Leitsatz (amtlich)
Wechselkredite werden zu gewerbesteuerlichen Dauerschulden, wenn sie ständig in der Weise revolviert werden, daß jeweils nach Ablauf von drei Monaten neue Wechsel begeben werden und auf diese Weise ein bestimmter Kredit über einen längeren Zeitraum als ein Jahr gewährt wird.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin der X-AG, auf die ihrerseits zum 31. Dezember 1969 die D-AG umgewandelt worden war.
Im Jahre 1954 indossierte die D-AG in drei aufeinanderfolgenden Monaten auf eine Niederländische Bank (N-Bank) Wechsel in Höhe von
hfl 1 770 000
hfl 1 600 000
hfl 1 630 000 (insgesamt hfl 5 000 000),
die diese akzeptierte und diskontierte. Die Wechsel waren von einem Rohstofflieferanten der D-AG ausgestellt worden. Den Diskonterlös von hfl 5 000 000 überwies die N-Bank an die Einkaufskommissionärin der D-AG und belastete dieser gleichzeitig ein Sonderkreditkonto in gleicher Höhe. Seitdem wurden die nach 90 Tagen fälligen Wechselforderungen der N-Bank gegen die D-AG jeweils durch die Diskonterlöse späterer Wechsel getilgt. Das Sonderkreditkonto der D-AG wies regelmäßig eine Schuld von insgesamt etwa hfl 5 Mio. auf.
Die Rohstoffimporte wurden dem Lieferanten jeweils über Kontokorrentkonten der D-AG bei einer deutschen Bank bezahlt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte den Wechselkredit bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für das Streitjahr 1965 als Dauerschuld und die dafür entrichteten Zinsen als Dauerschuldzinsen.
Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Sprungklage statt. Es führte aus, daß die von der N-Bank gewährten Kredite laufende Verbindlichkeiten seien. Mit dem ursprünglichen Wechselkredit sei der Erwerb von Umlaufvermögen finanziert worden. Der Charakter der gewöhnlichen Geschäftsschuld sei auch durch die ständige Revolvierung nicht verlorengegangen. Die einzelnen Wechsel hätten jeweils für sich Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von nur drei Monaten gebildet, da ihnen jeweils eine neue Warenlieferung zugrunde gelegen habe (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juli 1969 VI R 276/66, BFHE 96, 535, BStBl II 1969, 712). Der hinreichende Zusammenhang zwischen den Drei-Monats-Akzepten und den Rohstoffimporten zeige sich darin, daß der Lieferant die Wechsel immer als Aussteller unterschrieben habe; weiter habe die D-AG monatliche Aufstellungen des Rohstofflieferanten über die getätigten Importe an die N-Bank weitergeleitet. Daß die einzelnen Wechselsummen sich nicht mit den jeweiligen Rohstofflieferungen deckten, sei unschädlich, sofern nur - wie im Streitfall - die gesamten Rohstofflieferungen wertmäßig mindestens der Summe der ausgestellten Wechsel entsprächen.
Gegen dieses Urteil hat das FA Revision eingelegt. Es rügt Verletzung des materiellen Rechts. Das Urteil beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung der §§ 8 Nr. 1 und 12 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Für die Annahme laufender Verbindlichkeiten sei ein enger Zusammenhang zwischen den einzelnen Krediten und Warengeschäften bei Kreditaufnahme und Abwicklung des Warengeschäfts Voraussetzung. Im Streitfall seien die fälligen Wechselschulden nicht mit den eingegangenen Warenforderungen getilgt worden. Weiter stimmten die Wareneinkäufe nicht genau mit den Kreditbeträgen überein. Selbst wenn man einen engen Zusammenhang (zwischen den Krediten und den einzelnen Warengeschäften) bejahen könnte, müßten die für Kontokorrentschulden maßgebenden Grundsätze Anwendung finden.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
Die der D-AG von der N-Bank gewährten Kredite sind Dauerschulden i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG und die dafür entrichteten Zinsen Dauerschuldzinsen i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG. Die Kredite haben einer nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals gedient. Sie standen der D-AG bis in das Streitjahr 1965 hinein zur Verfügung.
Es ist dabei unerheblich, daß der ursprünglich eingeräumte Kreditbetrag der Finanzierung ganz bestimmter Rohstoffimporte gedient hat. Ob eine Dauerschuld oder eine laufende Verbindlichkeit vorliegt, richtet sich zwar in erster Linie nach dem Charakter der Schuld. Dient die Schuld (der Kredit) der Beschaffung des eigentlichen Dauerbetriebskapitals, das der Betrieb nach seiner Eigenart und seiner speziellen Anlage und Gestaltung ständig benötigt, so spricht dies für eine Dauerschuld. Steht der Kredit aber mit einzelnen laufenden, nach der Art des Betriebes immer wiederkehrenden bestimmbaren Geschäftsvorfällen im Zusammenhang, etwa mit dem Erwerb von Umlaufvermögen (z. B. Waren), so hat er in der Regel den Charakter einer laufenden, nicht unter § 8 Nr. 1 bzw. § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG fallenden Verbindlichkeit. Jedoch kann unter der Einwirkung des Zeitmoments auch ein solcher mit dem Umlaufvermögen im Zusammenhang stehender Kredit Dauerschuld werden, wenn seine Laufzeit länger als ein Jahr ist (BFH-Urteile vom 12. Juni 1975 IV R 34/72, BFHE 116, 386, BStBl II 1975, 784, und VI R 276/66, mit weiteren Nachweisen). Letzteres trifft auch im Streitfall zu.
Entgegen der vom FG vertretenen Auffassung konnte auch die ständige Revolvierung des ursprünglichen Wechselkredits den Einfluß des Zeitmoments nicht ausschließen und den Charakter der laufenden Verbindlichkeit aufrechterhalten. Es ist zwar für den Fall des Kontokorrentverhältnisses anerkannt, daß auch ein langfristig bestehender Mindestschuldsaldo keine Dauerschuld darstellt, wenn die Warengeschäfte derart abgewickelt werden, daß bei jedem für einen bestimmten Wareneinkauf neu in Anspruch genommenen Kredit der Zusammenhang zwischen dem Kredit und dem einzelnen Warengeschäft bis zur Tilgung gewahrt bleibt und buchmäßig nachgewiesen werden kann (vgl. z. B. das BFH-Urteil IV R 34/72). Gleiches gilt auch für Wechselkredite. Sie können mit den einzelnen Warenlieferungen so eng zusammenhängen, daß sie als laufende Verbindlichkeiten jeweils gesondert zu behandeln sind und die Entstehung einer Dauerschuld ausgeschlossen ist (vgl. z. B. auch die BFH-Urteile vom 22. Juni 1965 I 202/64 U, BFHE 82, 657, BStBl III 1965, 484, und vom 2. März 1966 I 33/65, BFHE 85, 192, BStBl III 1966, 280). Dieser enge Zusammenhang ist im Streitfall aber nicht gegeben.
Anders als in den Fällen der Urteile I 202/64 U, I 33/65 und VI R 276/66 hat im Streitfall die D-AG die einzelnen Rohstoffimporte nicht mittels der jeweils neuen Drei-Monats-Wechsel finanziert. Die Lieferantenrechnungen wurden vielmehr durch Überweisungen von Konten einer deutschen Bank, die in das Wechselverfahren zu keinem Zeitpunkt eingeschaltet war, beglichen. Daraus ergibt sich die Loslösung des Kredits von den späteren Warengeschäften. Abgesehen davon, daß die D-AG auf diese Weise über die Erlöse aus den Geschäften nach Verarbeitung der Rohstoffe frei verfügen konnte, diente das im Streitfall angewendete Verfahren nicht der Finanzierung der jeweiligen Importe. Es mag zwar sein, daß die Abwicklung der einzelnen Geschäfte durch den im Jahr 1954 gewährten Kredit in den Folgejahren gefördert oder sogar erst ermöglicht wurde. Doch reicht eine derartige mittelbare Finanzierung nicht aus, um die für die Annahme einer laufenden Verbindlichkeit nötige enge Verbindung von Kredit- und Warengeschäft annehmen zu können.
Entgegen der Auffassung des FG spricht auch der Umstand, daß die Summen der einzelnen Wechsel nicht mit den Rechnungsbeträgen über die jeweiligen Lieferungen übereinstimmten, für eine Loslösung des Kredits von den einzelnen Warengeschäften. Dadurch, daß die Wechsel jeweils über einen der im Jahre 1954 eingeräumten Kreditbeträge lauteten, wird nämlich der Zusammenhang mit diesen Vorgängen deutlich. Die Ausstellung und Begebung der neuen Wechsel hatte den Sinn, den ursprünglich eingeräumten Kredit zu verlängern (siehe auch BFH-Urteil vom 11. September 1956 I 87/55, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 1, Rechtsspruch 3). So übernahm der Rohstofflieferant als Aussteller nicht etwa die wechselmäßige Haftung, um auf diese Weise seinem Abnehmer die Kreditierung des jeweils letzten Rohstoffbezuges zu ermöglichen. Durch diese sog. Kreditleihe (vgl. z. B. v. Caemmerer, Neue Juristische Wochenschrift 1955 S. 41 [43]) sollten vielmehr der N-Bank zusätzliche Sicherheiten geboten werden, damit diese den "alten" Kredit immer wieder verlängere. Dadurch, daß die N-Bank über Jahre auch so verfahren ist, ist durch die ständige Revolvierung der Akzept- bzw. Diskontkredite eine dauernde Bankschuld entstanden (vgl. auch die Urteile des Reichsfinanzhofs vom 21. Februar 1939 I 464/38, RFHE 46, 194, RStBl 1939, 711, und vom 7. April 1943 VI 422/42, RStBl 1943, 517).
Fundstellen
Haufe-Index 72859 |
BStBl II 1978, 651 |
BFHE 1979, 564 |