Leitsatz (amtlich)
Wird ein einkommensteuerrechtlich relevanter Betrieb der Land- und Forstwirtschaft von einem bestimmten Zeitpunkt an der Liebhaberei zugeordnet, so ist in dieser Änderung der steuerrechtlichen Beurteilung keine Betriebsaufgabe mit der Folge zu sehen, daß das Betriebsvermögen als unter Auflösung der stillen Reserven in das Privatvermögen überführt angesehen werden müßte.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Steuerpflichtige selbst die Betriebsaufgabe erklärt.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 16 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Kaufmann und Landwirt.
Seit 1934 ist der Kläger Eigentümer des Gutshofes X, den seine Familie seit Generationen bewirtschaftet.
Im Streitjahr 1963 und in den folgenden Jahren bewirtschaftete der Kläger außer dem eigenen Grund und Boden rd. 40 ha Pachtland. Etwa die Hälfte der gesamten Fläche nutzte er als Wiesen und Weiden. Auf dem übrigen Grund und Boden baute er Getreide und bis 1965 Kartoffeln und andere Hackfrüchte an. Von 1963 bis 1972 hielt er auf dem Hof im Durchschnitt 50 Pferde, 50 Milchkühe und Jungvieh und einige Schweine.
Der Kläger ermittelte die Betriebsergebnisse aufgrund einer ordnungsmäßigen Buchführung. Er beschäftigte auf dem Hof einen Verwalter. Für die Feld- und Erntearbeiten verpflichtete er Lohnunternehmer. Bis 1972 war auch ein Melker angestellt.
Der landwirtschaftliche Betrieb bringt seit 1948 Verluste. Lediglich im Wirtschaftsjahr 1960/61 enstand ein Gewinn von 1 973 DM. Von 1948 bis 1962 betrugen die Verluste ohne Sonderabschreibungen jährlich durchschnittlich 43 000 DM. In den folgenden Jahren betrugen sie ein Mehrfaches.
Der Kläger behandelte den Betrieb als landwirtschaftlichen Erwerbsbetrieb. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte zunächst dieser Ansicht und berücksichtigte die Verluste bis zum Veranlagungszeitraum 1967 bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft. Aufgrund der Feststellungen einer 1970 angeordneten Betriebsprüfung behandelte das FA den landwirtschaftlichen Betrieb ab 1. Juli 1963 als Liebhaberei. Es nahm deshalb zum 30. Juni 1963 eine Überführung des Betriebes aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen an und stellte zu diesem Zeitpunkt einen Aufgabegewinn in Höhe von 231 955 DM fest, der im wesentlichen aus den stillen Reserven für das Wohnhaus herrührte.
Im Klageverfahren wandte sich der Kläger gegen die Beurteilung des landwirtschaftlichen Betriebes als Liebhaberei. Er machte außerdem geltend, der Stichtag für die Überführung des Betriebes in das Privatvermögen sei willkürlich gewählt.
Das Finanzgericht (FG) hat über die Organisation, die Ertragslage und die Erfolgsaussichten des landwirtschaftlichen Betriebes ein Sachverständigengutachten eingeholt.
Die Klage hatte in der Streitfrage keinen Erfolg. Aufgrund des Sachverständigengutachtens und unter Berücksichtigung der unstreitigen Verluste teilte das FG die Auffassung des FA, daß es sich bei dem Gutshof des Klägers in den Streitjahren ab 1. Juli 1963 um eine Liebhaberei handle.
Mit der Revision trägt der Kläger vor, nachdem das FG durch Sachverständigengutachten und nach einer Ortsbesichtigung festgestellt habe, daß der landwirtschaftliche Betrieb als Liebhaberei einzustufen sei, solle diese Frage nicht mehr erneut aufgegriffen werden. Die Revision richte sich nur noch gegen die Veranlagung 1963, und zwar gegen die Besteuerung eines Aufgabegewinns in diesem Jahr. Gerügt werde die Verletzung materiellen Rechtes, nämlich der §§ 2 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 6 Nr. 1, 13, 14 und 16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Feststellungen des FG reichten nicht aus, um eine Besteuerung eines Aufgabegewinns im Jahre 1963 zu begründen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. Die in der Revision allein noch streitige Frage der Auflösung der im landwirtschaftlichen Betriebsvermögen steckenden stillen Reserven zum 30. Juni 1963 "wegen Überführung sämtlicher Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen" stellt sich nur, wenn man mit dem FA und dem FG davon ausgeht, daß der landwirtschaftliche Betrieb des Klägers ab 1. Juli 1963 der Liebhaberei zuzuordnen ist und daher die negativen Betriebsergebnisse ab diesem Zeitpunkt steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden können.
Das FG hat sich bei der Entscheidung dieser Frage auf die Grundsätze der Rechtsprechung des BFH gestützt. Nach ihr kommt es für die Abgrenzung zwischen Liebhaberei und einer einkommensteuerrechtlich bedeutsamen Tätigkeit, wie einem Gewerbebetrieb oder einer Land- und Fortswirtschaft, neben der Voraussetzung, daß der Betrieb nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird, entscheidend darauf an, ob der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nachhaltig mit Gewinnen arbeiten kann. Dies erfordert eine in die Zukunft gerichtete Beurteilung, wofür die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen längeren Zeitraumes wichtige Anhaltspunkte bieten. Dauernde Verluste während eines Zeitraumes von - wenn keine besonderen Verhältnisse gegeben sind - etwa acht und mehr Jahren sprechen nach der Rechtsprechung für die Annahme einer Liebhaberei, weil der geschlossene Verlustzeitraum einer solchen Anzahl von Jahren eine ausreichende Grundlage für die Prognose bietet, daß der Betrieb bei gleichbleibender Form der Bewirtschaftung nicht geeignet ist, aus der Verlustzone herauszukommen und nachhaltige Gewinne zu erzielen. Verluste der Anlaufzeit können nur dann steuerlich nicht anerkannt werden, wenn aufgrund der Entwicklung des Betriebes eindeutig feststeht, daß die Land- und Forstwirtschaft (oder auch ein anderes Unternehmen), so wie sie vom Steuerpflichtigen betrieben wurde, von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltige Gewinne zu erzielen und deshalb nach objektiver Beurteilung von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechtes darstellt (vgl. BFH-Urteile vom 18. März 1976 IV R 13/73, BFHE 118, 447, BStBl II 1976, 485, und vom 6. März 1980 IV R 182/78, BFHE 131, 18, BStBl II 1980, 718, und die dort angeführte Rechtsprechung).
Auch wenn man das Vorliegen einer Liebhaberei mehr auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht gründen wollte (vgl. Bayer, Die Liebhaberei im Steuerrecht, Tübingen 1981, der aber in den wesentlichen Fragen die Rechtsprechung des BFH bejaht), könnte die Entscheidung nicht auf die subjektiven Vorstellungen und Absichtserklärungen des Steuerpflichtigen abstellen, sondern müßte zum Nachweis auf die objektiven Umstände der oben dargelegten Art zurückgreifen.
Die Feststellungen, ob und ab welchem Zeitpunkt Liebhaberei anzunehmen ist, liegen im wesentlichen auf dem Gebiete der Tatsachenwürdigung. Sind diese Feststellungen in einwandfreier Weise getroffen worden, so ist der BFH an sie nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden.
Im Streitfall ist das FG zu seinen Feststellungen ohne Verstoß gegen die Verfahrensordnung oder gegen die Denkgesetze oder die allgemeinen Erfahrungssätze gelangt. Das auch vom Kläger anerkannte Sachverständigengutachten bot dafür eine sichere Grundlage. Es widerspricht auch nicht den obigen Grundsätzen der Rechtsprechung, wenn das FG dem FA darin gefolgt ist, den ererbten Gutshof des Klägers, der seit Generationen im Besitze der Familie war, erst ab 1. Juli 1963 als Liebhaberei zu beurteilen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen war eine längere Unentschiedenheit in der Beurteilung sachlich durchaus gerechtfertigt.
Das FG konnte danach aufgrund der unstreitigen Tatsachen - vor allem aufgrund der seit der Währungsreform anhaltenden Verluste, die teilweise wieder rückläufig waren - und der eingehenden Prognose des Sachverständigen aufgrund der festgestellten Art der Bewirtschaftung zu dem Ergebnis kommen, daß der Betrieb ab 1. Juli 1963 steuerrechtlich als Liebhaberei einzuordnen war. Damit lagen keine einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigenden Verluste mehr vor, weil ab diesem Zeitpunkt endgültig feststand, daß der Betrieb nicht in der Lage war, auf die Dauer gesehen wenigstens bescheidene Gewinne abzuwerfen, und auch die Bewirtschaftung des Hofes nicht mehr auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichtet war.
2. Aufgrund dieser rechtlichen Beurteilung haben FA und FG das Betriebsvermögen des landwirtschaftlichen Hofes ab 1. Juli 1963 dem Privatvermögen zugerechnet und "wegen der Überführung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes in die Liebhaberei" eine Betriebsaufgabe im Sinne der §§ 14, 16 EStG bejaht und deshalb durch Auflösung der stillen Reserven einen steuerpflichtigen Aufgabegewinn errechnet.
Dieser Auffassung, die teilweise auch im Schrifttum vertreten wird (so vor allem Stoll in Ruppe: Gewinnrealisierung im Steuerrecht S. 235; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte Abschn. A Rdnr. 53; Woltmann, Die Information über Steuer und Wirtschaft Ausgabe L 1966 S. 234 - Inf/L 1966, 234 - und Job: Die steuerrechtliche Liebhaberei, Dissertation S. 96f.), vermag der erkennende Senat trotz einiger für sie sprechenden Überlegungen (vgl. BFH-Beschluß vom 6. Juli 1978 IV B 59/76, BFHE 125, 450, BStBl II 1978, 626) nicht zu folgen.
a) Es trifft zwar zu, daß eine Liebhaberei einkommensteuerrechtlich der steuerlich nicht relevanten Privatsphäre zugerechnet wird mit der Folge, daß das dabei eingesetzte Vermögen als Privatvermögen angesehen wird. Dies ändert aber nichts daran, daß das Betriebsvermögen eines einkommensteuerlich anerkannten landwirtschaftlichen Betriebs, der wegen seiner anhaltenden Verluste ab einem bestimmten Stichtag der Liebhaberei zugeordnet wird, unter Auflösung der stillen Reserven nur dann als ins Privatvermögen überführt angesehen werden kann, wenn gemäß § 16 Abs. 3 EStG eine Betriebsaufgabe vorliegt. Es sprechen keine überzeugenden Gründe dagegen, beim Übergang eines landwirtschaftlichen Betriebes in die Liebhaberei die Frage der Auflösung und Versteuerung der stillen Reserven genauso vom Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Annahme einer Betriebsaufgabe abhängig zu machen, wie dies die Rechtsprechung im Falle der Verpachtung eines gewerblichen oder landwirtschaftlichen Betriebes einerseits und im Falle des Strukturwandels eines gewerblichen Betriebes zu einem landwirtschaftlichen Betrieb andererseits getan hat.
Bei der Verpachtung eines Gewerbebetriebes im ganzen und auf Dauer hat die Rechtsprechung trotz der damit verbundenen Beendigung der eigentlichen werbenden gewerblichen Tätigkeit wegen der Ungewißheit, ob sich der Steuerpflichtige damit endgültig aus dem Erwerbsleben zurückziehen und sein bisheriges Betriebsvermögen als Privatvermögen nutzen will, eine Entnahme durch Betriebsaufgabe solange verneint, bis der Steuerpflichtige eine entsprechende Aufgabeerklärung abgibt bzw. den verpachteten Betrieb veräußert oder tatsächlich aufgibt (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124).
Im Falle des Strukturwandels vom gewerblichen Betrieb zum landwirtschaftlichen Betrieb, mit dem die Beendigung des Gewerbebetriebs im steuerrechtlichen Sinne verbunden ist, hat der Große Senat des BFH unter der Geltung des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F. eine Auflösung der im Grund und Boden steckenden stillen Reserven mit der Begründung abgelehnt, daß die Merkmale einer Betriebsaufgabe nicht vorliegen und auch eine Entnahme des in Zukunft der Landwirtschaft dienenden Grund und Bodens verneint werden muß (vgl. Beschluß vom 7. Oktober 1974 GrS 1/73, BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168). Zu demselben Ergebnis kam der BFH im Falle der Verpachtung eines Gewerbebetriebs ohne Aufgabeerklärung, wenn - unter der Geltung des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F. - der Verpächter mit der Verpachtung von der Gewinnermittlung nach § 5 EStG zur Einnahme-Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG überging (vgl. Urteil vom 21. November 1973 I R 252/71, BFHE 111, 83, BStBl II 1974, 314), obwohl nach der Einnahme-Überschußrechnung der Grund und Boden und seine stillen Reserven steuerlich künftig außer Ansatz blieben, d. h. nicht mehr erfaßt wurden.
Genausowenig wie der bloße Strukturwandel, die bloße Verpachtung eines Betriebes oder die Änderung der Gewinnermittlungsart als Betriebsaufgabe angesehen werden, weil es dabei an Tatbestandselementen der Betriebsaufgabe fehlt, kann auch in der Zuordnung eines landwirtschaftlichen Betriebes ab einem bestimmten Zeitpunkt zur Liebhaberei eine Betriebsaufgabe erblickt werden. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
b) Nach der Rechtsprechung des BFH ist unter einer Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG in erster Linie ein Ereignis zu verstehen, bei dem nach dem Entschluß des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit die wesentlichen Grundlagen des Betriebes an verschiedene Abnehmer veräußert oder ganz oder teilweise in das Privatvermögen überführt werden (vgl. Beschluß in BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dabei ging der BFH von der Vorstellung aus, daß bei der Betriebsaufgabe der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört.
Eine solche Betriebsaufgabe liegt im Streitfall - abgesehen vom fehlenden Entschluß des Klägers, den Betrieb aufzugeben - schon deshalb nicht vor, weil der landwirtschaftliche Betrieb des Klägers über den 30. Juni 1963 hinaus als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens ohne jede Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht, wenn auch unter Änderung der steuerrechtlichen Zuordnung, fortbestand.
Wenn der Große Senat im Beschluß in BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168 beim Strukturwandel eines gewerblichen Betriebes zu einem landwirtschaftlichen Betrieb bei gleichzeitigem Wechsel der Gewinnermittlungsart eine Betriebsaufgabe mit der Begründung verneint hat, daß durch den Strukturwandel die Verknüpfung von Wirtschaftsgütern mit dem Betrieb nicht gelöst wird, so trifft das auch für den Streitfall zu.
Wie in dem Beschluß in BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168 des weiteren ausgeführt ist, wurde der Begriff der Betriebsaufgabe in der neueren Rechtsprechung des BFH erweitert. Danach ist eine Betriebsaufgabe auch dann gegeben, wenn der Betrieb als wirtschaftlicher Organismus zwar bestehenbleibt, aber durch einen Rechtsvorgang in seiner ertragsteuerlichen Einordnung so verändert wird, daß die Erfassung der stillen Reserven nicht mehr gewährleistet ist. Nach diesem vom sog. finalen Entnahmebegriff geprägten Entstrickungstatbestand ist also eine Betriebsaufgabe u. U. auch dann zu bejahen, wenn der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens - wenngleich in anderer Form - fortbesteht (vgl. hierzu Beisse in Ruppe, Gewinnrealisierung im Steuerrecht S. 28 ff.). So wurde im BFH-Urteil vom 16. März 1967 IV 72/65 (BFHE 88, 129, BStBl III 1967, 318) die Ausgliederung eines landwirtschaftlichen Teilbetriebes aus dem gewerblichen Betrieb einer Personengesellschaft aufgrund einer gesellschaftlichen Neugestaltung als Betriebsaufgabe angesehen. Dieses Urteil wurde durch das neuere Urteil vom 21. Dezember 1977 I R 247/74 (BFHE 124, 199, BStBl II 1978, 305) unter Berufung auf den finalen Entnahmebegriff bestätigt. Im Urteil vom 28. April 1971 I R 55/66 (BFHE 102, 374, BStBl II 1971, 630) wurde in der Verlegung eines Gewerbebetriebes aus dem Inland in ein Land, dem nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung das Besteuerungsrecht für den verlegten Betrieb zusteht, eine Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG gesehen, weil auch hier die Auflösung der stillen Reserven nicht mehr gewährleistet ist.
Die Annahme einer Betriebsaufgabe erfordert demnach auch bei dem nach dem Wortsinn der Vorschrift weitestmöglichen Verständnis zumindest eine Handlung des Steuerpflichtigen oder einen entsprechenden Rechtsvorgang, der darauf gerichtet ist, den Betrieb als selbständigen Organismus nicht mehr in seiner bisherigen Form bestehen zu lassen, Daran fehlt es im Streitfall. Es stellt keine Betriebsaufgabe im dargelegten weiteren Sinne dar, wenn ein Betrieb als selbständiger Organismus in dem der inländischen Besteuerung unterliegenden Gebiet weitergeführt wird, aber die Jahr für Jahr anfallenden Verluste und die erwiesene Unrentabilität des Betriebes aufgrund seiner Wesensart und seiner Bewirtschaftung dazu führen, daß die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft rechtlich anders eingeordnet werden, d. h. daß die Verluste aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nicht mehr als Verluste aus Land- und Forstwirtschaft anerkannt, sondern als Verluste aus privater Liebhaberei beurteilt werden, wie es im Streitfall geschehen ist. In einem solchen Fall fehlt es an einem Entschluß des Steuerpflichtigen, hier also des Klägers, den Betrieb aufzugeben oder wenigstens in anderer Form fortzuführen. (Im Falle des Strukturwandels hat der Steuerpflichtige immerhin den Betrieb durch gezielte Maßnahmen vom Gewerbebetrieb zum landwirtschaftlichen Betrieb umstrukturiert.) Der Kläger hat durch keine Art aktiven Handelns das Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt. Es fehlt auch an einem Rechtsvorgang, der eine solche Betriebsaufgabe im weiteren Sinne bewirken könnte. Stoll (vgl. Ruppe, Gewinnrealisierung im Steuerrecht S. 234) weist mit Recht darauf hin, daß es sich bei den die Entnahmehandlung (Aufgabemaßnahme) substituierenden Rechtsvorgängen nicht um das Wirksamwerden von Wertungen steuerrechtlicher Art zufolge des Eingreifens einer anderen als bis dahin anzuwendenden Besteuerungsvorschrift oder einer geänderten steuerrechtlichen Beurteilung handeln kann, sondern um das Einwirken außersteuerrechtlicher Normen auf den steuerrechtlich relevanten Sachverhalt, wie z. B. erbrechtliche Folgen, Enteignungen usw.
Die Ansicht von Stoll, beim Übergang zur Liebhaberei liege die Handlung, die eine Betriebsaufgabe bewirke, darin, daß der Betrieb nicht mehr als Landwirtschaft genutzt werde, also eine Nutzungsänderung vorgenommen werde, trifft indessen nicht zu. Denn die Nutzung bleibt in derartigen Fällen dieselbe; gerade deshalb, weil die Nutzung eines solchen Betriebes nicht entsprechend geändert wird und er deshalb ein Verlustbetrieb bleibt, wird ja die Liebhaberei nach einer zugestandenen Anlaufzeit bejaht. Was sich ändert, ist die steuerrechtliche Beurteilung. Diese geänderte steuerrechtliche Beurteilung wegen der anhaltenden Dauerverluste zwingt aber nicht dazu, daß das landwirtschaftliche Betriebsvermögen von einem bestimmten Zeitpunkt an in das Privatvermögen überführt wird.
Man kann hier auch nicht von einer Art Zwangsentstrickung ohne tatsächlichen oder rechtlichen Vorgang ausgehen, die eine Zwangsüberführung des Betriebsvermögens in das Privatvermögen zur Folge haben müßte, weil - im Gegensatz zum Fall des Strukturwandels - der gesamte Liebhabereibetrieb einschließlich des Betriebsvermögens (s. Abschn. 3) steuerlich nicht mehr erfaßt wird. Selbst wenn man die Auslegung des § 16 Abs. 3 EStG durch die BFH-Rechtsprechung nach dem finalen Entnahmebegriff so verstehen müßte, daß der der Bestimmung beigelegte Gesetzeszweck, die Versteuerung der angesammelten stillen Reserven sicherzustellen, in jedem Falle der Entstrickung auch ohne entsprechende Handlung des Steuerpflichtigen oder einen gleichzuachtenden Rechtsvorgang erfüllt werden müsse, käme man hier zu keinem Auflösungszwang. Denn dieser Auflösungszwang würde zumindest voraussetzen, daß durch den Übergang zum Liebhabereibetrieb die Versteuerung der stillen Reserven nicht mehr gewährleistet ist.
Diese Annahme wäre im Streitfall schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Kläger ohne Änderung des Wohnsitzes weiter beim FA als Steuerpflichtiger erfaßt ist, sein landwirtschaftliches Betriebsvermögen unverändert im Inland verbleibt und als Objekt der Besteuerung (z. B. nach § 82c EStDV, bei der Einheitsbewertung und der Vermögensteuer) weiterhin der steuerlichen Überwachung unterliegt.
c) Für die Nichtauflösung der stillen Reserven spricht noch ein anderer wesentlicher Gesichtspunkt. Das Einkommensteuerrecht folgt zwar im Falle der Entnahme und der Betriebsaufgabe bei der Besteuerung der stillen Reserven nicht dem reinen Realisationsprinzip, nach dem nur verwirklichte Gewinne ausgewiesen und besteuert werden müssen. Trotzdem geht die Einkommensbesteuerung bei den Gewinneinkünften im Grundsatz vom Prinzip der Besteuerung verwirklichter Gewinne aus, das nur in den genannten Fällen durchbrochen wird, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben (vgl. Beisse, a. a. O., S. 14 ff.). In diesem Verständnis des Realisationsprinzips liegt auch der tiefere Grund, warum die Rechtsprechung im Falle der Betriebsverpachtung (vgl. Urteil in BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124), des Strukturwandels oder in Einbringungsfällen (vor der gesetzlichen Normierung durch das Umwandlungs-Steuergesetz) auf die Auflösung der stillen Reserven verzichtet hat, obwohl man z. B. bei der Verpachtung eines Betriebes die wesentlichen Merkmale der Betriebsaufgabe unschwer bejahen könnte (so Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, § 30 Anm. 2 S. 373, Anm. 44 S. 420). Es sollte die Besteuerung von erheblichen Gewinnen durch Auflösung der stillen Reserven vermieden werden, wenn die Gewinne nicht realisiert, sondern nur buchmäßig in Erscheinung getreten sind, vorausgesetzt, daß die Erfassung dieser stillen Reserven bei einem späteren tatsächlichen Realisierungsvorgang gewährleistet ist.
Dieser Gesichtspunkt gilt für die steuerliche Umqualifizierung des landwirtschaftlichen Betriebes in einen Liebhabereibetrieb in besonderem Maße. Berücksichtigt man, daß ab 1. Juli 1970 auch der Wertzuwachs beim Grund und Boden zu versteuern ist, so wären in Fällen wie dem Streitfall nicht realisierte Gewinne in einem Ausmaß zu versteuern, daß die Mittel hierfür vielfach nur durch eine Betriebsveräußerung aufgebracht werden könnten. Eine solche Konsequenz würde aber über den mit dem Begriff der Liebhaberei verfolgten steuerlichen Zweck weit hinausgehen.
3. Mangels einer Betriebsaufgabe im eigentlichen Sinne und auch mangels Vorliegen eines Entstrikkungsfalles, bei dem die Auflösung der stillen Reserven nicht mehr gewährleistet ist, bleibt also das bisher dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dienende Vermögen weiterhin Betriebsvermögen. Das hat zur Folge, daß eine Auflösung und Versteuerung der im Betriebsvermögen steckenden stillen Reserven zunächst nicht in Betracht kommt.
a) Auch wenn das bisher dem Betrieb dienende Vermögen Betriebsvermögen bleibt, so erfordert seine Zugehörigkeit zu einer Liebhaberei, d. h. der Umstand, daß ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb einkommensteuerlich nicht mehr besteht, einkommensteuerrechtlich doch eine andere Beurteilung, als sie die Vorschriften über die Gewinnermittlung (§§ 4, 5, 6 und 7 EStG) für das Betriebsvermögen vorschreiben. Denn ebenso wie die Einkünfte aus Liebhaberei steuerlich nicht mehr relevant sind, können auch die Veränderungen des Betriebsvermögens eines solchen Liebhabereibetriebes steuerlich nicht mehr relevant sein. Das bedeutet insbesondere, daß alle Wertänderungen des Betriebsvermögens während der Zugehörigkeit zum Liebhabereibetrieb steuerlich unbeachtlich sind. Es sind also weder Teilwertabschreibungen möglich, noch können stille Reserven, die sich während dieser Zeit bilden, später steuerlich erfaßt werden.
Diese Beurteilung führt daher zu einer Festschreibung des Betriebsvermögens, wie es im Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei vorhanden war. Denn mit den im Zeitpunkt des Übergangs vorhandenen Werten war und bleibt dieses noch einem landwirtschaftlichen Betrieb i. S. des § 13 EStG dienende Vermögen ein einkommensteuerlich voll zu berücksichtigendes Betriebsvermögen, dessen stille Reserven noch der Auflösung harren. So wie das System des Einkommensteuergesetzes auf der einen Seite die Bildung stiller Reserven gestattet oder erzwingt, so fordert es auf der anderen Seite die steuerliche Erfassung der angesammelten stillen Reserven bei späterer Aufdeckung (so auch Beschluß in BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168). Diese Auflösung hat zu erfolgen, wenn die festgeschriebenen stillen Reserven realisiert werden, sei es, daß der Liebhabereibetrieb veräußert, tatsächlich aufgegeben oder die betreffenden Wirtschaftsgüter veräußert oder entnommen werden. Die dabei realisierten festgeschriebenen stillen Reserven sind dann als nachträgliche Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu versteuern (so im wesentlichen auch Felix in Steuerberaterkongreß-Report 1980 S. 153).
Der Steuerpflichtige und das FA haben daher durch geeignete Maßnahmen, die sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung zumutbar sind, dafür zu sorgen, daß die bei der Umqualifizierung des landwirtschaftlichen Betriebes in einen Liebhabereibetrieb vorhandenen stillen Reserven festgehalten und bei einem späteren gewinnrealisierenden Vorgang der oben geschilderten Art aufgelöst und der Besteuerung zugeführt werden.
b) Eine frühere Auflösung der stillen Reserven wäre allerdings dann möglich, wenn der Steuerpflichtige beim Übergang zum Liebhabereibetrieb oder auch später die Betriebsaufgabe selbst erklärt. Diese Möglichkeit muß dem Inhaber eines Liebhabereibetriebes, dessen Beginn die steuerrechtliche Beendigung seines landwirtschaftlichen Erwerbsbetriebes darstellt, von dem Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei genauso eingeräumt werden, wie sie dem Verpächter eines Gewerbebetriebes oder eines landwirtschaftlichen Betriebes vom Großen Senat zugestanden wurde, weil eben die Verpachtung die Beendigung der aktiven Erwerbstätigkeit darstellt und den Entschluß zur endgültigen Beendigung dieser gewerblichen Tätigkeit beinhalten kann, aber ohne ausdrückliche Erklärung nicht beinhalten muß.
4. Der Senat gelangt zu dem Ergebnis, daß im Streitjahr 1963 keine stillen Reserven aufgelöst sind und deshalb kein Aufgabegewinn entstanden ist, weil die steuerliche Erfassung dieser festzuschreibenden stillen Reserven bei einem späteren tatsächlichen Realisierungsvorgang gewährleistet ist.
Fundstellen
Haufe-Index 74248 |
BStBl II 1982, 381 |
BFHE 1981, 339 |