Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietvertrag zwischen Eltern und Sohn
Leitsatz (NV)
Ist nach den Vereinbarungen zwischen den Beteiligten unsicher, was für die Überlassung einer Wohnung geschuldet wird, ist von einer unverbindlichen, im wesentlichen von familiären Überlegungen geprägten Überlassung auszugehen.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1, § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb durch Zuschlag in einer Zwangsversteigerung am 4. März 1987 eine 61 qm große Eigentumswohnung. Die Wohnung galt bis zum 31. Dezember 1990 als öffentlich gefördert im Sinne des Wohnungsbindungsgesetzes (WoBindG).
Laut schriftlichem Mietvertrag vom 10. März 1987 vermietete der Kläger die Wohnung vom 4. März 1987 an am 10. März 1987 zum Preis von 240 DM monatlich (einschließlich Nebenkosten) an seinen Sohn Ch. Nach § 21 dieses Vertrages sind u. a. Nebenabreden, Änderungen und Ergänzungen des Vertrags nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart worden sind. Die Abänderung dieser Klausel ist nur wirksam, wenn sie schriftlich erfolgt. Der vereinbarte Mietzins sollte nur unter der Bedingung gelten, daß die für diese Wohnung geltend gemachten Werbungskosten in voller Höhe vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt -- FA --) anerkannt werden. Unter Bezugnahme auf diese mündliche Vereinbarung versuchte der Kläger im März 1989, nachdem das FA die geltend gemachten Werbungskosten nicht im beantragten Umfang anerkannt hatte, vergeblich, die Miete rückwirkend auf 350 DM monatlich zu erhöhen.
Der Kläger trägt ferner vor, mündlich sei vereinbart worden, jährliche Mietsteigerungen von 10 % vorzunehmen. Der vom Finanzgericht (FG) als Zeuge vernommene Ch. hat bekundet, die Vertragsparteien seien sich bei Abschluß des Mietvertrages darüber einig gewesen, daß die Miete "nicht auf ewig gleichbleiben würde". Erstmals ab März 1988 erhöhte sich die Miete um 10 % auf 264 DM und ab März 1989 auf 290 DM monatlich.
Der Mietzins für die Monate März bis Juli 1987 wurde am 15. März 1987 bar aus einem Geldgeschenk der Großeltern bezahlt. Ab 1. August 1987 überwies Ch. monatlich 400 DM. Davon sollen jeweils 160 DM der Tilgung von "Altschulden" dienen.
Die Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft hatte eine Brutto-Miete von rd. 460 DM/mtl. errechnet.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1987 machten die Kläger für die Wohnung Werbungskosten in Höhe von 23 091 DM, insgesamt einen Verlust von 20 691 DM geltend.
Das FA erkannte den geltend gemachten Verlust nicht an, weil die vereinbarte Miete zu niedrig sei, um eine Überschußerzielungsabsicht annehmen zu können. Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos. Das FA ist der Ansicht, ein Mietverhältnis könne schon deswegen nicht anerkannt werden, weil eine wirksame Vereinbarung über die Abrechnung der Nebenkosten fehle.
Das FG gab der Klage statt. Zur Begründung führte es aus, es handele sich hier nicht um eine einkommensteuerlich irrelevante Vermögensnutzung. Es liege ein ernsthaft gewollter und tatsächlich durchgeführter Mietvertrag vor. Da die Miete auch zunächst aus einem Geldgeschenk der Großeltern und später aus eigenen Einkünften des Ch. beglichen worden sei, gebe es auch keine Anhaltspunkte dafür, daß die Miete aus dem Barunterhalt geleistet worden sei.
Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.
Sie wenden sich gegen die Ausführungen des FA.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Der Kläger kann die geltend gemachten Aufwendungen nicht als Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abziehen (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 1 EStG), weil die Überlassung der Wohnung an seinen Sohn Ch. im Streitjahr 1987 keine Vermietung i. S. des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist. Die zwischen dem Kläger und Ch. getroffenen Vereinbarungen sind in der Weise zu verstehen, daß von einer unverbindlichen, im wesentlichen von familiären Überlegungen geprägten Überlassung auszugehen ist.
Wird eine Wohnung an einen nahen Angehörigen vermietet, kann dieses Mietverhältnis der Besteuerung grundsätzlich nur dann zugrunde gelegt werden, wenn der Mietvertrag bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen ist und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 19. Juni 1991 IX R 306/87, BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75, und vom 9. November 1993 IX R 74/90, BFH/NV 1994, 475, m. w. N.). Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt.
Die Beteiligten haben zwar einen schriftlichen Mietvertrag nach einem üblichen Muster geschlossen. Allerdings ist angesichts der bei Vertragsschluß zu erwartenden Nebenkosten (102,41 DM Betriebskosten + 110 DM Heizkosten = 212,41 DM) bereits fraglich, ob die Miete von 240 DM nicht im wesentlichen diese Kosten decken und die Überlassung der Wohnung im übrigen unentgeltlich bleiben sollte. Da nur ein Betrag für Miete und Nebenkosten ausgewiesen ist, bleibt offen, was dem Sohn Ch. zugewendet werden sollte, die Wohnung oder die Nebenleistungen (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 1993 IX R 19/89, BFH/NV 1994, 96).
Unklar ist aber nach der Darstellung der Kläger, was Ch. ihnen insgesamt für die Überlassung der Wohnung schuldet. Das Vorbringen der Kläger könnte dafür sprechen, daß der schriftliche Vertrag die Vereinbarungen nicht vollständig wiedergibt. Zwar sollten nach § 21 dieses Vertrags mündliche Absprachen nicht gelten. Daran waren die Beteiligten aber nicht endgültig gebunden (Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 54. Aufl., § 125 Anm. 4).
So bleibt unsicher, ob vereinbart wurde, die Miethöhe von der Anerkennung der geltend gemachten Werbungskosten durch das FA abhängig zu machen. Die Kläger selbst sind offenbar dieser Ansicht; denn sie haben nach den bindenden Feststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) des FG rückwirkend eine Miete von 350 DM geltend gemacht.
Die Höhe der Miete war nach der Vorstellung der Kläger zunächst auch deshalb offen, weil Ch. bei Abschluß des Vertrags noch kein Arbeitseinkommen hatte. Nach den Feststellungen des FG haben die Kläger im Einspruchsverfahren vorgetragen, mit dem Sohn sei vereinbart worden, die Miete entsprechend seinen Gehaltserhöhungen zu steigern.
Zwar wurde auch diese Vorstellung nicht realisiert. Von Bedeutung bleibt jedoch, daß derartige Alternativen zum Vertragstext von den Beteiligten ernsthaft als durchführbar angesehen wurden. In einem wesentlichen Punkt weichen aber Vereinbarung und Durchführung vom schriftlichen Vertragstext ab.
Im schriftlichen Vertrag war eine feste Miete von 240 DM monatlich vereinbart. Die Kläger und Ch. gehen aber übereinstimmend davon aus, daß die Miete erhöht werden sollte. Unbestimmt scheinen lediglich die mündlichen Vereinbarungen hinsichtlich Zeitpunkt und Umfang der Erhöhung zu sein. Während Ch. der Ansicht ist, es sei vereinbart, daß die Miete "nicht ewig bei 240 DM bleiben" könne, sind die Kläger der Ansicht, es sei vereinbart worden, die Miete jährlich um 10 % zu erhöhen. Letzteres ist dann auch entgegen den schriftlichen Vereinbarungen ab 1988 geschehen.
Fundstellen
Haufe-Index 65435 |
BFH/NV 1995, 964 |