Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat bleibt bei der bisherigen Rechtsprechung des BFH, daß bilanzierende Kaufleute Kreditbeschaffungskosten (Agio, Disagio, Damnum, Zuteilungsgebühren, Abschlußgebühren) zu aktivieren und während der Laufzeit des Darlehens abzuschreiben haben.
Der Senat schließt sich der Ansicht des I. Senats des BFH (Urteil I 66/61 U vom 19. Dezember 1961, BFH 74, 165, BStBl III 1962, 64) an, daß die auf Grund einer Betriebsprüfung in eine Bilanz eingesetzte Gewerbesteuerrückstellung zu ermäßigen ist, wenn im Rechtsmittelverfahren der gewerbliche Gewinn ermäßigt und damit auch die Gewerbesteuer niedriger wird.
Normenkette
EStG §§ 4-5, 6 Abs. 1 Nrn. 2-3
Tatbestand
Der Stpfl. erhielt für seinen gewerblichen Betrieb mehrere Darlehen. Streitig ist, ob er die bei der Auszahlung der Darlehnssumme einbehaltenen Beträge (Abschluß- und Zuteilungsgebühren) sofort als Betriebsausgabe absetzen kann oder ob er sie zu aktivieren und entsprechend der Laufzeit der Darlehen allmählich abzusetzen hat.
Das FG führte aus, soweit es sich um ein sogenanntes "Disagio" handele, sei der Rechtsprechung des RFH und des BFH (Urteile I A 203/30 vom 21. Juni 1932, RStBl 1932, 717, und I 18/57 U vom 13. August 1957, BFH 65, 304, BStBl III 1957, 349) zu folgen, die nur eine zeitanteilige Absetzung gestatte. Hinsichtlich der Behandlung der sonstigen Nebenkosten könne sich die Kammer jedoch dieser Rechtsprechung nicht anschließen. Diese könnten sofort als Unkosten verbucht werden. Demnach seien - im Gegensatz zur Ansicht des FA - sofort absetzbar der von dem Darlehen A einbehaltene Betrag, den der Stpfl. selbst unzutreffend als "Disagio" bezeichnet habe, der aber in Wirklichkeit mit der Darlehnsbeschaffung und Darlehnsauszahlung verbundene Unkosten habe abgelten sollen, und ferner die Abschlußgebühren für die Darlehen B und C. Nur zeitanteilig absetzbar sei dagegen die Zuteilungsgebühr für das Darlehen B, bei der es sich praktisch um ein Disagio gehandelt habe, weil die Darlehnsgeberin die Gebühr dem Darlehnsbetrag hinzugerechnet und sie ebenso wie das eigentliche Darlehen ratenweise habe tilgen lassen.
Hiergegen haben der Stpfl. und das FA Revision eingelegt, soweit sie jeweils unterlegen sind.
Das FG minderte, nachdem es den gewerblichen Gewinn niedriger angesetzt hatte als das FA, die vom FA in die Bilanz eingesetzte Gewerbesteuerrückstellung. Hiergegen wendete sich das FA mit der Revision, weil es der Ansicht ist, die Rückstellung sei vom FG falsch berechnet worden.
Entscheidungsgründe
Zu 1. Die Revision des Stpfl. kann nicht zu der von ihm erstrebten Herabsetzung des gewerblichen Gewinns führen, da das FG zutreffend eine Aktivierung der Zuteilungsgebühren für Bauspardarlehen verlangte. Die Revision des FA führt dagegen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil die Abschlußgebühren nicht im Jahre der Darlehnsaufnahme voll als Betriebsausgaben hätten abgesetzt werden dürfen.
Es ist zunächst nicht folgerichtig, wenn das FG für Disagio- und Zuteilungsgebühren eine Aktivierung fordert, für die Abschlußgebühren jedoch die sofortige Absetzung als Betriebsausgaben im Jahre der Darlehnsaufnahme zuläßt. Wie das FA zutreffend ausführt, ist diese Unterscheidung wirtschaftlich nicht gerechtfertigt. Der RFH machte zwar noch in dem Urteil I A 203/30 diese Unterscheidung; doch ist dieses Urteil durch die spätere Rechtsprechung überholt (vgl. das RFH-Urteil VI A 909/33 vom 25. April 1934, RFH Bd. 36 S. 180, RStBl 1934, 945, und das BFH-Urteil I 351/56 U vom 16. September 1958, BFH 67, 492, BStBl III 1958, 462). Auch kommt es nicht darauf an, ob Disagio und Nebenkosten bei der Darlehnshingabe vom Darlehnsgeber zurückbehalten, vom Darlehnsnehmer bei der Darlehnshingabe bezahlt oder während der Laufzeit des Darlehens oder eines Teiles der Laufzeit getilgt werden. Die wirtschaftliche Auswirkung ist für den Darlehnsnehmer die gleiche. Sie belastet ihn im Zusammenhang mit der Darlehnsaufnahme. Insoweit besteht kein Unterschied zwischen einer Darlehnsaufnahme zu privaten oder gewerblichen Zwecken. Es kann daher wegen der Einzelheiten der Begründung auf den Beschluß des Großen Senats Gr. S. 2/64 S vom 6. Dezember 1965 (BFH 84, 399, BStBl III 1966, 144) verwiesen werden.
Der BFH hält Disagio und Nebenkosten bei Darlehen, die bilanzierende Gewerbetreibende aufnehmen, für aktivierungspflichtig. Er schloß sich in den bisher zu dieser Frage veröffentlichten Urteilen I 18/57 U; I 351/56 U; I 272/61 U vom 15. Mai 1963 (BFH 77, 30, BStBl III 1963, 327) dem Urteil des RFH VI A 909/33 an. Diese Rechtsprechung beruht auf folgenden Gedanken. Eine Darlehnsschuld ist in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit ihren Anschaffungskosten zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Der Begriff der Anschaffungskosten ist wirtschaftlich zu bestimmen. Er umfaßt alle Aufwendungen, die der Kaufmann macht, um sich ein Wirtschaftsgut zu beschaffen. Bei der Beschaffung von Kredit gehört also zu den Anschaffungskosten dieses Kredits auch das Aufgeld (oder Abgeld), das der Darlehnsnehmer zahlt. Um eine bestimmte Summe, den sogenannten Verfügungsbetrag, zu erlangen, muß er eine höhere Schuld eingehen. Der Kredit, also das Wirtschaftsgut, das sich der Darlehnsnehmer mit der (höheren) Rückzahlungsverpflichtung erkauft, steht ihm für eine längere Zeit zur Verfügung. Im Sinne einer dynamischen Bilanzauffassung ist der Aufwand daher wirtschaftlich ebensowenig Aufwand nur des Jahres der Schuldaufnahme, wie es bei einem angeschafften Aktivum die Nebenkosten sind. Diese Nebenkosten sind vielmehr bei Passivposten wie bei Aktivposten auf die wirkliche Nutzungszeit des Wirtschaftsguts zu verteilen, falls das Betriebsergebnis nicht verfälscht werden soll.
Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Sie ist nicht durch den genannten Beschluß des Großen Senats des BFH Gr. S. 2/64 S überholt. Der Große Senat weist ausdrücklich am Ende seiner Ausführungen darauf hin, daß das Damnum bei bilanzierenden Gewerbetreibenden anders behandelt werde, als es im Vorlagefalle bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durch den Großen Senat geschah. Er sah darin keinen Verstoß gegen einkommensteuerliche Grundsätze, sondern führte ausdrücklich aus, die verschiedene Behandlung finde ihren Grund in der Systematik des Einkommensteuerrechts, weil nämlich für die Einkünfteermittlung auf Grund einer Bilanz andere Vorschriften gälten als für die Gewinnermittlung, die nur auf tatsächlich erfolgten Einnahmen und Ausgaben aufbaue (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG einerseits und § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG andererseits). Damit ist aber auch der aus dem - übrigens durch die Entscheidung des Großen Senats überholten - Urteil des VI. Senats des BFH VI 62/63 S vom 8. November 1963 (BFH 78, 82, BStBl III 1964, 31) hergeleitete Einwand des Stpfl. widerlegt, auf der Einnahme- und der Ausgabeseite müsse ein Damnum notwendigerweise gleichbehandelt werden. Es ist durchaus möglich, daß ein bilanzierender Kaufmann ein bereits gezahltes, aber wirtschaftlich, d. h. im Sinne der dynamischen Bilanzauffassung noch nicht verbrauchtes Damnum aktivieren muß, während ein Darlehnsgeber, der nicht zu den bilanzierenden Kaufleuten gehört, das Damnum sofort als eingenommen (§ 11 EStG) behandeln darf, wie auch umgekehrt möglich ist, daß ein bilanzierender Darlehnsgeber das Damnum verteilen muß, während es der nicht bilanzierende Darlehnsnehmer als sofortige Ausgabe behandeln kann. Die Frage, wie das Damnum auf der Seite des Kreditgebers zu behandeln ist, hat der Senat im vorliegenden Falle indessen nicht zu entscheiden. Es genügt der Hinweis darauf, daß angesichts des § 11 EStG eine verschiedene Behandlung auf beiden Seiten durchaus systemgerecht sein kann.
Auch aus § 156 Abs. 2 AktG kann der Stpfl. nichts für seinen Standpunkt herleiten. Es heißt zwar dort, daß Verbindlichkeiten mit ihrem Rückzahlungsbetrag anzusetzen seien, und das würde bedeuten, daß das den Verfügungsbetrag übersteigende Damnum sofort als negativer Vermögensteil aufträte. Der Stpfl. übersieht aber, daß in § 156 Abs. 3 AktG für den Fall, daß der Rückzahlungsbetrag höher ist als der Ausgabebetrag, der Unterschied unter die Rechnungsabgrenzungsposten der Aktivseite aufgenommen werden darf. Daraus ergibt sich, daß handelsrechtlich eine Aktivierung des Damnums möglich ist. Steuerrechtlich ist sie aus den geschilderten Gründen geboten (vgl. insoweit auch das Urteil des Senats IV 456/61 U vom 12. März 1964, BFH 80, 138, BStBl III 1964, 525).
Zu 2. Die Revision des FA muß insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.
Das FG ging mit Recht davon aus, daß es die vom Betriebsprüfer gebildete Gewerbesteuerrückstellung neu berechnen müsse, weil sich nach seiner Ansicht ein anderer gewerblicher Gewinn und damit eine andere Gewerbesteuer ergaben. Zwar geben Rechtsprechung und Verwaltung bei Berichtigungsveranlagungen (hier auf Grund einer Betriebsprüfung) dem Kaufmann das Wahlrecht, ob er abzugsfähige Mehrsteuern entweder dem Wirtschaftsjahr belasten will, in dem mit der Nachforderung gerechnet werden kann, oder sie in dem Wirtschaftsjahr zurückgestellt werden sollen, in das sie wirtschaftlich gehören (siehe BFH-Urteil I 66/61 U vom 19. Dezember 1961, BFH 74, 165, BStBl III 1962, 64; EStR 1965 Abschnitt 22 Abs. 3 Nr. 2). Hat aber das FA in der Prüferbilanz eine Rückstellung gebildet und der Kaufmann dem zugestimmt, so kann er nicht beanspruchen, daß zwar eine von ihm angestrebte Herabsetzung des Gewinns erfolgt und damit die Gewerbesteuer geringer wird, aber andererseits die Rückstellung in der alten Höhe bestehenbleibt. Die Herabsetzung und Rückstellung, die sich jeweils nur nach der feststehenden Gewerbesteuerschuld richten kann, sind vielmehr notwendigerweise mit dem Erfolg in der Gewinnfrage gekoppelt. Der Senat teilt insoweit die Ansicht des I. Senats in dem Urteil I 66/61 U, die in die EStR 1965 Abschn. 22 Abs. 3 Nr. 2 Eingang gefunden hat.
Das angefochtene Urteil läßt nicht erkennen, wie das FG die Gewerbesteuerrückstellung berechnete.
Fundstellen
Haufe-Index 412652 |
BStBl III 1967, 670 |
BFHE 1967, 377 |
BFHE 89, 377 |
BB 1967, 1199 |
DB 1967, 1834 |
DStR 1967, 670,711 |