Entscheidungsstichwort (Thema)
Pkw-Unfallschaden bei Fahrt zu einer Betriebsveranstaltung
Leitsatz (NV)
Aufwendungen für die Beseitigung eines Unfallschadens an dem privaten Pkw eines Arbeitnehmers sind Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn der Unfall auf der Fahrt zu einer vom Arbeitgeber durchgeführten Betriebsveranstaltung (Jahresjubilarfeier) eingetreten ist.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, §§ 12, 19 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) machte in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1988 bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Kosten zur Beseitigung eines Unfallschadens an seinem Pkw als Werbungskosten geltend. Der Unfall hatte sich auf der Fahrt des Klägers mit dem eigenen Pkw zu der von seinem Arbeitgeber veranstalteten Jahresjubilarfeier in der Stadthalle ereignet. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) erkannte insoweit keine Werbungskosten an. Er vertrat die Ansicht, es handele sich um Aufwendungen i. S. von § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte aus: Es habe sich bei der Jahresjubilarfeier um eine vom Arbeitgeber organisierte Betriebsveranstaltung gehandelt. Eine solche Veranstaltung erlange nach zutreffender Auffassung bereits durch die tragende Autorität und Initiative des Arbeit gebers einen vergleichsweise engen Bezug zum Arbeitsverhältnis der jeweiligen Teilnehmer. Auch das Bundessozialgericht vertrete die Ansicht, eine Gemeinschaftsveranstaltung mit dem Ziel, die Verbundenheit von Betriebsleitung und Belegschaft zu fördern, müsse dem Betrieb zugerechnet werden und die Teilnahme daran einer Betriebstätigkeit gleichgesetzt werden (Urteil vom 22. August 1955 2 RU 49/54, Neue Juristische Wochenschrift 1956, 526). Im Streitfall lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Veranstaltung den üblichen Rahmen von Betriebsveranstaltungen überschritten oder nur einer willkürlich begrenzten Anzahl von Teilnehmern offengestanden hätte.
Das FA stützt seine Revision auf eine Verletzung des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG sowie auf eine Divergenz zu der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wie z. B. in den Urteilen vom 4. Dezember 1992 VI R 59/92 (BFHE 170, 131, BStBl II 1993, 350), vom 12. Dezember 1991 IV R 58/88 (BFHE 167, 46, BStBl II 1992, 524), vom 27. April 1990 VI R 54/88 (BFH/NV 1991, 85) und vom 8. März 1990 IV R 108/88 (BFH/NV 1991, 436).
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des FG, die Aufwendungen zur Beseitigung des Unfallschadens, der an dem eigenen Pkw des Klägers auf der Fahrt zur Jahresjubilarfeier entstanden ist, seien als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) abzuziehen, läßt einen Rechtsverstoß nicht erkennen.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß ein Arbeitnehmer Aufwendungen für die Beseitigung von Unfallschäden an seinen Pkw dann als Werbungskosten abziehen kann, wenn sie auf einer beruflichen, d. h. durch das Arbeitsverhältnis veranlaßten Fahrt entstanden sind. Sie sind hingegen dem Bereich der privaten Lebensführung zuzurechnen, wenn für die Fahrt eine private Mitveranlassung von nicht nur untergeordneter Bedeutung bestanden hat (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1981 VI R 201/78, BFHE 135, 70, BStBl II 1982, 261; vom 31. Januar 1992 VI R 57/88, BFHE 166, 502, BStBl II 1992, 401, 402, unter Nr. 1 der Entscheidungsgründe, m. w. N.).
2. Der Senat teilt die Auffassung des FG, im Streitfall sei die Fahrt des Klägers deshalb beruflich veranlaßt, weil es sich bei der Jahresjubilarfeier um eine betriebliche Veranstaltung gehandelt hat und die Teilnahme an einer solchen für den geehrten Arbeitnehmer seiner sonstigen beruflichen Tätigkeit gleichzusetzen und nicht seiner privaten Sphäre i. S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzuordnen ist.
Soweit das FA eine erhebliche private Mitveranlassung der Fahrt zur Jahresjubilar feier wegen der Teilnahme der Ehepartner annimmt, kann ihm nicht gefolgt werden. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 22. März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529 und VI R 82/83, BFHE 143, 550, BStBl II 1985, 532; vom 18. März 1986 VI R 49/84, BFHE 146, 262, BStBl II 1986, 575, 576; vom 25. Mai 1992 VI R 85/90, BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655) steht die Anwesenheit von Familienmitgliedern der Annahme, es handele sich um eine im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers durchgeführte betriebliche Veranstaltung, nicht entgegen. Das FA hat bei seinem Hinweis auf das Urteil vom 25. März 1993 VI R 58/92 (BFHE 171, 210, BStBl II 1993, 639) nicht berücksichtigt, daß dort nicht die Teilnahme an einer betrieblichen Veranstaltung, sondern an einer Händler-Incentive-Reise zu beurteilen war.
3. Die vom FA geltend gemachte Divergenz liegt nicht vor. Denn im Unterschied zum Streitfall waren in den vom FA angeführten Entscheidungen die das Jubiläum feiernden Arbeitnehmer bzw. Unternehmer selbst die Einladenden. Solche Feiern haben typischerweise einen stärkeren privaten Bezug, als wenn ein Arbeitgeber zur Ehrung der Arbeitnehmer-Jubilare eine betriebliche Veranstaltung durchführt.
Fundstellen
Haufe-Index 65108 |
BFH/NV 1995, 668 |