Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Gegenleistung
Leitsatz (NV)
Eine nachträgliche Gegenleistung setzt voraus, daß ein rechtlicher Zusammenhang mit dem (vorangegangenen) Grundstückserwerb besteht. Ein rechtlicher Zusammenhang zum ursprünglichen Geschäft besteht dann nicht mehr, wenn die neue Leistung gewährt wird, um eine Weiterveräußerung des Grundstücks zu ermöglichen.
Normenkette
GrEStG HA § 21 Abs. 2 Nr. 1 (GrEStG 1983 § 9 Abs. 2 Nr. 1)
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger war Eigentümer von Grundstücken. Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 11. August 1980 erwarb er von der A weitere daran angrenzende Grundstücke. Der Kaufpreis betrug X DM. Der Kläger verpflichtete sich, auf dem Grundstück innerhalb einer bestimmten Frist ein . . .kaufhaus zu errichten und das Grundstück für diesen Zweck auch zu nutzen. Vor Erfüllung der Bauverpflichtung durfte das Grundstück nur mit schriftlicher Zustimmung des Veräußerers weiter übertragen werden. Bei Verstoß gegen diese Verpflichtungen stand dem Veräußerer ein Wiederkaufsrecht zu. Dem Veräußerer wurde darüber hinaus ein Ankaufsrecht für die dem Erwerb bereits vorher gehörenden Grundstücke eingeräumt. Bei Überschreitung einer bestimmten Bruttogeschoßfläche durch den Kläger sollte sich der Kaufpreis erhöhen.
Die dem Kläger bereits gehörenden und die hinzuerworbenen Grundstücke sollten rechtlich zu einem Grundstück vereinigt werden. Der Kläger wurde am 8. Juli 1981 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Der Kläger errichtete das Kaufhaus nicht, sondern veräußerte sämtliche Grundstücke weiter an die B. Bereits durch notariell beurkundete Erklärung vom 19. März 1981 hatte der Kläger der B ein Angebot gemacht. Dieses wurde - nach Änderungen - am 25. September 1981 angenommen unter der Bedingung, daß die A dem Vertrag zustimme. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 4. März 1982 kam der Vertrag zwischen dem Kläger und der B endgültig zustande. Dieser Vertrag wurde unter Beteiligung und Zustimmung der A geschlossen. Als Kaufpreis wurde Y DM vereinbart. Davon hatte die B einen Teilbetrag unmittelbar an die A zu entrichten. Der Anspruch der A auf einen zusätzlichen Kaufpreis bei Überschreitung der Bruttogeschoßfläche wurde ,,damit gegenstandslos".
Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) setzte für den Erwerbsvorgang zunächst durch Bescheid vom 27. Januar 1981 Grunderwerbsteuer in Höhe von Z DM fest. Dieser Bescheid erging hinsichtlich der Gegenleistung vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Nach Abschluß des Vertrags zwischen dem Kläger und der B setzte das FA gemäß § 165 Abs. 2 AO 1977 durch endgültigen Steuerbescheid die Grunderwerbsteuer auf Z + W DM fest. Es bezog dabei den von der B an die A zu zahlenden Betrag in die Bemessungsgrundlage mit ein. Durch auf § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 gestützten Änderungsbescheid vom 29. Juni 1983 setzte das FA die Steuer wieder auf Z DM herab. Durch Ergänzungsbescheid vom selben Tag setzte es Grunderwerbsteuer in Höhe von W DM fest. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruch die Klage.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1987, 199). Es war der Auffassung, daß der von der B an die A zu entrichtende Betrag eine nachträgliche Gegenleistung für den Erwerb des Klägers von der A darstelle, die gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 des Hamburgischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG HA) zur Gegenleistung gehöre. Es bestehe ein rechtlicher Zusammenhang zu dem ursprünglichen Erwerbsvorgang.
Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt der Kläger, unter Aufhebung des Urteils des FG den Steuerbescheid vom 29. Juni 1983 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage.
Der Steuerbescheid vom 29. Juni 1983 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind ersatzlos aufzuheben, da keine zusätzliche Gegenleistung i. S. des § 21 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG HA vorliegt.
Als Gegenleistung kommt jede Leistung in Betracht, die der Erwerber aufwenden muß oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. November 1980 II R 28/75, BFHE 132, 111, BStBl II 1981, 174). Auch Leistungen, die ein anderer als der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer für die Grundstücksüberlassung an den Erwerber gewährt, sind der Gegenleistung hinzuzurechnen (§ 21 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG HA). Auch nachträgliche Gegenleistungen, die zusätzlich zu der beim Erwerbsvorgang vereinbarten gewährt werden, sind miteinzubeziehen (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG HA).
Die nachträgliche Gegenleistung kann zwar mit dem Grundstückserwerb nicht mehr kausal verknüpft sein - wie dies für die ursprünglich vereinbarte Gegenleistung erforderlich ist (vgl. BFH-Entscheidung vom 25. Januar 1989 II R 28/86, BStBl II 1989, 466) -, zwischen ihr und dem Grundstückserwerb muß jedoch ein rechtlicher Zusammenhang bestehen. Nur dann liegt eine (nachträgliche) Aufwendung für den Erwerb des Grundstücks vor (BFH-Entscheidung vom 12. Dezember 1979 II R 15/76, BFHE 129, 280, BStBl II 1980, 162). Ein derartiger rechtlicher Zusammenhang besteht dann, wenn sich bereits aus dem Kaufvertrag - sei es unmittelbar oder über allgemeine Rechtsgrundsätze (z. B. Treu und Glauben) - ein Anspruch auf die spätere zusätzliche Leistung ableiten läßt. Bei einem bereits abgewickelten Geschäft kann sich der rechtliche Zusammenhang auch daraus ergeben, daß bestehende rechtliche Zweifel an dessen Wirksamkeit vergleichsweise durch Zahlung eines zusätzlichen Entgelts ausgeräumt werden. Ein rechtlicher Zusammenhang zum ursprünglichen Geschäft besteht jedoch dann nicht mehr, wenn die neue Leistung gewährt wird, um eine Weiterveräußerung des Grundstücks zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn sich für den ursprünglichen Veräußerer die Möglichkeit zur Verhinderung der Weiterveräußerung aus dem ursprünglichen Rechtsgeschäft ergibt (z. B. vereinbartes Wiederkaufsrecht zugunsten des ursprünglichen Veräußerers; vgl. BFHE 129, 280, BStBl II 1980, 162).
Ein derartiger rechtlicher Zusammenhang zwischen der neu vereinbarten Leistung und dem ursprünglichen Erwerbsvorgang besteht im vorliegenden Fall nicht. Die gegenteilige Auffassung des FG beruht auf einer Verkennung des geschilderten Begriffs des rechtlichen Zusammenhangs. Das FG hat keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen, die darauf hinweisen, daß sich ein Rechtsanspruch auf Vereinbarung der neuen Leistung aus dem ursprünglichen Vertrag ableiten ließe oder daß rechtliche Zweifel an dessen Wirksamkeit bestanden hätten, die durch die neue Leistung vergleichsweise ausgeräumt worden wären. Das FG stützt sich vielmehr ohne Einschränkung auch auf eine Zeugenaussage, nach der die neue Leistung gewährt wurde ,,für die Zustimmung zum Weiterverkauf der Grundstücke". Daraus ergibt sich jedoch gerade - wie dargelegt - kein rechtlicher Zusamenhang mehr zum ursprünglichen Kaufvertrag. Die Feststellung des FG, die zusätzliche Zahlung sei nicht erfolgt für einen Verzicht auf Ausübung des Wiederkaufs- bzw. Ankaufsrechts oder einen Verzicht auf die Geschoßflächenbegrenzung stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Auch die Tatsache, daß die A im Ergebnis mit der neuen Leistung den Mehrerlös des Klägers aus der Weiterveräußerung abschöpfte, führt nicht zu einem rechtlichen Zusammenhang in dem geschilderten Sinne. Die A hatte keinen Rechtsanspruch aus dem Vertrag auf die Abschöpfung des ,,Spekulationsgewinns". Der Vertrag gab ihr allerdings insgesamt eine Rechtsposition, die es ihr ermöglichte, die vom Kläger beabsichtigte Weiterübertragung zu verhindern (schuldrechtliches Zustimmungserfordernis zu einer Weiterveräußerung). Diese Rechtsmacht zur Verhinderung der Weiterveräußerung wurde ihr durch die neue Leistung ,,abgekauft". Darin ist jedoch kein rechtlicher Zusammenhang in dem geschilderten Sinne zum ursprünglichen Kaufvertrag mehr zu sehen. Eine zusätzliche Gegenleistung liegt daher nicht vor.
Der angefochtene Steuerbescheid ist materiell rechtswidrig und daher aufzuheben. Über die vom FG angesprochenen Verfahrensrechtsfragen braucht daher nicht mehr entschieden zu werden.
Die Sache ist spruchreif. Der Senat konnte deshalb in der Sache entscheiden (§ 126 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen
Haufe-Index 416512 |
BFH/NV 1990, 592 |