Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug beim sog. Sparkassenmodell
Leitsatz (NV)
Schaltet ein Kreditinstitut bei der Erstellung eines Betriebsgebäudes eine Gesellschaft ein, die das Gebäude auf einem von dem Kreditinstitut erworbenen Grundstück errichtet und anschließend unter Verzicht auf die Steuerfreiheit an das Kreditinstitut vermietet und gewährt das Kreditinstitut der Gesellschaft ein zinsloses Darlehen zur Finanzierung der Baumaßnahmen, kann darin ein Missbrauch von Gestaltungen des Rechts liegen. Die Gestaltung kann aber auch durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe gerechtfertigt sein.
Normenkette
UStG 1980 § 15 Abs. 1-2, § 15a; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (EFG 1999, 93) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 1981 gegründete GmbH und Co. KG. Gegenstand ihres Unternehmens ist insbesondere der Kauf und die Vermietung von Grundstücken. Einzige Kommanditistin mit einer Einlage von … DM war die V-Bank. Die Komplementär-GmbH war nicht am Vermögen der Klägerin beteiligt.
Die V-Bank begann 1981 auf ihrem Grundstück in V, ein mehrgeschossiges Gebäude zu errichten. Im April 1983 ―kurz vor Fertigstellung des Gebäudes― bestellte sie der Klägerin an diesem Grundstück ein Erbbaurecht für 25 Jahre und berechnete für den Verkauf des Gebäudes einen Kaufpreis von … DM und Umsatzsteuer von … DM. Zur Finanzierung dieses Kaufpreises gewährte die V-Bank der Klägerin ein zinsloses Darlehen und einen Kontokorrentkredit. Außerdem übertrug sie der Klägerin "im Wege der Schenkung" eine "Rücklage" von … DM.
Ab Mai 1983 vermietete die Klägerin einen Teil des Gebäudes steuerpflichtig an die V-Bank zum Betrieb eines Bankgewerbes. Die übrigen Flächen vermietete sie an andere Unternehmer und für Wohnzwecke.
Die Klägerin setzte in dem bestandskräftig gewordenen Umsatzsteuerbescheid für 1983 die ihr für die Lieferung des Gebäudes von der V-Bank berechnete Umsatzsteuer als Vorsteuer ab. Dadurch ergab sich eine negative Umsatzsteuer von … DM.
Nach einer Außenprüfung änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre 1987 bis 1990. Das FA erhöhte die Entgelte für die Vermietungsleistungen der Klägerin an die V-Bank um den von dieser gewährten ―als zusätzliches Entgelt beurteilten― Zinsvorteil, den die Klägerin wegen des ihr zinslos gewährten Darlehens erhalten habe, um … DM für 1987, um … DM für 1988, um … DM für 1989 und um … DM für 1990.
Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA zurück. Im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) rechtfertigte das FA die angefochtenen Steuerfestsetzungen damit, dass der Klägerin im Besteuerungszeitraum 1983 zu Unrecht, aber unabänderbar der Vorsteuerabzug aus der Lieferung des Gebäudes gewährt worden sei. Dieser Vorsteuerabzug müsse berichtigt werden. Die Vorsteuerberichtungsbeträge seien höher als die streitigen Anhebungen der Entgelte für die Grundstücksvermietung an die V-Bank. Die von der Klägerin für die Vermietung des Gebäudes an die V-Bank gewählte Gestaltung sei rechtsmissbräuchlich und der Besteuerung nicht zugrunde zu legen (§ 42 der Abgabenordnung ―AO 1977).
Dagegen machte die Klägerin geltend, ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts liege nicht vor.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Es beurteilte die Gewährung eines zinslosen Darlehens nicht als zusätzliches Entgelt für die Vermietung der Geschäftsräume, weil der Klägerin dieser Vorteil als Gesellschafterbeitrag überlassen worden sei. Die festgesetzten Steuern seien aber nicht zu ermäßigen, weil die Steuerminderungen durch Vorsteuerberichtigungsbeträge in mindestens gleicher Höhe ausgeglichen würden.
Die Vorsteuerbeträge, die die Klägerin 1983 aus der Rechnung über die Anschaffung des an die V-Bank vermieteten Gebäudes abgezogen habe, seien gemäß § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 in den Streitjahren zu berichtigen. Die damalige rechtliche Beurteilung des Vorsteuerabzugs sei unzutreffend gewesen. Die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr 1983 sei nicht mehr abänderbar gewesen.
Der Vorsteuerabzug für die Anschaffung des Gebäudes sei deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Klägerin das Gebäude nicht für Umsätze verwendet habe, die den Vorsteuerabzug zuließen. Die steuerpflichtige Vermietung des Gebäudes an die V-Bank sei wegen Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungen nicht anzuerkennen (§ 42 Satz 1 AO 1977). Als für die Besteuerung angemessen sei von einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung auszugehen (§ 42 Satz 2 AO 1977). Dies rechtfertige aber als Verwendungseigenverbrauch (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980) keinen Verzicht auf die Steuerbefreiung (§ 9 Abs. 1 UStG 1980) und schließe den Vorsteuerabzug aus (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980). Wegen der weiteren Begründung wird auf das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 93 veröffentlichte Urteil Bezug genommen.
Mit der Revision rügt die Klägerin, das FG habe Art. 17 Abs. 2 und 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) und § 42 AO 1977 unrichtig angewendet. Die Klägerin bezieht sich zur Begründung auf den Aufsatz von Philipowski in der Zeitschrift Betriebs-Berater (BB) 2000, 278.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer wie im Klageverfahren beantragt festzusetzen.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden.
1. Der Klägerin ist ―wovon das FG zutreffend ausgegangen ist― der Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- und Herstellungskosten für das von ihr an die V-Bank vermietete Gebäude im Abzugsjahr 1983 unzutreffend gewährt worden, wenn sie die Vorleistungen für Umsätze verwendet hat, die den Vorsteuerabzug ausschließen (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980).
Sofern der Klägerin der Vorsteuerabzug seinerzeit rechtlich fehlerhaft gewährt worden ist und für das Abzugsjahr nicht mehr rückwirkend nach Vorschriften der AO 1977 geändert werden kann, ist eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG 1980 für die Folgejahre vorzunehmen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 5. Februar 1998 V R 66/94, BFHE 185, 298, BStBl II 1998, 361, m.w.N.).
a) Im Streitfall war nach den Feststellungen des FG der Umsatzsteuerbescheid für das Abzugsjahr 1983 nach den Vorschriften der AO 1977 nicht mehr änderbar. Deshalb kommt eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG 1980 in den Streitjahren 1987 bis 1990 in Betracht, wenn der Beurteilung des Vorsteuerabzugs die steuerpflichtige Vermietung dieser Gebäudeteile an die V-Bank als Missbrauch von Gestaltungen des Rechts nicht zugrunde gelegt werden darf (§ 42 Satz 1 AO 1977) und als angemessene Gestaltung von einer abzugsschädlichen steuerfreien Verwendung der Gebäudeteile auszugehen ist (§ 42 Satz 2 AO 1977).
b) Schaltet ein Kreditinstitut bei der Erstellung eines Betriebsgebäudes eine Gesellschaft ein, die das Gebäude auf einem von dem Kreditinstitut erworbenen Grundstück errichtet und anschließend unter Verzicht auf die Steuerfreiheit an das Kreditinstitut vermietet und gewährt das Kreditinstitut der Gesellschaft ein zinsloses Darlehen zur Finanzierung der Baumaßnahmen, kann darin ein Missbrauch von Gestaltungen des Rechts (§ 42 Satz 1 AO 1977) liegen (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 12/96, BFHE 182, 395, BStBl II 1997, 374). Die Gestaltung kann aber durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe gerechtfertigt sein.
Ob die Beachtung von § 12 des Gesetzes über das Kreditwesen (KredWG) im Streitfall eine Rechtfertigung für die Vorschaltung der Klägerin sein kann, ist nach den vorhandenen Feststellungen nicht zu beurteilen. Im Einzelfall kann ein beachtlicher außersteuerlicher Grund vorliegen, wenn die Gestaltung die Gefahr vermeiden soll, dass die nach Buchwerten berechneten dauernden Anlagen (z.B. bebaute Grundstücke) eines Kreditinstituts das haftende Eigenkapital übersteigen und eine Ausnahmegenehmigung nach § 12 Abs. 3 KredWG nicht erreichbar ist. Dazu muss das FG noch Feststellungen nachholen.
2. Außerdem enthält die Vorentscheidung keine Feststellungen, die dem Revisionsgericht eine Prüfung ermöglichen, ob die V-Bank der Klägerin den Zinsvorteil durch das unverzinsliche Darlehen als Gesellschafterbeitrag oder als zusätzliches Entgelt zugewendet hat.
3. Die vorhandenen Feststellungen lassen ferner keine abschließende Beurteilung zu, ob die von der V-Bank an die Klägerin entrichtete Miete angemessen war oder ob das Entgelt für die Vermietung auf einen Mindestbetrag erhöht werden muss (§ 10 Abs. 5 Nr 1 i.V.m. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1980).
4. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wegen der von der Klägerin aufgezählten Zweifel, die die Auslegung von Gemeinschaftsrecht betreffen, scheidet aus, solange der Sachverhalt nicht geklärt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 426323 |
BFH/NV 2000, 1368 |
HFR 2000, 835 |