Leitsatz (amtlich)
1. Die Bescheinigung der zuständigen Landesstelle nach § 9 Abs.2 MGVO über das Vorliegen einer besonderen Situation des Milcherzeugers ist ein Grundlagenbescheid im Verhältnis zur Feststellung der Anlieferungs-Referenzmenge (Milchquote) durch das HZA. Das gilt auch für den Bescheid der zuständigen Landesstelle, mit dem die Ausstellung einer solchen Bescheinigung verweigert wird.
2. Für Landwirte, die wegen der Inanspruchnahme einer Umstellungsprämie im Vergleichsjahr keine Milch erzeugt haben (Nichtvermarkter), darf das HZA ohne Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung der zuständigen Landesstelle keine Referenzmenge festsetzen. Der Einwand, es verstoße gegen höherrangiges Recht, daß für solche Nichtvermarkter keine Härtefallregelung vorgesehen sei, greift im Rahmen der Anfechtung des negativen Referenzmengenfeststellungsbescheides des HZA (Folgebescheid) nicht durch; er ist im Rahmen der Anfechtung des entsprechenden Verwaltungsakts der zuständigen Landesstelle (Grundlagenbescheid) vorzubringen und zu prüfen.
Orientierungssatz
1. Die Tätigkeit der Landesstellen bei der Ausstellung der Bescheinigungen nach § 9 Abs. 2 MGVO begründet keine sog. Mischverwaltung von Bundesbehörden und Landesbehörden und läßt infolgedessen die alleinige Verwaltungskompetenz der Bundesfinanzbehörden für die Erhebung der Abgabe nach der Milchgarantiemengenregelung unberührt. Die Bescheinigungen der Landesstellen dienen allein der Vorbereitung der Abgabenerhebung.
2. Der Beurteilung des Gerichts unterliegt in einem Verfahren, in dem es allein um den Folgebescheid geht, eine Rechtsfrage nicht, die allein den Grundlagenbescheid betrifft. Das gilt auch dann, wenn es sich dabei um Grundsatzfragen handelt.
3. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 MGVO ist eine Bescheinigung der Landesstelle zwingend erforderlich "im Fall eines außergewöhnlichen Ereignisses im Sinne der in § 1 genannten Rechtsakte", d.h. insbesondere i.S. der Art. 3 und 4 VO (EWG) Nr. 854/84. Diese Regelung beschränkt das Bescheinigungserfordernis nicht auf bestimmte ausdrückliche und abschließend dargestellte Regelungen des Gemeinschaftsrechts. Sie ist vielmehr anwendbar auf jede --auch ungeschriebene, durch Auslegung dem Recht zu entnehmende oder über die Gerichte unter Berufung auf Verfassungsrecht zu erstreitende-- gemeinschaftliche Regelung, die für ein außergewöhnliches Ereignis eine besondere Referenzmengenzuteilung vorsieht.
Normenkette
EWGV 854/84 Art. 3; GG Art. 108 Abs. 1, 4; MOG § 8 Abs. 2; AO 1977 § 171 Abs. 10, § 351 Abs. 2; FGO § 42; EWGV 854/84 Art. 4; MilchGarMV § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 3
Verfahrensgang
FG Hamburg (Entscheidung vom 15.01.1986; Aktenzeichen IV 249/85 N) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Landwirt. In den Jahren 1978 bis 1980 erzeugte er Milch. Wegen Erkrankung stellte er 1980 die Milchproduktion ein. Auf Antrag erhielt er eine Prämie für die Umstellung des Milchkuhbestandes auf Rindvieh zur Fleischerzeugung; dafür verpflichtete er sich, bis 25.Mai 1985 keine Milch zu erzeugen. Der Kläger beabsichtigt, die Milchproduktion wieder aufzunehmen; er begründet das damit, daß die Viehhaltung zur Fleischerzeugung ihm kein Auskommen sichere.
Der Kläger beantragte im Mai 1985 bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--), für ihn eine Anlieferungs-Referenzmenge nach der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGVO) von 70 000 kg festzusetzen. Nachdem die zuständige Landesstelle die Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung nach § 9 Abs.2 MGVO durch (mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen) Bescheid vom 24.Mai 1985 abgelehnt hatte, setzte das HZA mit Bescheid vom 19.August 1985 die Referenzmenge auf 0 kg fest. Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage beantragte der Kläger, unter Aufhebung dieses Bescheids und der Einspruchsentscheidung das HZA zu verpflichten, eine Anlieferungs-Referenzmenge für Milch in Höhe von 70 000 kg festzusetzen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Urteil vom 15.Januar 1986 IV 249/85 N, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1986, 460).
Mit seiner Revision macht der Kläger im wesentlichen folgendes geltend: Die Landwirtschaftskammer sei nur in eng begrenzten Fällen für die Erteilung gewisser Bescheinigungen zuständig. Im vorliegenden Fall lägen die besonderen Situationen nach § 9 Abs.2 Nr.1 bis 6 MGVO nicht vor. Für die Festsetzung der Referenzmengen sei die Finanzverwaltung zuständig. Die Festsetzung der Referenzmenge auf Null verletze Art.2 Abs.1, Art.3 Abs.1, Art.12 Abs.1, Art.14 Abs.1, Art.19 und 20 Abs.3 des Grundgesetzes (GG).
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das HZA ist zur Festsetzung einer Anlieferungs-Referenzmenge im beantragten Umfang für den Kläger nicht verpflichtet.
1. Das HZA ist zur Feststellung einer höheren als der nach § 4 MGVO vorgesehenen Referenzmenge im Falle einer bestimmten besonderen Situation --außergewöhnliches Ereignis (vgl. Art.3 und 4 der Verordnung (EWG) Nr.854/84 --VO Nr.854/84-- des Rates vom 31.März 1984, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 90/13, Art.3 der Verordnung (EWG) Nr.1371/84 --VO Nr.1371/84-- der Kommission vom 16.Mai 1984, ABlEG L 132/11, §§ 6, 9 Abs.2 MGVO)-- nur befugt, wenn der Antragsteller durch Vorlage einer Bescheinigung der zuständigen Landesstelle nachweist, daß eine solche Situation vorliegt. Diese Vorlage ist materiell-rechtliche Voraussetzung für die entsprechende Feststellung der Referenzmenge. Das hat der Senat wiederholt entschieden (Beschluß vom 17.Dezember 1985 VII B 116/85, BFHE 145, 289, 293; Urteil vom 15.April 1986 VII R 106,107,138,139/85, BFHE 146, 298, 299). Der Senat verweist auf die Begründung dieser Entscheidungen. Ebenso hat die Vorinstanz entschieden. Sie hat diese Auffassung in einer weiteren Entscheidung bestätigt (FG-Urteil vom 30.April 1986 IV 285/85 N, EFG 1986, 507). Das FG Rheinland-Pfalz hat sich mit Beschluß vom 26.Mai 1986 3 V 7/86 (EFG 1986, 461) dieser Auffassung angeschlossen.
Der Kläger beruft sich demgegenüber auf die Rechtsprechung des FG München (Beschlüsse vom 10.September 1985 und vom 11.Juni 1986 III 47/85 Aus Z, eA, EFG 1985, 618 und Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1986, 278, 281 ff.). Nach diesen Entscheidungen hält es das FG München für zweifelhaft, ob die Landwirtschaftsstellen des Landes sachlich befugt seien, durch Erteilung von Bescheinigungen nach § 9 Abs.2 MGVO mit Bindungswirkung für die HZÄ darüber zu entscheiden, in welcher Höhe einem Antragsteller eine zusätzliche Referenzmenge zustehe. Das FG München geht dabei aber zu Unrecht davon aus, eine entsprechende Mitwirkung der Landesstellen im Rahmen der Milchgarantiemengenregelung sei Teilhabe an der Finanzverwaltung i.S. des Art.108 Abs.1 Satz 1 GG und müsse daher durch formelles Gesetz geregelt werden (Art.108 Abs.4 GG). Durch ihre Einschaltung im Bescheinigungsverfahren nach § 9 Abs.2, § 10 Abs.3 MGVO nehmen die Landesstellen jedoch nicht an der Finanzverwaltung (der Verwaltung von Abgaben im Rahmen der EG) teil.
Wie der Senat im Urteil in BFHE 146, 298, 299 ausgeführt hat, unterscheidet die MGVO deutlich das Bescheinigungsverfahren von dem eigentlichen Besteuerungsverfahren. Die Steuerbescheide (Referenzmengenfeststellung, Abgabenfestsetzung) sind allein den Bundesfinanzbehörden vorbehalten. Bei der Ausstellung der in § 9 Abs.2 MGVO vorgesehenen Bescheinigungen spielen dagegen eigentliche abgabenrechtliche Fragen keine Rolle. Die zuständigen Landesstellen haben lediglich neben Rechtsfragen der Garantiemengenregelung landwirtschaftliche Sachverhalte, örtliche Verhältnisse und Landwirtschaftsrecht zu beurteilen, wozu sie sachlich-fachlich eher kompetent sind als die HZÄ. Die Bescheinigungen der Landesstellen dienen also, wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat, allein der Vorbereitung der Abgabenerhebung. Die Tätigkeit der Landesstellen bei ihrer Ausstellung begründet daher keine sog. Mischverwaltung von Bundes- und Landesbehörden und läßt infolgedessen die alleinige Verwaltungskompetenz der Bundesfinanzbehörden für die Erhebung der Abgabe nach der Milchgarantiemengenregelung unberührt.
Die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigt ein Blick auf parallele Regelungen im Steuerrecht, in denen die Mitwirkung von Landesbehörden bei der Steuererhebung vorgesehen ist. Zu nennen sind z.B. die Bescheinigungen nach § 6b Abs.1 Satz 2 Nr.5, § 6d Abs.3 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die Ausstellung des Anerkennungsbescheides nach §§ 83, 93 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes --II.WoBauG-- (vgl. BFH-Urteil vom 18.April 1980 III R 34/78, BFHE 130, 441, BStBl II 1980, 682) oder die (für die Steuerbehörden ebenfalls bindenden) Feststellungen der Zulassungsbehörden über die Schadstoffarmut eines PKW (vgl. § 2 Abs.2 Satz 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1979 --KraftStG 1979-- i.d.F. des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der schadstoffarmen PKW vom 22.Mai 1985, BGBl I 1985, 784, BStBl I 1985, 211). Es ist einhellige Meinung, daß solche Bescheinigungen (Bescheide), obwohl für die Finanzbehörden verbindlich, keine Akte des Steuerverfahrens sind und sie daher nur im Verwaltungsrechtsweg angegriffen werden können (BFHE 146, 298, 300 ff., mit Hinweisen auf das Schrifttum). Sie sind "rechtlich selbständige Mitwirkungsakte gegenüber dem Steuerfestsetzungsverfahren des Finanzamts" (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 3.Dezember 1976 VII C 75.74, BStBl II 1977, 300, 302).
Diese rechtliche Qualifizierung der Mitwirkungsakte der Landesbehörden bei der Steuererhebung ist entgegen der Auffassung des FG München (a.a.O.) nicht deswegen unrichtig, weil es sich in den genannten Fällen um eine gesetzliche Regelung handelt. Allein daraus kann noch nicht geschlossen werden, es liege eine Regelung i.S. des Art.108 Abs.4 GG über ein Zusammenwirken von Bundes- und Landesfinanzbehörden bei der Verwaltung von Steuern i.S. des Art.108 Abs.2 GG vor. Überdies kennt, worauf die Vorinstanz zu Recht hingewiesen hat, das Einkommensteuerrecht auch Bescheinigungsverfahren unter Mitwirkung von Landesstellen, die im wesentlichen auf einer Verordnung beruhen (§ 33b EStG i.V.m. § 65 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV--; vgl. auch das zitierte Urteil des BVerwG in BStBl II 1977, 300, 302). Gleiches gilt im Kraftfahrzeugsteuerrecht (vgl. z.B. § 23 Abs.7 und 8 der Straßenverkehrs- Zulassungs-Ordnung --StVZO-- i.V.m. § 2 Abs.2 Satz 2, §§ 3b, 3c KraftStG 1979). Folgte man der Auffassung des FG München, so wären diese Regelungen rechtlich bedenklich.
2. Das Fehlen einer entsprechenden Bescheinigung der zuständigen Landesstelle stünde einer Verpflichtung des HZA im Sinne des Klageantrags indessen nicht entgegen, wenn im konkreten Fall nach der Regelung der MGVO die Vorlage einer Bescheinigung nicht Voraussetzung für eine entsprechende Referenzmengenfeststellung wäre. Dieser Auffassung sind übereinstimmend die Beteiligten (vgl. auch den Beschluß des FG München, ZfZ 1986, 278, 282). Sowohl der Kläger als auch das HZA sind der Meinung, daß es der Vorlage einer Bescheinigung nur in den abschließend aufgezählten Tatbeständen der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Vorschriften bedürfe, jedoch nicht in einem Fall wie dem vorliegenden, für den weder das Gemeinschaftsrecht noch das nationale Recht eine Härtefallregelung vorsehe; in einem solchen Fall müsse es bei der Zuständigkeit der Bundesfinanzverwaltung verbleiben. Der Senat teilt diese Auffassung nicht.
Nach § 9 Abs.2 Nr.1 MGVO ist eine Bescheinigung zwingend erforderlich "im Fall eines außergewöhnlichen Ereignisses im Sinne der in § 1 genannten Rechtsakte", d.h. insbesondere i.S. der Art.3 und 4 VO Nr.854/84. Diese Regelung beschränkt das Bescheinigungserfordernis nicht auf bestimmte ausdrückliche und abschließend dargestellte Regelungen des Gemeinschaftsrechts. Sie ist vielmehr anwendbar auf jede --auch ungeschriebene, durch Auslegung dem Recht zu entnehmende oder über die Gerichte unter Berufung auf Verfassungsrecht zu erstreitende-- gemeinschaftsrechtliche Regelung, die für ein außergewöhnliches Ereignis eine besondere Referenzmengenzuteilung vorsieht. Die Argumentation des Klägers, mit der er das Bestehen der Pflicht des HZA begründet, ihm als Nichtvermarkter eine bestimmte Referenzmenge zuzuteilen, enthält gerade die Behauptung, in Anwendung insbesondere von Verfassungsgrundsätzen sei davon auszugehen, es bestehe eine auf ihn anwendbare Härtefallregelung für Nichtvermarkter. Trifft diese Auffassung des Klägers zu, so liegt der Fall "eines außergewöhnlichen Ereignisses im Sinne der in § 1 genannten Rechtsakte" nach der Regelung des § 9 Abs.2 Nr.1 MGVO vor, d.h. bedarf es zur entsprechenden Referenzmengenfeststellung durch das HZA einer Bescheinigung der zuständigen Landesstelle.
Diese Auslegung des § 9 Abs.2 Nr.1 MGVO ist auch sinnvoll. Die Frage, ob das Fehlen einer Härtefallregelung für Selbstvermarkter gegen gemeinschaftsrechtliche Verfassungsgrundsätze oder den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) verstößt, liegt dem EuGH zur Entscheidung vor (Vorabentscheidungsersuchen des FG Hamburg vom 26.Juni 1986 IV 70/86 H, ABlEG 1986 C 215/2, und Vorabentscheidungsersuchen eines niederländischen Gerichts vom 14.März 1986, ABlEG 1986 C 169/6). Falls der EuGH die auch vom Kläger vorgetragenen verfassungsrechtlichen Argumente für stichhaltig hält, könnte seine Entscheidung --da mehrere Gestaltungsmöglichkeiten der vermißten Härtefallregelung denkbar sind-- nur so aussehen, daß er feststellt, der gemeinschaftsrechtliche Gesetzgeber habe unter Verstoß gegen höherrangiges Recht es unterlassen, eine entsprechende Härtefallregelung vorzusehen, und den zuständigen Organen der Gemeinschaft den Auftrag gibt, eine entsprechende Regelung zu schaffen (vgl. auch EuGH-Urteil vom 19.Oktober 1977 Rs.117/76 und 16/77, EuGHE 1977, 1753, 1771; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 28.November 1967 1 BvR 515/63, BVerfGE 22, 349, 360 ff.; Senatsbeschluß in BFHE 145, 289, 293 ff.; Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art.3 Abs.1 Anm.350 ff.). Es ist vorauszusehen, daß in Anbetracht von Sinn und Zweck der Milchgarantiemengenregelung und der besonderen Situation der Nichtvermarkter eine solche --im Falle einer entsprechenden Entscheidung des EuGH erst noch zu treffende-- Härtefallregelung sicherlich nicht auf gewisse agrarspezifische Beschränkungen und Kautelen verzichten könnte (z.B. der Betrieb läßt andere als milchwirtschaftliche Nutzung nicht zu; es handelt sich um einen kleinbäuerlichen Betrieb; die Futtermittel stammen vom eigenen Grund; Festlegung der Höhe der vom Normalfall abweichenden Milchquote nach betriebsspezifischen Maßstäben). Das belegt auch der Beschluß des FG München in ZfZ 1986, 278; das FG München ist danach offenbar der Ansicht, daß nur Nichtvermarkter, die bestimmte landwirtschaftliche Voraussetzungen erfüllen, von Verfassungs wegen in den Genuß einer Härtefallregelung gelangen müßten. Die besondere Fachkompetenz und Kenntnis der örtlichen Verhältnisse, die Grund für die Einschaltung der Landwirtschaftsbehörden in die Garantiemengenregelung ist, wäre deswegen besonders gefragt.
3. Eine Bescheinigung der zuständigen Landesstelle liegt hier nicht vor. Der Kläger kann auch, wie das FG zu Recht entschieden hat, seine Klage nicht darauf stützen, daß die Landesstelle eine Bescheinigung mit dem beantragten Inhalt hätte ausstellen müssen.
a) Nach der zitierten Rechtsprechung des Senats ist die Vorlage der Bescheinigung, soweit wie hier die MGVO ihre Vorlage vorsieht, materiell-rechtliche Voraussetzung für eine entsprechende Referenzmengenfeststellung. Das ist insbesondere aus § 10 Abs.3 Satz 2 MGVO zu entnehmen. Diese Bescheinigung --die ein Verwaltungsakt der zuständigen Landesstelle ist (vgl. auch BFHE 146, 298)-- ist also für das HZA bindend. Sie ist infolgedessen als ein Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs.10 der Abgabenordnung (AO 1977) anzusehen. Diese Vorschrift ist hier --wie auch die übrigen Regelungen der AO 1977-- entsprechend anzuwenden (§ 8 Abs.2 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen --MOG-- a.F. = § 8 Abs.1 MOG n.F.; vgl. Beschluß des Senats vom 16.Juli 1985 VII B 53/85, BFHE 143, 523, 526, BStBl II 1985, 553). Dem steht nicht entgegen, daß es sich bei dieser Bescheinigung nicht um einen Verwaltungsakt einer Finanzbehörde handelt (Urteil in BFHE 130, 441, BStBl II 1980, 682; Urteil des FG Hamburg vom 9.Oktober 1985 IV 221/85 N, EFG 1986, 79; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12.Aufl., § 171 AO 1977 Anm.30 mit Hinweisen). Daß der Referenzmengenfeststellungsbescheid im Verhältnis zum Abgabenbescheid ein Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs.10 AO 1977 ist (vgl. BFHE 145, 289, 292; BFHE 146, 188, 192), hindert nicht, ihn im Verhältnis zum Verwaltungsakt der Bescheinigung als Folgebescheid zu qualifizieren. Dem Steuerrecht sind Bescheide nicht fremd, die gleichzeitig Folge- und Grundlagenbescheide sind (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., Vor § 179 AO 1977).
b) Nach § 42 der Finanzgerichtsordnung (FGO) können aufgrund der AO 1977 erlassene Folgebescheide nicht in weiterem Umfang angegriffen werden, als sie in dem außergerichtlichen Vorverfahren angefochten werden können. Im außergerichtlichen Vorverfahren können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheides, angegriffen werden (§ 351 Abs.2 AO 1977). Das Vorbringen des Klägers, in Anwendung der Grundsätze der Verfassung bzw. des EWGV müsse von der Existenz einer Härtefallregelung für Nichtvermarkter ausgegangen werden, ist aber in Anbetracht der Regelung der MGVO in der Auslegung des Senats materiell-rechtlich ein Angriff gegen den Bescheid vom 24.Mai 1985, durch den die zuständige Landesstelle die Erteilung einer Bescheinigung abgelehnt hat, d.h. ein Angriff gegen einen Grundlagenbescheid. Denn die Argumentation des Klägers läuft darauf hinaus, die zuständige Landesstelle sei verpflichtet gewesen, eine entsprechende Bescheinigung auszustellen. Da im vorliegenden Fall nur über die Rechtmäßigkeit des Folgebescheides zu urteilen ist, kann der Kläger mit diesen Angriffen im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Das gilt trotz des Umstandes, daß der Kläger sich auf Verfassungsrecht beruft (vgl. BFH-Urteil vom 18.Juli 1973 I R 250/70, BFHE 110, 53, BStBl II 1973, 787).
Zu Unrecht wendet das HZA dagegen ein, für die Bescheidung von Nichtvermarktern sei allein das HZA zuständig, da diese Frage ein Grundsatzproblem der Garantiemengenregelung darstelle. Es verkennt dabei das oben dargestellte Verhältnis von Grundlagen- zu Folgebescheid. Der Beurteilung des Gerichts unterliegt in einem Verfahren, in dem es allein um den Folgebescheid geht, eine Rechtsfrage nicht, die allein den Grundlagenbescheid betrifft. Das gilt auch dann, wenn es sich dabei um Grundsatzfragen handelt.
c) Der Senat braucht sich nicht mit der Frage zu befassen, ob er anders zu entscheiden hätte, wenn dadurch der Rechtsschutz der Betroffenen grundsätzlich beschnitten würde. Eine solche Beschneidung läge vor, wenn sich die konkrete Gefahr eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen den Verwaltungsgerichten (VG) und den FG ergäbe, wenn also die VG grundsätzlich der Auffassung wären, die zuständigen Landesstellen seien zur Erteilung von Bescheinigungen in von der Garantiemengenregelung nicht vorgesehenen Härtefällen nicht verpflichtet und die VG daher nicht kompetent, über die aufgeworfenen Verfassungsfragen zu entscheiden. Dieser Fall ist hier aber nicht gegeben. So hat z.B. das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg mit Beschluß vom 6.Juni 1986 3 OVG B 85/86 - 911 entschieden, die Landesstellen seien zur Bescheinigung einer "besonderen Situation" auch in anderen als den in § 9 Abs.2 MGVO ausdrücklich genannten Fällen zuständig und die Nichtberücksichtigung der Milcherzeuger, die im Referenzzeitraum an einer Nichtvermarktungsaktion teilgenommen hätten, im Rahmen der Härtefallregelungen für die Gewährung einer besonderen Anlieferungs-Referenzmenge verstoße nicht gegen Art.3 GG oder gegen Art.39, 40 EWGV (Agrarrecht --AgrarR-- 1986, 256; vgl. auch Urteile des VG Schleswig vom 1.August 1985 1 A 148/84 und vom 19.September 1985 1 A 187/85, AgrarR 1986, 75).
4. Da es an einer Rechtsgrundlage für die begehrte Verpflichtung des HZA fehlt, hat das FG insoweit die Klage zu Recht abgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 61188 |
BFHE 148, 84 |
BFHE 1987, 84 |
HFR 1987, 138-139 (ST) |