Leitsatz (amtlich)
Erweist sich, daß ein aufgrund eines Arrestes gepfändeter Herausgabeanspruch nicht mehr besteht, kann nicht aufgrund dieses Arrestes nach Ablauf der Vollziehungsfrist der gegen einen anderen bestehende Herausgabeanspruch gepfändet werden.
Normenkette
AO § 378; ZPO § 929 Abs. 2
Tatbestand
Auf Grund einer Fahndungsprüfung ordnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) am 13. März 1968 wegen Steuernachforderungen von schätzungsweise 300 000 DM den dinglichen Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) an. In Vollziehung dieses Arrestes pfändete das FA noch am 13. März 1968 und später verschiedene Vermögensrechte und bewegliche Sachen des Klägers und ließ eine Sicherungshypothek auf einem Grundstück des Klägers eintragen. Das FA pfändete ferner mit Verfügung vom 13. März 1968 einen Anspruch des Klägers gegen X auf Herausgabe hinterlegter Gelder oder anderer Sachwerte. Die Pfändungsverfügung wurde dem Drittschuldner am 14. März 1968 zugestellt. Der Aufforderung des FA, sich binnen zwei Wochen seit der Zustellung der Pfändungsverfügung zu erklären, ob und inwieweit er die gepfändete Forderung anerkenne, kam der Drittschuldner zunächst nicht nach. Auf eine Mahnung des FA vom 26. April 1968 äußerte er sich unter dem 13. Mai 1968 dahin, daß er einen platingefaßten Brillantring von 1 1/3 Karat auf Grund einer vom Kläger gegen ihn erwirkten einstweiligen Verfügung an den Gerichtsvollzieher herausgegeben habe. Das FA pfändete daraufhin mit Verfügung vom 29. Mai 1968 den Anspruch des Klägers auf Herausgabe des Brillantringes gegen den Landesjustizfiskus.
Mit Schreiben vom 20. März 1969 beantragte der Kläger, diese Verfügung aufzuheben. Sie sei unzulässig, weil sie erst nach Ablauf der für die Vollziehung des Arrestes erforderlichen Monatsfrist erlassen worden sei (§ 929 Abs. 2 ZPO). Der Antrag wurde abgelehnt. Die OFD wies die dagegen erhobene Beschwerde des Klägers als unbegründet zurück. Sie war der Meinung, die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO sei gewahrt, wenn irgendeine Maßnahme fristgemäß vorgenommen werde, die den Beginn der Zwangsvollstreckung darstelle. Werde mit der Vollziehung der Arrestverfügung innerhalb der Monatsfrist begonnen, könnten nach Ablauf der Monatsfrist jederzeit weitere Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden. Für diese weiteren Vollstrekkungsmaßnahmen bedürfe es nicht einer erneuten Arrestanordnung. Im Streitfall habe das FA sogleich bei Erlaß der Arrestverfügung mit den Vollziehungsmaßnahmen begonnen. Zwischen der Pfändungsverfügung vom 13. März 1968 - gerichtet an den Drittschuldner X - und der vom 29. Mai 1968 - gerichtet an den Drittschuldner Landesjustizfiskus - bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang. Beide Vollziehungsmaßnahmen beträfen den Anspruch auf Herausgabe des Brillantrings. Das FA habe die zweite Pfändung des Brillantrings nicht mehr innerhalb der Monatsfrist vornehmen können, weil es ohne sein Verschulden erst später von dem Besitzübergang an dem Ring erfahren habe.
Die Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das FG hielt den erst im Monat März 1969 gestellten Antrag des Klägers auf Aufhebung der Pfändungsverfügung zwar für zulässig, schloß sich im übrigen aber der Rechtsauffassung der OFD an.
In seiner Revision bringt der Kläger vor, die Pfändung des Herausgabeanspruchs gegen den Justizfiskus sei keine ergänzende Maßnahme, sondern eine völlig neue Vollstreckungsmaßnahme gewesen. Derartige Pfändungen könnten nicht zeitlich unbegrenzt gegen beliebige Drittschuldner fortgesetzt werden, wenn sich herausstelle, daß vorhergehende Pfändungen ohne Erfolg geblieben seien. Die Ergänzung einer bisherigen Pfändung liege in diesem Falle nicht vor.
Das FA und die dem Verfahren beigetretene OFD halten an der bisher von ihnen eingenommenen Rechtsauffassung fest, daß die Pfändung des Herausgabeanspruchs des Klägers gegen den Justizfiskus rechtmäßig gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig und begründet.
Der Gegenstandswert der Revision übersteigt den für eine Streitwertrevision nach § 115 Abs. 1 FGO erforderlichen Betrag von 1 000 DM. Er wird bestimmt durch den Wert des gepfändeten Anspruchs auf Herausgabe des hier in Rede stehenden Ringes. Der Wert dieses Anspruchs ist gleich dem Wert des Ringes. Der Senat schätzt diesen Wert auf 10 000 DM.
Der erkennende Senat folgt dem FG insofern, als über den Antrag des Klägers vom 20. März 1969, die Pfändungsverfügung vom 29. Mai 1968 aufzuheben, eine sachliche Entscheidung zu treffen war. Das FG konnte es im vorliegenden Fall dahingestellt sein lassen, ob der Aufhebungsantrag als Beschwerde oder als ein selbständiger, im Beitreibungsverfahren gestellter Antrag auf Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme anzusehen ist. Eine Beschwerde war, wie das FG zu Recht ausgeführt hat, am 20. März 1969 noch zulässig, weil in der schriftlich ergangenen Pfändungsverfügung des FA keine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden war. Bei Annahme eines selbständigen Antrags auf Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme ist die Antragstellung so lange zulässig, als die Vollstreckungsmaßnahme noch aufgehoben werden kann.
Der erkennende Senat vermag aber nicht dem FG darin zu folgen, daß eine Pfändung des Herausgabeanspruchs des Klägers gegen den Justizfiskus noch am 29. Mai 1968 möglich war.
Das Arrestverfahren dient der Sicherstellung des Gläubigers und hat nur vorläufigen Charakter. § 929 Abs. 2 ZPO ordnet daher an, daß die Vollziehung der Arrestanordnung unstatthaft ist, wenn seit ihrem Erlaß ein Monat verstrichen ist. Diese Vorschrift gilt sinngemäß auch für den steuerlichen Arrest (Gutachten des RFH vom 12. Juli 1922 IV D 1/22, RFHE 10, 34 [41, 42]; Urteile des BFH vom 21. Februar 1952 IV 429/51 U; BFHE 56, 225, BStBl III 1952, 90, und vom 27. November 1957 II 66/56 U, BFHE 66, 130, BStBl III 1958, 51).
Trotz des eindeutigen Gesetzeswortlauts herrscht Streit darüber, was unter Vollziehung im Sinn des § 929 Abs. 2 ZPO zu verstehen ist. Der Streit geht vornehmlich um die Frage, ob die sich auf die Arrestanordnung gründenden Vollstreckungshandlungen noch innerhalb der Monatsfrist beendet, insbesondere Pfändungspfandrechte innerhalb dieser Frist wirksam begründet sein müssen.
Die überwiegend in der zivilprozessualen Literatur (Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 9. Aufl., § 213; Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 31. Aufl., § 929 Anm. 2 B; Schönke-Bauer, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, 8. Aufl., § 49 II 2 b; Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 929 Anm. II 2 b) und weitgehend übereinstimmend von der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte (Kammergericht, Beschluß vom 5. Dezember 1949 7 U 3552/49, NJW 1950, 707; OLG München, Beschluß vom 5. Januar 1968, 14 W 406/67, NJW 1968, 708) vertretene Auffassung hält es für ausreichend, wenn mit der Zwangsvollstreckung noch innerhalb der Monatsfrist begonnen, also eine Vollstreckungsmaßnahme durch das Vollstreckungsgericht verfügt oder durch den Gerichtsvollzieher eingeleitet wird. Es sei dem Gläubiger durch Machenschaften des Vollstreckungsschuldners vielfach nicht möglich, die ihm zugebilligte Sicherung seiner Rechte innerhalb der Monatsfrist zu erreichen. Den Gläubiger auf einen neuen Arrestantrag zu verweisen, sei weder prozeßwirtschaftlich noch biete ihm dies die Gewähr, die Vollstreckung aus dem neuen Titel wiederum innerhalb eines Monats beenden zu können. Es genüge, wenn der Schuldner durch die innerhalb der Monatsfrist begonnene Zwangsvollstreckung erfahren habe, daß er mit der Vollziehung der Arrestanordnung rechnen müsse. Die Vollstreckungsmaßnahmen vor und nach Fristablauf müßten aber in zeitlicher, wirtschaftlicher oder sachlicher Hinsicht eine Einheit bilden, § 932 Abs. 3 ZPO, der den Antrag auf Bestellung einer Arresthypothek schon als Arrestvollziehung ansehe, enthalte einen Rechtsgedanken, der allgemein anzuwenden sei, da der Vollstreckungsgläubiger keinen Einfluß darauf habe, wie rasch das Vollstreckungsorgan arbeite. Die Vollstrekkung müsse aber nach Ablauf der Monatsfrist unverzüglich fortgesetzt werden. Der Gläubiger dürfe nicht trödeln. Ein vor Ablauf der Frist erfolglos gebliebener Pfändungsversuch gebe dem Gläubiger nicht das Recht, nach Fristablauf einen neuen Pfändungsantrag zu stellen.
Für das steuerliche Arrestverfahren haben sich Schwarz in Hübschmann-Hepp-Spitaler (Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. bis 6. Aufl., § 378 AO, Rdnr. 13 c), Liman-Schwarz (Das Steuerbeitreibungsrecht, 3. Aufl., Band I, § 78, Rdnr. 6), Tipke-Kruse (Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. bis 5. Aufl., § 378 AO, Rdnr. 24) und mit gewissen Einschränkungen auch das Niedersächsische FG in dem Urteil vom 5. Dezember 1962 V 45/62 (EFG 1963, 374) dieser Meinung angeschlossen. Dem folgt auch der erkennende Senat.
Auch bei einer Arrestvollziehung nach der AO wird es dem Steuergläubiger nicht immer gelingen, eine begonnene Vollstreckungsmaßnahme noch innerhalb der Monatsfrist zu Ende zu führen. Die Anordnung eines neuen Arrestes oder der spätere Erlaß vorläufiger Steuerbescheide kann aber die Gefahr mit sich bringen, daß inzwischen andere Gläubiger dem Steuergläubiger zuvorkommen. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht darum, ob eine innerhalb der Monatsfrist begonnene Vollstreckungsmaßnahme nach Ablauf dieser Frist zu Ende geführt werden kann. Das FA hat innerhalb der Monatsfrist nur den angeblichen Herausgabeanspruch des Klägers gegen X gepfändet. Diese Pfändung ging ins Leere, weil X schon vor der Zustellung der Pfändungsverfügung den hier in Rede stehenden Ring an einen vom Kläger beauftragten Gerichtsvollzieher auf Grund eines vollstreckbaren Titels herausgegeben hatte. Die Zwangsvollstreckungsmaßnahme des FA war somit, wenn auch ergebnislos, beendet. Um auf den Herausgabeanspruch des Klägers gegen den Justizfiskus zugreifen zu können, war jedoch eine neue Zwangsvollstreckungsmaßnahme, hier der Erlaß einer weiteren Pfändungsverfügung, erforderlich. Diese Pfändungsverfügung ist aber erst nach Ablauf der Monatsfrist herausgegangen. Zwischen beiden Pfändungsverfügungen des FA bestand zwar ein gewisser Zusammenhang insofern, als sie darauf gerichtet waren, zugunsten des Steuergläubigers ein Pfandrecht an einem Herausgabeanspruch des Klägers zu begründen. Gleichwohl kann die zweite Vollstreckungsmaßnahme des FA nicht als Fortsetzung seiner ersten Vollstrekkungsmaßnahme angesehen werden. Es handelte sich um zwei zeitlich hintereinander liegende selbständige Vollstreckungsmaßnahmen, die in ihrem Bestand voneinander unabhängig waren. Auch waren sie von ihrem Gegenstand her verschieden. Der vermeintliche Herausgabeanspruch des Klägers gegen X ist ein anderer Gegenstand als der dann wirklich bestehende Herausgabeanspruch des Klägers gegen den Justizfiskus. Das FA hätte daher in Vollziehung der Arrestanordnung vom 13. März 1968 eine Pfändung des Herausgabeanspruchs des Klägers gegen den Justizfiskus nach Ablauf der Monatsfrist nicht mehr ausbringen und das spätere Begehren des Klägers auf Aufhebung dieser Pfändungsverfügung nicht ablehnen dürfen.
Die Vorentscheidung ist auf Grund einer unzutreffenden Beurteilung der Rechtslage zu einem anderen Ergebnis gelangt. Sie war daher aufzuheben. Da die Sache entscheidungsreif ist, waren die Beschwerdeentscheidung der OFD, die ablehnende Verfügung des FA vom 27. März 1969 und die Pfändungsverfügung vom 29. Mai 1968 aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 70734 |
BStBl II 1974, 119 |
BFHE 1974, 499 |