bei seiner Einkommensteuerveranlagung 1971 hätten berücksichtigt werden müssen, obwohl sie nicht im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung geltend gemacht wurden, kann sich der Kläger nicht auf Treu und Glauben berufen. Das Verhalten der mit der Sache befaßten Beamten gibt hierzu keinen Anlaß.
Insbesondere haben die Voraussetzungen einer Zusage (vgl. hierzu für den zeitlichen Geltungsbereich der AO, also bis zum 31. Dezember 1976, BFH-Urteile vom 4. August 1961 VI 269/60 S, BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562, und vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520; für den zeitlichen Geltungsbereich der AO 1977 Tipke/Kruse, a. a. O., vor § 240 AO 1977 Tz. 6 ff.) nicht vorgelegen. Selbst wenn in der - im Rahmen der Schlußbesprechung am 16. Oktober 1975 gemachten - Äußerung des Leiters der Betriebsprüfungsstelle eine Zusage zu sehen gewesen sein sollte, die Aufwendungen des Klägers bei der Einkommensteuerveranlagung 1971 zu berücksichtigen, so konnte das FA hieran nicht nach Treu und Glauben gebunden gewesen sein. Denn der Kläger hatte die Aufwendungen im damaligen Zeitpunkt noch nicht im einzelnen benannt. Abgesehen hiervon hatte das beklagte FA später - durch eine entsprechende Abfassung des Betriebsprüfungsberichts vom 23. Dezember 1975 - klargestellt, daß mit einem Abzug dieser Aufwendungen bei der Einkommensteuerveranlagung nicht zu rechnen sei (vgl. BFH-Urteil vom 27. April 1977 I R 211/74, BFHE 122, 236, BStBl II 1977, 623). Hinzu kommt, daß die im Betriebsprüfungsbericht zum Ausdruck gekommene ablehnende Auffassung des FA auch noch in weiteren Schreiben vom 6. Februar 1976 und 29. Juni 1976 bekräftigt und erläutert wurde.
Demgegenüber kann der nach der Behauptung des Klägers im Juni 1978 von einem Sachbearbeiter des FA abgegebenen mündlichen Erklärung, die Aufwendungen im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer 1971 zum Abzug zuzulassen, schon deshalb keine Bedeutung beigemessen werden, weil diese Erklärung nicht nachzuweisen war. Schriftliche Aufzeichnungen hierüber (etwa in Form eines Aktenvermerks) gibt es nicht; der Sachbearbeiter, der etwas Näheres zu seiner angeblich gemachten Äußerung hätte sagen können, konnte vom FG nicht mehr vernommen werden, weil er bereits verstorben war. Abgesehen hiervon hätte die Äußerung des Sachbearbeiters - wäre sie nachzuweisen gewesen - keine wirksame Zusage beinhalten können. Nach der Rechtsprechung des BFH sind für Zusagen, die im Namen des FA abgegeben werden, von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen, nur der Vorsteher und die Sachgebietsleiter, nicht aber die Sachbearbeiter befugt (vgl. Rechtsprechungsübersicht bei Tipke / Kruse, a.a.O., vor § 204 AO 1977 Tz. 11).
Unter den gegebenen Umständen hätte der Kläger sonach - entsprechend den schriftlichen Äußerungen des FA vom 6. Februar 1976 und vom 26. Juni 1976 - seine in den Jahren 1967 und 1968 gemachten Aufwendungen im Rahmen des Gewinnfeststellungsverfahrens geltend machen müssen. Dies wäre für ihn auch ohne weiteres möglich gewesen; denn über den Einspruch gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1967 und 1968 war im Zeitpunkt der klarstellenden Äußerungen des beklagten FA zur Rechtslage noch nicht entschieden.
Der Umstand, daß die in den Jahren 1967 und 1968 vom Kläger aufgewendeten Sonderbetriebsausgaben nicht im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der KG für die Jahre 1967 und 1968 geltend gemacht wurden und in den - inzwischen bestandskräftigen - Feststellungsbescheiden demgemäß nicht zum Abzug gelangten, hat zur Folge, daß auch ihre Berücksichtigung im Rahmen eines Verlustvortrags nach § 10 d EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung nicht mehr möglich ist. Denn soweit es sich um Verluste handelt, die nur im Rahmen eines entsprechenden Grundlagenbescheids mit bindender Wirkung für den Folgebescheid festgestellt werden konnten, sind die in den Grundlagenbescheiden getroffenen Feststellungen zur Höhe des Verlusts auch für die Bemessung des Verlustvortrags maßgebend (vgl. Herrmann /Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 10 d EStG Anm. 134, m. w. N. aus der Rechtsprechung; BFH-Urteil vom 4. Juli 1989 VIII R 217/84, BFHE 157, 427, BStBl II 1989, 792).
b) Auch die im Jahre 1970 geleisteten Zahlungen des Klägers auf die für Schulden der KG übernommene Bürgschaft sind bei der Einkommensteuerveranlagung 1971 nicht berücksichtigungsfähig.
Sollte bereits im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus der damals noch bestehenden KG (1969) festgestanden haben, daß der Kläger aus der Bürgschaft in Anspruch genommen wird und die mit der Befriedigung des Gläubigers auf ihn gemäß § 774 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) übergehende Hauptforderung wegen der finanziellen Lage der KG wertlos sein würde, so hätte dieser Bürgschaftsverlust bereits im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für 1969 berücksichtigt werden müssen (vgl. BFH-Urteile vom 4. Juli 1974 IV R 166/70, BFHE 113, 30, BStBl II 1974, 677; vom 19. März 1981 IV R 42/75, BFHE 133, 202, BStBl II 1981, 570; vom 19. Januar 1989 IV R 2/87, BFHE 155, 491, BStBl II 1989, 393, und vom 21. Juni 1989 X R 14/88, BFHE 157, 382, BStBl II 1989, 881). Da dies nicht geschehen ist, konnte im Hinblick auf die bindende Wirkung des Gewinnfeststellungsbescheids für 1969 die Berücksichtigung der Bürgschaftsverluste auch im Rahmen eines Verlustvortrags nach § 10 d EStG in späteren Veranlagungszeiträumen nicht mehr in Betracht kommen.
Sollte dagegen im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus der KG ein Bürgschaftsverlust noch nicht eingetreten gewesen sein, so hätten die im Jahre 1970 entstandenen Bürgschaftsaufwendungen als nachträgliche Betriebsausgaben (§ 24 Nr. 2 EStG) bei der Einkommensteuerveranlagung 1970 geltend gemacht werden können. Eine Berücksichtigung dieser Aufwendungen bei der Einkommensteuerveranlagung 1971 ist dagegen nicht möglich, da es sich nicht um Aufwendungen des Jahres 1971 handelt. Eine andere Entscheidung läßt sich - wie oben ausgeführt - auch nicht mit dem Grundsatz von Treu und Glauben begründen.
c) Die erstmals mit der Klage geltend gemachten Aufwendungen des Klägers für Buchführungsarbeiten in Höhe von 5 500 DM sind zwar im Streitjahr 1971 gemacht worden; sie könnten deshalb als nachträgliche Betriebsausgaben (§ 24 Nr. 2 EStG) des Jahres 1971 anzusehen sein.
Eine Herabsetzung der Einkommensteuer für 1971 wegen dieser Aufwendungen ist indessen nicht möglich, da der als nachträgliche Betriebsausgaben in Betracht kommende Betrag im Falle seiner steuerlichen Anerkennung mit einem vom FA im Einkommensteuerbescheid 1971 zu Unrecht angesetzten Verlustvortrag (§ 10 d EStG) zu verrechnen wäre.
Dem gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Einkommensteuerbescheid 1971 vom 3. Mai 1982 liegt ein Verlustabzug ,,aus den Jahren 1966 bis 1970" in Höhe von . . . DM zugrunde.
Dieser Verlustabzug ist vom beklagten FA wie folgt berechnet worden:
Vortragsfähiger Verlust für 1969 ... DM
1969: Kein Verbrauch des Verlustvortrags Verlust 1969 ... DM
Vortragsfähiger Verlust für 1970 ... DM
1970: Verbrauch des Verlustvortrags in Höhe von ... DM
Vortragsfähiger Verlust für 1971 ... DM
Dieser Berechnung kann - wie das FG zutreffend entschieden hat - nicht gefolgt werden. Dem Bescheid über die Einkommensteuerveranlagung 1969 lag ein Feststellungsbescheid vom 28. Februar 1972 zugrunde, nach dem dem Kläger im Jahre 1969 aus seiner Beteiligung an der KG ein Verlustanteil in Höhe von . . . DM zuzurechnen war. Dieser Feststellungsbescheid wurde mit Bescheid vom 15. Januar 1976 dahin geändert, daß dem Kläger anstelle eines Verlusts nunmehr ein laufender Gewinn von . . . DM und ein Veräußerungsgewinn in Höhe von . . . DM zugerechnet wurde. Die Änderung des Feststellungsbescheids konnte sich bei der Einkommensteuerveranlagung für 1969 nicht mehr auswirken; ein die Änderung berücksichtigender Einkommensteuerbescheid vom 14. September 1981 wurde im Hinblick auf die inzwischen eingetretene Verjährung des Einkommensteueranspruchs 1969 wieder aufgehoben. Der ändernde Feststellungsbescheid vom 15. Januar 1976 bleibt aber gleichwohl für die Berechnung des Verlustvortrags nach § 10 d EStG maßgebend.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 28. Oktober 1981 I R 115 /78, BFHE 135, 1, BStBl II 1982, 485, m. w. N.) wird über die Höhe des abzugsfähigen Verlustes nicht schon bei der Veranlagung für das Entstehungsjahr, sondern erst bei der Veranlagung für das Abzugsjahr entschieden. Hat das FA den Verlust für das Entstehungsjahr unrichtig ermittelt und kann der Fehler infolge der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids nicht mehr zu einer Änderung dieses Bescheids führen, so ist der Fehler bei der Berechnung des Verlustvortrags zu berichtigen. Entsprechendes gilt auch, wenn der Einkommensteuerveranlagung eine für das Veranlagungsverfahren bindende einheitliche und gesonderte Gewinn- / Verlustfeststellung zugrunde zu legen und diese Feststellung später geändert wird (BFH-Urteil vom 17. März 1961 VI 67/60 U, BFHE 73, 441, BStBl III 1961, 427). Kann sich die geänderte Feststellung infolge der Verjährung des Steueranspruchs nicht mehr im Jahr der Entstehung des festgestellten Verlusts (Gewinns) auswirken, so ist der bindend festgestellte Verlust (Gewinn) bei der Berechnung des Verlustvortrags zu berücksichtigen.
Geht man hiervon aus, so ergab sich im Streitfall für das Jahr 1971 kein vortragsfähiger Verlust.
Der den Gegenstand des Verfahrens bildende Einkommensteuerbescheid 1971 kann zwar wegen des Verböserungsverbots (vgl. hierzu Gräber / von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 96 Anm. 5) nicht zum Nachteil des Klägers geändert werden; es müssen aber Beträge, die auf steuermindernden Umständen beruhen (wie im Streitfall die Aufwendungen für Buchführungsarbeiten), mit solchen Beträgen ,,saldiert" werden, die aufgrund unzutreffender Beurteilung zum Vorteil des Klägers angesetzt worden sind (vgl. Gräber / von Groll, a.a.O, § 65 Anm. 36 f.).
Dies schließt im Streitfall die Berücksichtigung der vom Kläger im Jahre 1971 gezahlten Buchführungskosten als nachträgliche Betriebsausgaben aus.
Fundstellen
Haufe-Index 416729 |
BFH/NV 1990, 369 |