Leitsatz (amtlich)
Verrechnen Gesellschaft und Gesellschafter jeweils ihre gegenseitigen Forderungen aus laufenden Geschäftsbeziehungen und berechnet der Gesellschafter für einen zu seinen Gunsten verbleibenden Saldo keine Zinsen, so folgt daraus allein noch keine Steuerpflicht nach § 2 Nr. 4 Buchst. b oder c KVStG 1959. Eine freiwillige Leistung nach dieser Vorschrift liegt vor, wenn zwischen den Beteiligten ein echtes Kontokorrentverhältnis nach § 355 HGB besteht und der Gesellschafter die ihm nach § 355 Abs. 1 HGB zustehenden Zinsen nicht erhebt. Verrechnen die Beteiligten dagegen die Einzelforderungen und gewährt der Gesellschafter der Gesellschaft für deren verbleibenden Schuldsaldo branchenübliche Zahlungsziele, so löst dies keine Gesellschaftsteuer aus.
Normenkette
KVStG 1959 § 2 Nr. 4 Buchst. b, c
Tatbestand
I. Die Klägerin hat mit ihrer Alleingesellschafterin einen Ergebnisübernahmevertrag (EÜV) abgeschlossen. Nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils stellte das beklagte Finanzamt bei einer Kapitalverkehrsteuerprüfung fest, daß die Kontokorrentverbindlichkeiten der Klägerin gegenüber ihrer Gesellschafterin nur in Höhe eines Festbetrages zu 3,5 % verzinst worden waren. Die vom Prüfer ermittelten Durchschnittswerte dieser Kontokorrentschulden der Klägerin waren in den geprüften Jahren höher als der Festbetrag.
Das FA ging davon aus, daß die Klägerin als angemessene Zinsen mindestens 5 % dieser Schulden hätte zahlen müssen. Auf dieser Grundlage errechnete es eine Zinsersparnis und sah diese der Klägerin gewährte Vergünstigung als steuerpflichtige Leistung der Gesellschafterin nach § 2 Nr. 4 Buchst. c KVStG an. Es setzte Gesellschaftsteuer fest.
Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Auf ihre Klage hob das FG Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung auf.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Das Finanzgericht hat die Aufhebung des Steuerbescheides und der Einspruchsentscheidung unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 8. November 1967 II 87/61 (BFHE 90, 236, BStBl II 1968, 38) damit begründet, daß freiwillige Leistungen nach § 2 Nr. 4 KVStG bei einem zwischen Gesellschaft und Gesellschafter abgeschlossenen EÜV nicht geeignet seien, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Der BFH hat diese in dem Urteil II 87/61 zum Ausdruck gekommene Rechtsprechung in seiner Entscheidung vom 12. April 1972 II 37/63 (BFHE 106, 123, BStBl II 1972, 714) aufgegeben und ist zu seiner bisherigen Auffassung zurückgekehrt. Der abzuführende Gewinn einer Kapitalgesellschaft ist weder mit der Werterhöhung nach § 2 Nr. 4 KVStG noch mit dem Wert der Leistung nach § 8 Nr. 2 dieses Gesetzes identisch. Demnach bietet ein EÜV keine Gewähr dafür, daß am Ende des Wirtschaftsjahres eine Kapitalzuführung nach § 2 Nr. 4 KVStG wieder ausgeglichen wird. Überdies hat der Anspruch des Gesellschafters auf Abführung des Gewinnes ebenso wie der Gewinnanspruch nach § 29 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, der eine Besteuerung nach § 2 Nr. 4 KVStG nicht hindert, seine Wurzel im Gesellschaftsverhältnis. Im übrigen wird auf die Gründe des Urteils II 37/63 verwiesen.
Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das FG - aus seiner Sicht zu Recht - die für eine Besteuerung notwendigen Tatsachen nicht vollständig festgestellt hat.
Nicht geklärt ist bisher, ob zwischen der Klägerin und ihrer Gesellschafterin ein echtes Kontokorrentverhältnis nach § 355 HGB bestand. Möglich ist auch, daß die Beteiligten ohne Bestehen eines solchen Verhältnisses jeweils nur die Einzelforderungen gegeneinander aufrechneten und die Klägerin für danach verbleibende Schulden - soweit diese nicht verzinst wurden - branchenübliche Zahlungsziele in Anspruch nahm. Derartige Zinsvergünstigungen wären nicht nach § 2 Nr. 4 Buchst. b oder c KVStG steuerpflichtig. Die genannten Vorschriften setzen voraus, daß ein Gesellschafter die freiwillige Leistung bewirkt. Diese Fassung des Gesetzes hat nach Wortlaut und Sinn die Bedeutung, daß der Leistende in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der Gesellschaft Vorteile einräumt. Gewährt er dagegen im Rahmen und aufgrund von Geschäftsbeziehungen der Gesellschaft wirtschaftliche Vergünstigungen, die branchenüblich sind und somit auch zwischen einander fremden - nicht im Gesellschaftsverhältnis verbundenen - Geschäftspartnern gewährt werden, so wird dadurch keine Gesellschaftsteuerpflicht ausgelöst (vgl. das Urteil vom 14. Januar 1969 II 221/65, BFHE 95, 117, BStBl II 1969, 321 und das zu § 3 KVStG 1955 ergangene Urteil vom 3. Dezember 1969, BFHE 98, 59, BStBl II 1970, 279).
Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist die Frage, weshalb die tatsächlich berechneten Zinsen nur 3,5 % betrugen. Hier können, selbst wenn zwischen der Klägerin und ihrer Gesellschafterin kein echtes Kontokorrentverhältnis bestand, gesellschaftsrechtliche Motive maßgebend gewesen sein.
Fundstellen
Haufe-Index 71255 |
BStBl II 1975, 265 |
BFHE 1975, 445 |