Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von Ausfuhrerstattung
Leitsatz (NV)
1. Die Rückforderung zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattung ist durch § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 Sätze 5 bis 8 VwVfG abschließend geregelt.
2. Der Rückforderungsanspruch richtet sich gegen den Empfänger der Leistung. Dies kann im Falle einer Abtretung auch der Abtretungsempfänger sein.
3. Ist der Anspruch auf Gewährung der Ausfuhrerstattung vom Begünstigten nur zur Sicherheit an eine Bank abgetreten worden und wird die Ausfuhrerstattung vor Eintritt des Sicherungsfalls weisungsgemäß auf das Konto des Begünstigten bei der Bank überwiesen, so bleibt dieser Leistungsempfänger mit der Folge, daß der Rückforderungsanspruch nur gegen ihn gegeben ist.
Normenkette
MOG § 10; VwVfG § 48 Abs. 2
Tatbestand
Die Firma F beantragte bei dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt - HZA -) für die Ausfuhr von lebenden Rindern Ausfuhrvergünstigungen, die das HZA antragsgemäß festsetzte.
Bereits vorher hatte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - eine Bank - mitgeteilt, daß die F ihre sämtlichen, von ihr vorfinanzierten Teilforderungen an Ausfuhrvergünstigungen an sie abgetreten habe. Die Klägerin fügte ihrem Schreiben eine Kopie der Abtretungserklärung bei. Das HZA vermerkte darauf in dem betreffenden Stammblatt der F, daß die Klägerin Zahlungsempfängerin sei, und überwies den festgesetzten Betrag der Ausfuhrvergünstigungen an die Klägerin.
Das HZA nahm die Bescheide über die Gewährung der Ausfuhrvergünstigungen gegenüber der F mit der Begründung zurück, die Zollbelege seien gefälscht.
Mit Bescheid vom . . . forderte das HZA von der Klägerin die Erstattung von insgesamt . . . DM.
Die gegen den Rückforderungsbescheid erhobene Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß das HZA die Ausfuhrvergünstigungen an die Klägerin als Leistungsempfängerin und nicht als Zahlstelle gezahlt habe. Nach dem Abtretungsvertrag zwischen der F und der Klägerin habe die F ihre gegenwärtigen und künftigen Forderungen auf Zahlung von Ausfuhrvergünstigungen an die Klägerin zur Sicherheit für deren Kredit abgetreten. Aufgrund dieser Abtretung habe das HZA an die Klägerin als Abtretungsempfängerin der festgesetzten Beträge gezahlt. Entscheidend für diese Beurteilung sei, daß die Abtretungserklärung dem HZA bekannt gewesen sei, die F die Zahlung an die Klägerin verlangt habe, und das HZA sich dementsprechend nur durch Zahlung an die Klägerin von seiner Leistungspflicht habe befreien können. Ob die Klägerin ihre Rechtsstellung als Zessionarin gar nicht wahrgenommen habe, sei unerheblich. Eine Aufhebung des Abtretungsvertrages könne darin schon deswegen nicht gesehen werden, weil die F und die Klägerin dies nur gemeinsam hätten tun können.
Für den Leistungsbescheid gegenüber der Klägerin fehle es an einer Rechtsgrundlage. Insoweit entspricht die Begründung der Vorinstanz derjenigen des in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 478 veröffentlichten Urteils in einem Parallelverfahren.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorentscheidung erweist sich im Ergebnis - wenn auch aus anderen als den darin genannten Gründen - als zutreffend (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Vorinstanz hat rechtsfehlerfrei erkannt, daß § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 Sätze 5 bis 8 VwVfG die Erstattung der aufgrund der zurückgenommenen Verwaltungsakte gewährten Leistungen abschließend regelt.
Zutreffend ist auch, daß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) weder kraft ausdrücklicher Verweisung noch analog anzuwenden ist, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um die Erstattung einer zu Unrecht erhobenen Abgabe, sondern um die Rückforderung einer als Subvention im Rahmen des Marktordnungsrechts gewährten Ausfuhrerstattung handelt.
Ebensowenig besteht neben dem in § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 5 VwVfG geregelten Erstattungsanspruch ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Bereicherungsanspruch entsprechend den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
2. Der Senat vermag der Vorinstanz aber nicht darin zu folgen, daß § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 Sätze 5 bis 8 VwVfG dem HZA nur einen Anspruch gegen den aus dem Bescheid über die Gewährung der Ausfuhrerstattung Begünstigten gewährt (hinsichtlich einer Vorgängervorschrift hat es der Senat dahingestellt sein lassen, ob der Rückforderungsanspruch auch gegen den Abtretungsempfänger geltend gemacht werden kann; vgl. Senatsurteil vom 23. April 1985 VII R 26/82, BFHE 144, 92, 93; vgl. im übrigen auch Senatsurteil vom 19. Oktober 1976 VII R 104/73, BFHE 120, 424). Vielmehr richtet sich der durch die genannten Vorschriften geregelte Erstattungsanspruch gegen denjenigen, der die Leistung tatsächlich empfangen hat. Das folgt - worauf auch das HZA hingewiesen hat - schon aus dem Wortlaut des § 48 Abs. 2 VwVfG. Denn § 48 Abs. 2 unterscheidet zwischen dem ,,Begünstigten" (Sätze 1 bis 3) und dem ,,Erstattungspflichtigen" (Satz 7). Beide können identisch sein, müssen es aber nicht - wie bereits deutlich aus § 48 Abs. 2 Satz 7 VwVfG folgt. Diese Vorschrift, die sich mit dem Wegfall der Bereicherung befaßt und für deren Geltendmachung u.a. die Gutgläubigkeit des Erstattungspflichtigen zur Voraussetzung macht, wäre nämlich insoweit weitgehend überflüssig, wenn Begünstigter und Erstattungspflichtiger nur ein und dieselbe Person sein könnten. Denn die Gutgläubigkeit des Begünstigten wird bereits durch § 48 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 VwVfG geschützt, indem sich der gutgläubige Begünstigte auf den Schutz seines Vertrauens berufen kann (§ 48 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VwVfG). Seine Berufung darauf hat unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwVfG zur Folge, daß der begünstigende Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden kann, damit kein Erstattungsanspruch entsteht und sich deshalb im Zusammenhang mit dem Wegfall der Bereicherung die Frage nach der vorhandenen Gutgläubigkeit gar nicht stellen könnte.
Es ließe sich zwar einwenden, der in § 48 Abs. 2 Satz 7 VwVfG vorgesehene Gutglaubensschutz diene nur dem Schutz des gesetzlichen Rechtsnachfolgers des Begünstigten, gegen den die Behörde einen Erstattungsbescheid erläßt (zur Zulässigkeit eines gegen den Rechtsnachfolger gerichteten Erstattungsbescheids vgl. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl., § 48 Tz.78, Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl., § 48 Tz. 117, 124). Für eine derartige enge Sicht gibt das Gesetz aber keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Beschränkung davon auszugehen, daß sich der in § 48 Abs. 2 Satz 5 VwVfG normierte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch gegen jeden richten kann, an den die Verwaltung aufgrund des an den Begünstigten gerichteten Verwaltungsaktes geleistet hat. Dies kann insbesondere grundsätzlich auch der Abtretungsempfänger einer gegen die Verwaltung gerichteten Forderung sein, die ursprünglich der durch den Verwaltungsakt Begünstigte innehatte. Denn mit der Abtretung, die auch im öffentlichen Recht möglich ist (vgl. für den Anspruch auf Ausfuhrvergünstigung BFHE 144, 92) und die sich mangels - wie in diesem Fall - besonderer Vorschriften nach den Regeln des bürgerlichen Rechts richtet (Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 49. Aufl., § 398 Anm.1), tritt der Abtretungsempfänger an die Stelle des ursprünglichen Gläubigers (§ 398 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Das bedeutet, daß er nicht nur die Forderung im eigenen Namen geltend machen kann, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch das Empfangene zurückzugewähren hat, wenn die Forderung tatsächlich nicht bestand.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zu der Frage, inwieweit nach bürgerlichem Recht ein Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Abtretungsempfänger geltend gemacht werden kann, eine nach den Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Rechtsprechung entwickelt (BGH-Urteile vom 8. Juni 1988 IV b ZR 51/87; Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs (LM) Nr. 197 zu BGB § 812, und vom 2. November 1988 IV b ZR 102/87, BGHZ 105, 365; allgemein zur Rückabwicklung einer Drittzahlung BGH-Urteil vom 28. November 1990 XII ZR 130/89, BGHZ 113, 62, 69). Danach ist auch im bürgerlichen Recht ein Rückforderungsanspruch gegen den Abtretungsempfänger unter bestimmten Voraussetzungen möglich (vgl. LM Nr. 197 zu BGB § 812; Dörner, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1990, 473, der meint, daß der Rückforderungsanspruch immer gegen den Abtretungsempfänger zu richten sei).
a) Einer Inanspruchnahme des Abtretungsempfängers im vorliegenden Fall steht nicht die Regelung in § 48 Abs. 2 Satz 8 VwVfG entgegen, wonach die zu erstattende Leistung zugleich mit der Rücknahme des Verwaltungsakts festgesetzt werden soll.
Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine ,,Sollvorschrift", die nicht ausschließt, daß Rücknahme und Festsetzung der zu erstattenden Leistung in zwei verschiedenen Verwaltungsakten vorgenommen werden. Aus ihr läßt sich aber auch nicht schließen, daß Erstattungspflichtiger und ursprünglich Begünstigter immer die gleiche Person sein müßten. Wäre dies die Auffassung des Gesetzgebers gewesen, hätte es nahegelegen, diese Vorschrift als ,,Mußvorschrift" zu fassen.
Auch der Umstand, daß die zu erstattende Leistung durch Verwaltungsakt - Bescheid - festzusetzen ist (§ 10 Abs. 3 MOG) besagt nicht, daß sie nur gegen den ursprünglich Begünstigten festgesetzt werden könnte. Zwar besteht ein öffentlich-rechtliches Überordnungsverhältnis, in dem die Verwaltung zum Erlaß eines Verwaltungsakts befugt ist, zunächst nur zwischen dem HZA und dem durch die Gewährung der Ausfuhrvergünstigung Begünstigten. Durch die Abtretung der sich daraus ergebenden öffentlich-rechtlichen Forderung an den Abtretungsempfänger entsteht aber auch ein solches öffentlich-rechtliches Überordnungsverhältnis zwischen dem HZA und dem Abtretungsempfänger, weil der Abtretungsempfänger in die Rechte des ursprünglichen Gläubigers eintritt. Deshalb ist es im Falle der Abtretung nicht ausgeschlossen, daß ein etwa bestehender Erstattungsanspruch durch einen Verwaltungsakt gegen den Abtretungsempfänger festgesetzt wird.
b) Auch der Einwand, der Abtretungsempfänger könne den dem Begünstigten durch § 48 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwVfG gewährten Vertrauensschutz nicht geltend machen und wäre daher schlechter als der Begünstigte gestellt, wenn ein Rückforderungsanspruch gegen den Abtretungsempfänger möglich wäre, greift nicht durch. Denn der Abtretungsempfänger kann den Gutglaubensschutz im Zusammenhang mit einem möglichen Wegfall der Bereicherung nach § 48 Abs. 2 Satz 7 VwVfG ebenfalls geltend machen; er ist dadurch dem Begünstigten, der den Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 Satz 2 geltend machen kann, jedenfalls im wesentlichen Ergebnis gleichgestellt.
c) Schließlich ist - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - aus § 10 Abs. 1 Satz 2 MOG nicht zu entnehmen, daß eine an den Abtretungsempfänger gewährte Leistung mangels einer entsprechenden Rechtsverordnung nicht auch von diesem zurückgefordert werden kann. Diese Vorschrift sagt darüber hinaus nichts aus. Sie enthält nur eine Verordnungsermächtigung für die Inanspruchnahme bestimmter Dritter, die ohne eine solche Regelung nicht in Rechtsbeziehungen zur Verwaltung stünden. Gegenüber dem Abtretungsempfänger bestehen solche Beziehungen aber bereits deshalb, weil er eine öffentlich-rechtliche Forderung gegen das HZA erworben hat und damit in einer öffentlich-rechtlichen Beziehung zum HZA steht.
3. Im vorliegenden Fall besteht jedoch wegen der besonderen Gestaltung der Beziehungen zwischen HZA, Begünstigtem und Abtretungsempfänger kein Rückforderungsanspruch des HZA gegen die Klägerin. Denn das HZA hat die Ausfuhrerstattung nicht an die Klägerin, sondern tatsächlich an die F gezahlt.
Im Ergebnis teilt der Senat insoweit die Auffassung des FG, zu der es im Rahmen seiner Hilfserwägungen bezüglich des Bestehens eines allgemeinen öffentlich-rechtlichen Bereicherungsanspruchs gelangt ist. Entgegen den Ausführungen unter Nr. 1 der Vorentscheidung kommt das FG in diesem Zusammenhang nämlich zu der Überzeugung, daß die gemeinsam von Klägerin und HZA der Zahlung der Ausfuhrvergünstigungen gegebene Zweckbestimmung die Erfüllung der Ansprüche auf Gewährung der Ausfuhrvergünstigungen entsprechend den an die F gerichteten Bescheiden war und demnach eine Vermögensverschiebung nur zwischen dem HZA und der F stattgefunden habe. Dies ergibt sich aus dem Abtretungsvertrag, auf den die Vorinstanz Bezug nimmt. Danach hat die F ihre Forderungen aus Ausfuhrvergünstigungen nur zur Sicherheit an die Klägerin abgetreten. Der F blieb es überlassen, den Zahlungsweg zu bestimmen. Der Senat folgt der auch in BGHZ 105, 365 - für den Fall eines entsprechenden Anspruchs nach § 812 BGB - vertretenen Auffassung, daß es für die Frage, gegen wen der Rückforderungsanspruch zu richten sei, entscheidend auf die wirtschaftlichen Umstände und nicht auf die rechtsformalen Gegebenheiten ankommt. In Anwendung dieser Grundsätze ist zu berücksichtigen, daß die Sicherungsabtretung durch einen Widerspruch zwischen ihrer rechtlichen Tragweite und ihrem wirtschaftlichen Zweck gekennzeichnet ist (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 398 Anm.6). Rechtlich tritt der Sicherungsnehmer (Abtretungsempfänger) voll in die Rechtsposition des Sicherungsgebers (Abtretenden) ein und nimmt die Rechte des ursprünglichen Gläubigers wahr. Wirtschaftlich dagegen dient die Abtretung nur zur Sicherung etwaiger Forderungen des Abtretungsempfängers und wird aufgrund der im Innenverhältnis zwischen Abtretendem und Abtretungsempfänger getroffenen Abreden nur geltend gemacht, wenn der Sicherungsfall eintritt (vgl. Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., § 398 Anm.74).
Der bloße Sicherungszweck der Abtretung ergibt sich im vorliegenden Fall insbesondere daraus, daß es der F überlassen blieb, in ihrem Zahlungsantrag den Zahlungsweg zu bestimmen. Aus dieser Vertragsgestaltung ergibt sich jedenfalls in dem hier strittigen Fall, daß das HZA die Ausfuhrvergünstigungen tatsächlich an die F geleistet hat. Deshalb kann das HZA das Gezahlte auch nur von dieser zurückfordern; ein Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin ist somit unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 418798 |
BFH/NV 1993, 449 |