Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Auch geringfügige Forderungen müssen aktiviert werden.
2. Gegen einen Vorbescheid des FG kann der Unterliegende, statt den Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen, Revision einlegen, auch wenn die Frist des § 90 Abs. 3 Satz 2 FGO noch nicht abgelaufen ist.
Normenkette
EStG §§ 5, 6/1/2; FGO § 90 Abs. 3 S. 2, § 115
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (KG) ermittelte ihren Gewinn für das Jahr 1964 durch Vermögensvergleich. Streitig ist, ob sie in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1964 Ansprüche auf Umsatzsteuervergütung nach § 23 UStG aktivieren mußte. Das FA war dieser Ansicht.
Einspruch und Berufung der KG blieben ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision der KG ist zulässig. Das FG entschied durch Vorbescheid. Es ließ die Revision für den Fall zu, "daß der Vorbescheid als Urteil wirkt". Da der Vorbescheid am 12. November 1966 zugestellt und kein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt wurde, trat diese Wirkung mit Ablauf des 12. Dezember 1966 ein (§ 90 Abs. 3 FGO, §§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB). Die KG legte schon am 23. November 1966 Revision ein. Nach § 115 Abs. 1 FGO ist die Revision nur zulässig gegen "Urteile". Es ließe sich danach die Auffassung vertreten, eine Revision könne nicht eingelegt werden, bevor nicht der Vorbescheid zum Urteil geworden sei. Diese Auslegung erscheint indessen zu formalistisch. Es besteht keine Veranlassung, das Wahlrecht der durch einen Vorbescheid benachteiligten Partei zu beschränken, entweder eine mündliche Verhandlung vor dem Gericht des Vorbescheids zu beantragen oder den Vorbescheid zum Urteil werden zu lassen und Revision einzulegen. Den ersteren Weg wird diese Partei besonders dann wählen, wenn noch Sachfragen zu klären sind, den zweiten, wenn es sich nur um Rechtsfragen handelt. Die Partei kann diese Wahl treffen, sobald ihr der Vorbescheid zugestellt ist. Legt sie Revision ein, so verzichtet sie damit auf ihren Anspruch auf eine mündliche Verhandlung. Es wäre nicht zu rechtfertigen und läge auch nicht im Interesse einer Beschleunigung des Verfahrens und damit des baldigen Eintritts des Rechtsfriedens zu verlangen, daß die Partei zunächst einen Monat abwarte, um dann die von Anfang an von ihr beabsichtigte Revision einzulegen. Der Grundsatz, daß von einem Rechtsbehelf erst dann Gebrauch gemacht werden kann, wenn die anzugreifende Entscheidung bekanntgegeben worden ist, greift hier nicht durch. Er soll gewährleisten, daß nur sachgemäße Rechtsbehelfe eingelegt werden, was im allgemeinen erst möglich ist, wenn die Begründung der Entscheidung bekannt ist.
Die für den Verwaltungsprozeß abweichende Ansicht von Ule (Verwaltungsprozeßrecht, 4. Aufl. S. 208) hat schon deshalb für das finanzgerichtliche Verfahren keine Bedeutung, weil ein im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergangener Vorbescheid, gegen den nicht mündliche Verhandlung beantragt wird, zum rechtskräftigen Urteil wird (§ 84 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Damit wird der Antrag auf mündliche Verhandlung zum einzigen Rechtsbehelf. Wählt man ihn nicht, so ist die Revision ausgeschlossen.
2. Die Revision ist indessen nicht begründet. Der Senat entschied in dem Urteil IV 291/65 vom 28. September 1967 (BStBl III 1967, 763), daß Ansprüche auf Ausfuhrvergütung und Ausfuhrhändlervergütung immer im Zeitpunkt der Bewirkung der Ausfuhr zu aktivieren sind, und zwar selbst dann, wenn die Vergütung nach vereinnahmten Entgelten gewählt wurde. Auf dieses Urteil wird verwiesen. Insoweit erhebt auch die KG keine Einwendungen.
Es ist rechtsirrig, wenn die KG glaubt, geringfügige Forderungen brauchten nicht aktiviert zu werden. Dieser Satz findet im Gesetz keine Stütze. Seine Anerkennung würde schließlich dazu führen, daß kleine Forderungen überhaupt nicht mehr aktiviert würden, damit in der Bilanz nicht mehr in Erscheinung träten und der Kontrolle von vornherein entzogen wären. Selbst da, wo das Gesetz etwas ähnliches zuläßt, wie es der KG vorschwebt, nämlich in § 6 Abs. 2 EStG, können zwar geringwertige bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Jahr der Herstellung als Betriebsausgaben voll abgeschrieben werden, sie müssen aber dennoch ausgewiesen werden.
Die Rechtsprechung macht allerdings vom Zwang zum bilanzmäßigen Ausweis Ausnahmen. So sprach der Senat in dem Urteil IV 432/56 U vom 19. Dezember 1957 (BFH 66, 414, BStBl III 1958, 162) aus, daß der Grundsatz der periodengerechten Gewinnabgrenzung nicht überspannt werden dürfe. In dem Urteil I 189/60 U vom 15. November 1960, (BFH 72,126, BStBl III 1961, 48) ist ausgeführt, die Grundsätze der dynamischen Bilanz dürften bei Beträgen, die sich auf das Ergebnis des Wirtschaftsjahres nur unwesentlich auswirkten, im Interesse einer angemessenen Vereinfachung der Buchführung nicht überspannt werden. In dem damals behandelten Falle wäre allerdings eine schwierige Berechnung erforderlich gewesen. So entschied auch der I. Senat des BFH in dem Urteil I 290/56 U vom 13. Mai 1958 (BFH 67, 154, BStBl III 1958, 331), der Kaufmann brauche zwar nicht jede Ausgabe daraufhin zu untersuchen, ob und mit welchem Anteil sie sich möglicherweise auf den Ertrag der folgenden Wirtschaftsjahre auswirken werde. Es entspreche der - im einzelnen aufgeführten - Rechtsprechung, daß eine Pflicht zur Abgrenzung nur dann bestehe, wenn die Zurechnung zu dem Ertrag eines anderen Wirtschaftsjahres eindeutig abgrenzbar und mit dem verursachten Buchungsaufwand unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Betriebs in einem angemessenen Verhältnis stehe. Für einfach zu überblickende Sachverhalte, wie er hier vorliegt, kann dagegen die Ansicht nicht vertreten werden, daß von einer Bilanzierung wegen Geringfügigkeit abgesehen werden könne.
Nicht richtig ist im übrigen die Ansicht der KG, es komme, wenn das FA eine geringfügige änderung der Bilanz fordere, darauf an, ob bei dieser änderung Mehrarbeit verursacht würde. Es ist vielmehr darauf abzustellen, ob die richtige Bilanzierung, die das FA immer verlangen darf, bei Aufstellung DER Bilanz unverhältnismäßige Schwierigkeiten gemacht hätte. Das ist hier nicht der Fall.
Unter diesen Umständen braucht nicht erörtert zu werden, ob eine geringfügige Auswirkung dann vorliegt, wenn sie im Zusammenhang mit anderen änderungen insgesamt zu einer wesentlichen änderung führt.
Fundstellen
Haufe-Index 412778 |
BStBl III 1967, 761 |
BFHE 1968, 72 |
BFHE 90, 72 |
BB 1967, 1367 |
DB 1968, 201 |
DStR 1967, 742 |