Leitsatz (amtlich)
1. Die Frage, ob aktivierte Herstellungskosten eines Mieters für Umbauten und Installationen in gemieteten Betriebsräumen im Jahre der teilweisen Betriebseinstellung abgeschrieben werden müssen, ist nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung zu beurteilen.
2. Ein Abschreibungszwang für Mietereinbauten (1.) besteht erst, wenn sich in angemessener Zeit nach der Betriebseinstellung keine Verwertungsaussichten ergeben. Dabei kann das Ausbleiben einer Verwertungsmöglichkeit nicht ohne weiteres auf den Bilanzstichtag zurückbezogen werden.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Sie betrieben ihr gewerbliches Unternehmen (chemische Reinigung und Wäscherei) in den Streitjahren (1963 bis 1965) in Räumen, die sie anläßlich der Verlegung ihres Hauptbetriebes von A nach B anfangs des Jahres 1961 für die Zeit bis zum 31. Dezember 1970 in einem der Mutter der Klägerin gehörenden Hause unkündbar angemietet hatten. In der Absicht, in diesen Räumen in größerem Umfange eine Herrenoberhemdenwäscherei zu betreiben, wendeten sie - außer für Maschinen und Einrichtungsgegenstände - rd. 72 750 DM für Umbau- und Installationsarbeiten in den genannten Räumen auf. Im März 1963 wurde der Betrieb wegen Unrentabilität eingestellt. Der Kläger benutzte die Räume, da neue Mieter nicht gefunden werden konnten, bis zum Verkauf des Hauses im Jahre 1967 als Lagerräume für seinen übrigen Betrieb.
Eine vom Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) im Jahre 1967 durchgeführte Betriebsprüfung ergab, daß der Kläger die Aufwendungen für die Umbau- und Installationsarbeiten in den Jahren 1964 und 1965 derart auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben hatte, daß sich die Wertansätze zum 31. Dezember 1965 auf 0 DM beliefen. Nach Ansicht des FA hätte die Abschreibung der Anlagen bereits zum 31. Dezember 1963 erfolgen müssen (Gewinnauswirkung: 1963 = ./. 31 200 DM, 1964 = + 17 800 DM, 1965 = + 13 400 DM). Außerdem setzte das FA den Bilanzwert der Maschinen, soweit der Kläger sie noch nicht abgeschrieben hatte, zum 31. Dezember 1963 auf 1 DM herab (Gewinnauswirkung 1963 = ./. 6 170 DM, 1964 = + 6 170 DM).
Auf die Einsprüche der Kläger gegen die Bescheide vom 5. Dezember 1968 machte das FA die Abschreibung der Maschinen auf 1 DM rückgängig; im übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück. Die zum FG erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus:
Der Kläger habe nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG zwar ein Wahlrecht, abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder mit ihrem niedrigeren Teilwert auszuweisen; dieses Wahlrecht bestehe indes nicht hinsichtlich solcher Wirtschaftsgüter, die zu einem bestimmten Bilanzstichtag offensichtlich keinen Wert mehr für das Unternehmen hätten (Urteil des RFH vom 7. Februar 1939 I 24/39, RStBl 1939, 511). Im Streitfall seien Umbau und Installationen auf die Nutzung der Räume als Wäscherei und Plätterei für Herrenoberhemden abgestellt gewesen und mit dem Trend zum bügelfreien Oberhemd, der im März 1963 zur Einstellung des Wäschereibetriebes geführt habe, praktisch wertlos geworden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Kläger, mit welcher mangelnde Sachaufklärung gerügt wird. Das FG habe u. a. nicht das Vorbringen berücksichtigt, daß die Umbau- und Installationsaufwendungen durch geeignete Vermietung oder spätestens bei einem Verkauf des Grundstücks hätten verwertet werden sollen und daß die Anlagen deshalb am Bilanzstichtag 31. Dezember 1963 noch nicht als wertlos anzusehen gewesen seien.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
1. Der erkennende Senat braucht nicht zu prüfen, ob die Rüge mangelnder Sachaufklärung wirksam erhoben ist. Denn aus den folgenden Ausführungen ergibt sich, daß die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ausreichen, um die an sie geknüpfte Rechtsfolge zu decken. Die Vorentscheidung muß schon aus diesem Grunde aufgehoben werden (vgl. Urteil des BFH vom 5. März 1968 II R 36/67, BFHE 92, 416, BStBl II 1968, 610).
2. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG kann, wenn der Teilwert von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, niedriger ist als die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die Absetzung für Abnutzung nach § 7 EStG, der Teilwert angesetzt werden. Soweit allerdings handelsrechtliche Vorschriften eine Abschreibung gebieten, muß diese auch bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung vorgenommen werden (§ 5 Satz 1 EStG 1963 ff.). Einen solchen Abschreibungszwang regelt jetzt die Vorschrift des § 154 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz des AktG 1965 für den Fall einer voraussichtlich dauernden Wertminderung. Der Senat geht mit der herrschenden Meinung im Schrifttum davon aus, daß es sich dabei um den Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes ordnungsmäßiger Buchführung handelt, der bereits in den Streitjahren - 1963 bis 1965 - maßgebend war (vgl. Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 3. Aufl., Tz. 144 zu § 133 AktG 1937; Schlegelberger-Quassowski u. a. , Aktiengesetz, Kommentar, Anm. 21 zu § 133; Mellerowicz, in Großkommentar zum Aktiengesetz, 1970, Anm. 36 zu § 154; Bühler, Bilanz und Steuer, 5. Aufl. 1952, S. 223; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 16 zu § 6 EStG, S. E 404, mit weiteren Nachweisen). Das RFH-Urteil vom 13. Juli 1938 I 259/37 (RStBl 1938, 1123), welches einen Abschreibungszwang für Gebäudegrundstücke unter der Herrschaft des früheren Aktienrechts verneinte, steht dem nicht entgegen, weil es nicht einen Fall offensichtlich dauernden Wertverlustes betraf.
Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung, die eine Pflicht zur Abschreibung begründet, wird angenommen, wenn der Stichtagswert den Wert, der sich aus planmäßigen Abschreibungen ergibt, während eines erheblichen Teiles der Restnutzungsdauer nicht erreichen wird (vgl. Adler-Düring-Schmaltz, a. a. O., 4. Aufl., Rdnr. 83 zu § 154 AktG 1965 mit weiteren Nachweisen; Herrmann-Heuer, a. a. O.). Damit ist zugleich gesagt, daß bei der Bestimmung der Voraussehbarkeit eines dauernden Wertverlustes zum Bilanzstichtag die Eigenart des betreffenden Wirtschaftsgutes berücksichtigt werden muß. So hat der erkennende Senat in dem Urteil vom 19. Oktober 1972 I R 244/70 (BFHE 107, 214, BStBl II 1973, 54) einem Steuerpflichtigen eine Teilwertabschreibung versagt, weil der Versuch einer Veräußerung oder Vermietung unbeweglicher Wirtschaftsgüter (dort Betriebsgebäude und Hofbefestigungen) erfahrungsgemäß nicht kurzfristig zum Erfolge führen könne. Bei der Entwicklung solcher Werte muß in der Regel mit einer angemessenen Beobachtungszeit gerechnet werden. Dieser Gesichtspunkt ist besonders dann von Bedeutung, wenn der Steuerpflichtige gegen seinen Willen gezwungen werden soll, eine Teilwertabschreibung vorzunehmen.
Maßgebend ist die Voraussehbarkeit einer dauernden Entwertung nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag, wie sie sich dem Steuerpflichtigen bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung darstellen. Zwar müssen Erkenntnisse, die sich über die am Bilanzstichtag bestehenden Umstände bis zur Aufstellung der Bilanz ergeben, berücksichtigt werden (wertaufhellende Tatsachen i. S. des BFH-Urteils vom 4. April 1973 I R 130/71, BFHE 109, 55, BStBl II 1973, 485). Das weitere Ausbleiben von Verwertungsmöglichkeiten kann nicht auf den Bilanzstichtag zurückbezogen werden. Zwar stellt es eine wertbeeinflussende Tatsache dar, aber sie betrifft nicht die für die Bilanzierung zum Stichtag maßgebende Voraussehbarkeit der weiteren Entwicklung.
Die vorstehenden Abschreibungsgrundsätze gelten auch für zum Anlagevermögen eines Mieters von Geschäftsräumen gehörende, als selbständige Wirtschaftsgüter aktivierte Herstellungskosten für Umbauten und Installationen. Der zur Zulässigkeit gesonderter Absetzungen für Abnutzung für Gebäudeteile ergangene Beschluß des Großen Senats des BFH vom 26. November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132, insbesondere Abschn. C II 2a, 3c), dessen Grundsätze auch für Teilwertabschreibungen gelten, hat die bisherige Rechtsprechung zur bilanzmäßigen Behandlung von Mietereinbauten unberührt gelassen.
3. Das FG hat bei seiner Entscheidung die Eigenart der Wirtschaftsgüter, deren Abschreibung streitig ist, nicht genügend berücksichtigt. Die Umbauten und Installationen standen in engstem Zusammenhang mit dem Gebäude und konnten deshalb nur mit diesem zusammen verwertet werden. Die Verwertung eines Betriebsgebäudes durch Vermietung oder Veräußerung aber nimmt, wie bemerkt, meist längere Zeit in Anspruch. Im Streitfall war der Wäschereibetrieb im März 1963 eingestellt worden. Es brauchte deshalb zum 31. Dezember 1963 noch nicht mit einer dauernden Entwertung der Anlagen gerechnet zu werden. Der Kläger war deshalb nicht verpflichtet, bereits zu diesem Stichtag eine Teilwertabschreibung vorzunehmen.
Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht an das FG zurück, das nunmehr zu beurteilen haben wird, ob nach Maßgabe der oben dargelegten Grundsätze eine Verpflichtung zur Abschreibung auf den 31. Dezember 1964 bestand oder ob dem Begehren der Steuerpflichtigen, zum 31. Dezember 1964 einen Zwischenwert anzusetzen und zum 31. Dezember 1965 die Restabschreibung vorzunehmen, stattzugeben ist.
Zugleich werden die Kläger Gelegenheit erhalten, ihre Einwendungen, die sie in tatsächlicher Hinsicht gegen die Vorentscheidung erheben, erneut geltend zu machen und zu substantiieren.
Fundstellen
Haufe-Index 71273 |
BStBl II 1975, 294 |
BFHE 1975, 415 |