Leitsatz (amtlich)
Auch ein erst vor kurzem errichtetes Gebäude kann im Falle seines Abbruchs nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG abgeschrieben werden, wenn an seine Stelle ein überraschend möglich gewordener, seit langem geplanter Betriebserweiterungsbau tritt.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1 S. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte hatte im Jahre 1962 auf ihrem Werkgelände - angrenzend an einen Teil ihrer Fabrikationsräume - Garagen errichtet, nachdem die Verhandlungen über den Ankauf eines Nachbargrundstücks, das sie zur Durchführung eines von ihr seit Jahren an dieser Stelle geplanten Erweiterungsbaues ihrer Fabrikationsräume benötigt hätte, gescheitert waren. Wider Erwarten konnte sie das Grundstück im Jahre 1964 erwerben. Daraufhin ließ sie im Jahre 1965 die Garagen abbrechen und - wie geplant - eine neue Werkhalle errichten, neben der alsdann neue Garagen erstellt wurden. Den Restbuchwert der Garagen schrieb die Klägerin in voller Höhe ab, während der Beklagte und Revisionskläger (das FA) ihn als Teil der Herstellungskosten der neuen Werkhalle aktivierte.
Die nach erfolglosem Einspruch zum FG erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG führte aus, die Abschreibung sei nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG gerechtfertigt (Hinweis auf das Urteil des BFH vom 3. Dezember 1964 IV 422/62 S, BFHE 82, 214, BStBl III 1965, 323). Mit dem Abbruch der Garagen seien diese als Wirtschaftsgut untergegangen, gleichgültig, wie lange sie dem Betrieb gedient hätten; ein neues Wirtschaftsgut sei an ihre Stelle getreten, dessen Herstellungskosten mit den seinerzeit entstandenen Kosten für die Errichtung der Garagen (qua Restbuchwert) in keinerlei Zusammenhang ständen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Zur Begründung trägt es vor:
Das FG habe verkannt, daß nach dem Gesetz die Frage des wirtschaftlichen Verbrauchs eines Wirtschaftsguts nach den Verhältnissen vor dem Untergang des Wirtschaftsguts zu beurteilen sei. Daß der Wert eines für einen bestimmten Zweck hingegebenen Wirtschaftsgutes in einem anderen, neuen Wirtschaftsgut aufgehen und damit fortbestehen könne, sei allgemeiner Grundsatz des Bilanzsteuerrechts. Ihn für den Fall des Abbruchs von Gebäuden aufzugeben, erscheine gerade angesichts der besonderen Situation der Bodenverknappung nicht gerechtfertigt. Auch in der Rechtsprechung des BFH finde das FA keine Bestätigung für eine derart unbeschränkte Auslegung des Merkmals des wirtschaftlichen Verbrauchs. Zwar sehe der BFH im Urteil IV 422/62 S den Nachweis des wirtschaftlichen Verbrauchs in der Regel in dem Entschluß des Kaufmanns, das Gebäude abzubrechen, weil er es nur dann abbrechen lassen werde, wenn es für ihn wirtschaftlich verbraucht sei. Der Tatsache, daß es sich im Streitfalle indes um fast neuwertige Garagen, im Falle des BFH-Urteils IV 422/62 S dagegen um eine 40 Jahre alte Werkhalle gehandelt habe, daß anstelle der Garagen nicht wiederum Garagen, sondern eine Werkhalle errichtet worden sei, habe das FG keine Bedeutung beigemessen. Dagegen sei nach Ansicht des FA (nur) der Ersatz eines Wirtschaftsguts durch ein solches gleicher Art als Beweisanzeichen für den wirtschaftlichen Verbrauch des alten Wirtschaftsguts zu werten. Im Streitfalle habe die Klägerin die an sich noch brauchbaren Garagen bewußt geopfert, um den für sie noch kostbareren Platz für den geplanten Neubau zu gewinnen. Das BFH-Urteil vom 18. März 1965 IV 61/62 U (BFHE 82, 207, BStBl III 1965, 320) zeige, wenn es auch vom Sachverhalt her den vorliegenden Fall nicht treffe, daß jedenfalls in Sonderfällen die Erfassung des Restbuchwerts des abgebrochenen Gebäudes bei den Herstellungskosten des Neubaues weiterhin als möglich angesehen werde.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FA geht bei seinen Überlegungen noch von der Wertopfertheorie aus, die die frühere, mit den Urteilen IV 422/62 S und IV 61/62 U endgültig aufgegebene Rechtsprechung des RFH und des BFH kennzeichnete (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 2. Juni 1959 I 74/58 S, BFHE 69, 162, BStBl III 1959, 323). Das Einkommensteuerrecht folgt in § 6 EStG dem Grundsatz der Einzelbewertung; d. h. in diesem Zusammenhang, daß der Restbuchwert eines abgebrochenen Gebäudes nicht als ein Teil der Herstellungskosten eines an seiner Stelle errichteten neuen Gebäudes angesehen werden kann. Eine Ausnahme bildet der Fall des Erwerbs eines Grundstücks zwecks Abbruchs des aufstehenden Gebäudes, in dem der Kaufpreis allein für die Erlangung des Grund und Bodens aufgewendet wird, sei es daß dem Gebäude im Zeitpunkt des Erwerbs objektiv ein Wert nicht mehr zukommt (BFH-Urteil vom 6. November 1968 I 64/65, BFHE 93, 551, BStBl II 1969, 35), sei es, daß das Gebäude weder technisch verbraucht noch wirtschaftlich veraltet war.
Die Frage, wann ein Gebäude wirtschaftlich verbraucht und deshalb Absetzungen für außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung zulässig seien, beantwortet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles und nicht - mit der vorgenannten Ausnahme - nach der Dauer der Zeit, während derer es dem Betrieb des Steuerpflichtigen gedient hat. Der Entschluß des Steuerpflichtigen, ein Gebäude abbrechen zu lassen, bringt in der Regel die Tatsache seines wirtschaftlichen Verbrauchs für den Betrieb treffend zum Ausdruck, ohne daß es dabei darauf ankommt, daß an die Stelle des abgebrochenen Gebäudes ein dem gleichen Zweck gewidmeter Neubau tritt. Gerade der vorliegende Streitfall, in dem die erst vor kurzem errichteten Garagen der nun - infolge des überraschend gelungenen Erwerbs des Nachbargrundstücks - möglich gewordenen Erweiterung der Fabrikationsräume hinter dem Bürogebäude weichen mußten, zeigt, was außerordentliche wirtschaftliche Abnutzung bedeutet: Ein Wirtschaftsgut muß im Interesse des Gesamtbetriebes einem anderen weichen, das an seiner Stelle besser den Interessen des Gesamtbetriebes dient, sei es nun eine ganze Betriebseinrichtung, die infolge einer Umstellung des Betriebes auf eine andere Produktion trotz ihrer technisch weiterhin gegebenen Brauchbarkeit einer neuen weichen muß, sei es ein Garagengebäude, das seinen Platz einem lange vorgesehenen, überraschend möglich gewordenen Betriebserweiterungsgebäude überlassen muß.
Fundstellen
Haufe-Index 70515 |
BStBl II 1973, 678 |
BFHE 1973, 326 |