Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer fehlerberichtigenden Fortschreibung
Leitsatz (amtlich)
Fehler i.S. des § 22 Abs.3 Satz 1 BewG ist jede objektive Unrichtigkeit. Für die Zulässigkeit der fehlerberichtigenden Fortschreibung ist nicht Voraussetzung, daß ein klarliegender, einwandfrei feststellbarer Fehler vorliegt (Aufgabe von BFHE 134, 164, BStBl II 1982, 6).
Orientierungssatz
Die grundsätzliche Maßgeblichkeit des Ertragswertverfahrens für die Bewertung von Einfamilienhäusern ist von der Überlegung getragen, daß es sich bei diesen Häusern meist um kleine, einfach ausgestattete Wohngebäude oder serienmäßig erstellte Häuser handelt (vgl. BFH-Urteil vom 23.7.1971 III R 86/69), für die sich eine übliche Jahresmiete verhältnismäßig unschwer ermitteln oder anhand ausreichender Kriterien vermieteter Vergleichsobjekte schätzen läßt.
Normenkette
BewG 1974 § 22 Abs. 3 S. 1, § 76 Abs. 1, 3; AO 1977 §§ 176-177
Tatbestand
Der Kläger hat das Grundstück A-Straße in B im Jahre 1980 erworben. Auf dem 1 660 qm großen Grundstück befindet sich ein im Jahre 1959 errichtetes Wohnhaus, dessen Wohnfläche nach der damaligen Berechnung 262 qm betrug.
Bis zum Erwerb durch den Kläger war das Grundstück wie folgt bewertet worden: Bei der Hauptfeststellung auf den 1.Januar 1964 hatte das Finanzamt (FA) den Einheitswert, den es im Ertragswertverfahren ermittelte, auf 133 100 DM und die Grundstücksart Einfamilienhaus festgestellt. Nachdem es zu der Auffassung gekommen war, es sei das Sachwertverfahren anzuwenden, schrieb das FA den Einheitswert auf den 1.Januar 1974 auf 304 500 DM fort. Auf den Einspruch des Voreigentümers nahm der Bausachverständige des FA am 17.Juli 1979 eine Ortsbesichtigung vor. Aufgrund dieser Ortsbesichtigung kam der Sachverständige zu der Auffassung, das Gebäude sei in seiner baulichen Ausstattung nicht aufwendig, so daß das Sachwertverfahren allenfalls aufgrund der Wohnfläche in Erwägung gezogen werden könne, doch halte er das Ertragswertverfahren für richtig. Im Ergebnis endete das Einspruchsverfahren damit, daß der Einheitswert auf den 1.Januar 1974 im Ertragswertverfahren auf 152 600 DM festgestellt wurde.
Nach dem Erwerb des Wohngrundstückes durch den Kläger nahm das FA mit Bescheid vom 24.September 1981 auf den 1.Januar 1981 eine Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung vor, rechnete das Wohngrundstück, für das es die Grundstücksart Zweifamilienhaus feststellte, dem Kläger zu und schrieb den Einheitswert unter Zugrundelegung des Sachwertverfahrens auf 240 700 DM fort.
Nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens begehrte der Kläger mit der Klage die Art- und Wertfortschreibung auf den 1.Januar 1981 aufzuheben. Während des Klageverfahrens hat das FA die Artfortschreibung aufgehoben.
Das Finanzgericht (FG) hat der auf Aufhebung der Wertfortschreibung gerichteten Klage stattgegeben.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Es rügt Verletzung von § 22 Abs.3 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG).
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.
1. Das FG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, eine fehlerbeseitigende Fortschreibung i.S. des § 22 Abs.3 Satz 1 BewG setze voraus, daß ein klarliegender, einwandfrei feststellbarer Fehler vorliege. Angesichts des Geschehensablaufes hinsichtlich des Feststellungsstichtags 1.Januar 1974 stelle die nunmehrige Auffassung des FA lediglich das Ergebnis einer abweichenden bewertungsrechtlichen Würdigung eines bekannten Sachverhaltes dar und beseitige nicht einen klarliegenden Fehler der letzten Feststellung. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Nach § 22 Abs.3 Satz 1 BewG in der für den streitigen Stichtag geltenden Fassung findet eine Wertfortschreibung auch zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung statt. Die gesetzliche Regelung der fehlerbeseitigenden Fortschreibung ist erstmals durch das Bewertungsänderungsgesetz 1965 vom 13.August 1965 (BGBl I 1965, 851, BStBl I 1965, 375) erfolgt. Vor der gesetzlichen Regelung der fehlerbeseitigenden Fortschreibung hatte bereits die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) die Fortschreibung zur Beseitigung einer unrichtigen Feststellung für zulässig erachtet (vgl. RFH-Urteil vom 31.März 1938 III 303/37, RFHE 43, 325, RStBl 1938, 601, und BFH-Urteil vom 24.Januar 1952 III 110/50 S, BFHE 56, 209, BStBl III 1952, 84), jedoch unter der einschränkenden Voraussetzung, daß es sich um einen klarliegenden, einwandfrei feststellbaren Bewertungsfehler handle (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7.Oktober 1955 III 77/54 U, BFHE 61, 453, BStBl III 1955, 375). Diese Rechtsprechung muß auch unter Berücksichtigung der vor der Neufassung des § 22 BewG maßgebenden Rechtsauffassung gesehen werden, nach der auch Fortschreibungen zur Fehlerbeseitigung mit Rückwirkung auf Feststellungszeitpunkte zulässig waren, zu denen nicht sämtliche auf der Feststellung beruhenden Steuern verjährt waren (vgl. BFH vom 16.Mai 1952 III 68/52 U, BFHE 56, 490, BStBl III 1952, 189). Der früher für die Einheitsbewertung zuständige III.Senat hat an den einengenden Voraussetzungen für eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung auch für den Geltungsbereich der gesetzlichen Regelung durch § 22 Abs.3 Satz 1 BewG festgehalten (BFH-Urteil vom 31.Juli 1981 III R 127/79, BFHE 134, 164, BStBl II 1982, 6). Dieser Auffassung schließt sich der inzwischen für die Einheitsbewertung zuständige II.Senat nicht an.
Wie schon im Senatsurteil vom 16.September 1987 II R 178/85 (BFHE 151, 8, BStBl II 1988, 174) ausgesprochen, bezieht sich der Fehlerbegriff des § 22 Abs.3 Satz 1 BewG auf alle Rechtsfehler und damit auch auf solche, die nach § 177 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht Anlaß einer Änderung sein, sondern nur im Wege der Saldierung bei Änderung aus anderen Gründen berichtigt werden können. Denn die in § 22 Abs.3 Satz 1 BewG getroffene Regelung ist eng mit der Dauerwirkung der nach dem BewG festzustellenden Einheitswerte verknüpft und läßt außerhalb der AO 1977 die Berichtigung von Fehlern zu dem in § 22 Abs.4 Satz 3 BewG genannten Stichtag zu. Irgendwelche Anhaltspunkte, daß der Fehler i.S. des § 22 Abs.3 Satz 1 BewG von anderer Qualität zu sein habe als der (Rechts-)Fehler i.S. des § 177 AO 1977 (zu diesem vgl. BFH-Urteil vom 5.August 1986 IX R 13/81, BFHE 148, 394, BStBl II 1987, 297), sind nicht ersichtlich (vgl. dazu auch Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 22 BewG Anm.123). Denn Fehler ist jede objektive --materielle-- Unrichtigkeit (vgl. in BFHE 56, 209, BStBl III 1952, 84). Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese klarliegend, leicht feststellbar und unmittelbar einsichtig ist, sondern nur darauf, daß die getroffene Regelung geltendem Recht widerspricht. Für die Annahme, daß jeder Fehler im Sinne einer objektiven Unrichtigkeit die Fortschreibung eines Einheitswertes zum Zwecke der Fehlerbeseitigung rechtfertigt, spricht auch der Wortlaut des § 22 Abs.3 Sätze 2 und 3 BewG. Denn die mangelnde Übereinstimmung einer Feststellung mit der Rechtslage, die beispielsweise erst aufgrund geänderter Rechtsprechung (vgl. § 176 Abs.1 Nr.3 AO 1977) als solche qualifizierbar ist, kann nicht von Anfang an als klarliegender einwandfrei feststellbarer Bewertungsfehler angesprochen werden; ein solcher Fehler ist vielmehr stets latent und bleibt bis zur Rechtsprechungsänderung verborgen.
2. Fehler in diesem Sinn ist auch das Verkennen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 76 Abs.3 Nr.1 BewG (vgl. Senatsurteil vom 16.September 1987 II R 240/84, BFHE 150, 567, BStBl II 1987, 843). Ein derartiger Fehler war dem FA bei den bisherigen Feststellungen zum 1.Januar 1964 und 1974 unterlaufen. Denn das Wohngrundstück des Klägers unterscheidet sich eindeutig hinsichtlich der Wohnfläche von den nach § 76 Abs.1 BewG im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern durch seine Gestaltung. Die grundsätzliche Maßgeblichkeit des Ertragswertverfahrens für die Bewertung von Einfamilienhäusern ist von der Überlegung getragen, daß es sich bei diesen Häusern meist um kleine, einfach ausgestattete Wohngebäude oder serienmäßig erstellte Häuser handelt (so schon BFH-Urteil vom 23.Juli 1971 III R 86/69, BFHE 103, 213, BStBl II 1971, 797), für die sich eine übliche Jahresmiete verhältnismäßig unschwer ermitteln oder anhand ausreichender Kriterien vermieteter Vergleichsobjekte schätzen läßt. Soweit der Kläger unter Hinweis auf Schmidt/Drenseck (Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8.Aufl., § 21 Anm.11) die Auffassung vertritt, die Größe der Wohnfläche allein hebe ein Haus noch nicht aus der Masse der zu bewertenden Einfamilienhäuser deutlich heraus, übersieht er, daß die dort vertretene Ansicht im Zusammenhang mit der aktuell anzusetzenden Miete steht. Das BewG stellt aber auf die Verhältnisse vom 1.Januar 1964 ab.
Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf § 22 Abs.3 Satz 2 BewG i.V.m. § 176 Abs.1 Nr.3 AO 1977. Denn der angefochtene Wertfortschreibungsbescheid vom 24.September 1981 beruht nicht auf einer Änderung der Rechtsprechung, ist insbesondere nicht durch das Senatsurteil vom 12.Februar 1986 II R 192/78 (BFHE 146, 96, BStBl II 1986, 320) ausgelöst.
3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil das FG --von seinem Standpunkt aus folgerichtig-- keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob der Wert zutreffend ermittelt worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 62600 |
BFH/NV 1990, 9 |
BStBl II 1990, 149 |
BFHE 159, 215 |
BFHE 1990, 215 |
BB 1990, 691 |
BB 1990, 691-692 (LT) |
DB 1990, 358 (ST) |
DStR 1990, 140 (KT) |
HFR 1990, 174 (LT) |
StE 1990, 42 (K) |