Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Gibt ein Gewerbetreibender seiner Ehefrau ein Darlehen, damit diese für sich privat ein Grundstück erwirbt, so ist die Darlehensgewährung kein betrieblicher Vorgang, auch wenn die Ehefrau das Grundstück an den gewerblichen Betrieb des Ehemanns vermieten soll und vermietet.
Normenkette
EStG §§ 5, 10a
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtige - Stpfl. -) betreibt ein Großhandelsgeschäft; seine Ehefrau ist Heimatvertriebene. In den Jahren 1959 bis 1961 hat der Stpfl. seiner Ehefrau als Darlehen Geld zur Verfügung gestellt; die Darlehnsforderung hat er in den Bilanzen ausgewiesen. Die Ehefrau hat das Darlehen zum Kauf eines Grundstückes verwendet, in das der Betrieb des Stpfl. verlegt wurde; das Grundstück hat der Stpfl. von seiner Ehefrau gemietet.
Bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1959, 1960 und 1961 gewährte das Finanzamt (FA) den Eheleuten die beantragte Vergünstigung für nicht entnommenen Gewinn (§ 10 a EStG). Im Anschluß an eine Betriebsprüfung berichtigte es die Veranlagung 1959 und 1960 und machte die bis dahin vorläufige Veranlagung 1961 endgültig. Hierbei behandelte es das Darlehen an die Ehefrau als privates Darlehen. Es erhöhte die Entnahmen des Stpfl. für diese Jahre um die Darlehensbeträge. Das führte dazu, daß die Vergünstigung für nicht entnommenen Gewinn herabgesetzt und für das Jahr 1960 eine Nachversteuerung vorgenommen wurde.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt die Berichtigungen für gerechtfertigt. Für das Jahr 1961, so führte es aus, ergebe sich die Möglichkeit zur Berichtigung daraus, daß die ursprüngliche Veranlagung in vollem Umfange vorläufig gewesen sei. Für die Jahre 1959 und 1960 sei die Wiederaufrollung der bisherigen Veranlagungen gerechtfertigt, weil durch die Betriebsprüfung in ausreichendem Masse neue Tatsachen festgestellt worden seien, die zu einer höheren Besteuerung des Stpfl. führten (§ 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO). Aus den Angaben des Stpfl. in den Einkommensteuererklärungen 1959 und 1960 habe das FA nicht ersehen können, daß die Ehefrau die Schuldnerin eines im Jahre 1959 mit 20 000 DM und im Jahre 1960 mit 54 487 DM ausgewiesenen Darlehens gewesen sei. Lediglich aus einer früheren Vermögenserklärung ergebe sich, daß die Ehefrau ein Darlehen von 20 000 DM schulde. Es bedeute eine überspannung der Forderungen an die Ermittlungspflicht, wenn man dem FA etwa den Vorwurf machen wolle, daß es bei dieser Sachlage die Verhältnisse wegen einer etwaigen Minderung des nicht entnommenen Gewinns 1959 und 1960 hätte weiter aufklären müssen. Im übrigen lägen auch andere neue Tatsachen vor, die nach der Rechtsprechung des BFH (z. B. Urteil I 95 und 110/60 S vom 5. Juni 1962, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 76 S. 282 - BFH 76, 282 -, BStBl III 1963, 100) für eine Wiederaufrollung genügten. Sowohl für das Jahr 1959 als auch für das Jahr 1960 habe der Betriebsprüfer festgestellt, daß die Warenbewertungen und die privaten Anteile der Kraftfahrzeugbenutzung zu niedrig, die Delkredere- Rückstellungen dagegen zu hoch angesetzt worden seien. Mindestens die Zuschläge zu den Warenbewertungen beruhten auf neuen Tatsachen. Allein die Gewinnerhöhungen wegen richtiggestellter Warenbewertungen von 1520 DM und 3552 DM hätten zu Steuererhöhungen von 362 DM und 630 DM (rd. 3,2 und 5,2 v. H. der vorher festgesetzten Steuern) geführt. Sachlich sei der Auffassung des FA beizutreten, daß das Darlehen des Stpfl. an seine Ehefrau ein Privatdarlehen gewesen sei. Ein Dritter hätte ein so hohes Darlehen nicht zinslos erhalten; er hätte dafür auch eine entsprechende Sicherheit stellen müssen. Der Einwand des Stpfl., daß eine spätere Verzinsung vorgesehen gewesen sei und daß als Sicherheit der für 15 Jahre festgeschlossenen Miet- oder Pachtvertrag diene, greife nicht durch. Der Darlehensvertrag sei bereits im Jahre 1959 geschlossen und zum Teil auch schon damals erfüllt worden. Die weiteren Darlehen seien in den Jahren 1960 und 1961 geleistet worden. Trotzdem seien bis zum Beginn der Betriebsprüfung im Mai 1963 weder Zinsen gezahlt noch rückständige Zinsen gebucht worden.
Mit seiner Revision rügt der Stpfl. mangelnde Aufklärung und unrichtige Anwendung des Einkommensteuerrechts. Das FG, so macht er geltend, habe sich über die klaren, einwandfreien und auch tatsächlich durchgeführten Vereinbarungen hinweggesetzt. Verträge zwischen Ehegatten seien steuerlich ebenso zu beachten wie Verträge zwischen Dritten. Das FA habe den zwischen ihm und seiner Ehefrau geschlossenen Mietvertrag über das Grundstück anerkannt. Es bestehe kein Anlaß, den Darlehensvertrag nicht auch anzuerkennen (Urteil des BFH IV 60/59 vom 5. Juli 1962, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 26 d, Rechtsspruch 5). Daß dem Darlehen betriebliche Erwägungen zugrunde lägen, ergebe sich daraus, daß er seinen Betrieb in das mit dem Darlehen erworbene Grundstück verlegt habe. Die Verzinsung und Sicherung des Darlehens berühre die Ernstlichkeit des Darlehens nicht. Die Wiederaufrollung der früheren Veranlagung sei auch unzulässig gewesen. Auf jeden Fall habe das FA seine Aufklärungspflicht verletzt. Neu sei eine Tatsache nur, wenn das FA sie nicht früher hätte erkennen können. Er habe seit längeren um die Vergünstigung des § 10 a EStG gekämpft. Das FA habe im Zusammenhang mit der Versagung der Vergünstigung des § 10 a EStG 41 440,20 DM mehr an Einkommensteuer von ihm gefordert. Dagegen habe er Einspruch und Berufung eingelegt. Um eine Stundung zu erreichen, habe er eine Bilanz eingereicht. Bei deren Erläuterung habe er mündlich die Nichtrealisierbarkeit der Darlehensforderung mit dem Hinweis erklärt, daß die Darlehensnehmerin seine Ehefrau sei. Aus der Vermögensaufstellung und der Vermögenserklärung auf den 1. Januar 1960 sei ebenfalls ersichtlich, daß seine Ehefrau die Darlehensschuldnerin sei.
Der Stpfl. beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die ursprünglichen Veranlagungen wiederherzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision kann keinen Erfolg haben. Zur Zulässigkeit der Berichtigungsveranlagung für 1959 und 1960 hat das FG zutreffend ausgeführt, daß, auch wenn wirklich die Tatsache der Schuldnerschaft der Ehefrau dem FA bekannt gewesen sei, doch andere neue Tatsachen aufgedeckt worden seien, die eine Berichtigung rechtfertigten. Die Aufdeckung neuer Tatsachen von einigem Gewicht führt nach der Rechtsprechung aller Senate des BFH zur Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles. Bei einer Berichtigung können auch Folgerungen aus solchen Tatsachen gezogen werden, die das FA früher schon kannte oder hätte kennen müssen. Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob, wie der Stpfl. meint, das FA seine Aufklärungspflicht verletzt habe.
Ohne Rechtsverstoß konnte das FG die streitigen Darlehen an die Ehefrau als Privatdarlehen ansehen. Mit Recht stellt das FG fest, daß Darlehen zwar auch zwischen Ehegatten steuerlich möglich sind. Eine andere Frage ist aber, ob solche Darlehen betrieblich bedingt sind. Allein die Tatsache, daß der Stpfl. die streitigen Darlehen aus Mitteln des Betriebes gegeben hat, macht die Darlehen nicht zu Betriebsdarlehen. Darlehen, die aus außerbetrieblichen Erwägungen gewährt werden, gehören in den privaten Bereich. Die Mittel zur Gewährung solcher Darlehen müssen zuvor dem Betrieb entnommen werden und werden dann im Privatbereich weitergegeben. Entgegen der Auffassung des Stpfl., können solche privaten Darlehen auch nicht zum gewillkürten Betriebsvermögen gezogen werden (Urteile des BFH IV 537/54 U vom 22. Dezember 1955, BFH 62, 172, BStBl III 1956, 65; VI 15/63 vom 31. Januar 1964, StRK, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 664).
Danach kommt es, wie das FG mit Recht ausführt, darauf an, ob die Darlehensgewährung an die Ehefrau durch den Betrieb veranlaßt war. Wenn auch ein Kaufmann mit seinem Ehegatten Geschäfte wie mit Fremden machen kann, so muß in solchen Fällen die betriebliche Veranlassung doch eindeutig dargetan werden, weil im Rechtsverkehr zwischen Ehegatten familiäre (außerbetriebliche) Gründe gewöhnlich stark mitspielen und meist sogar im Vordergrund stehen. Ob eine betriebliche Veranlassung, besonders im Rechtsverkehr zwischen Ehegatten, dargetan ist, gehört in den Bereich der Tatsachenfeststellung und Tatsachenwürdigung, die dem FG obliegt. Wenn das FG hier die betriebliche Veranlassung für die Darlehensgewährung als nicht dargetan angesehen hat, so ist das eine mögliche und naheliegende Würdigung; ein Verstoß gegen die Denkgesetze ist nicht ersichtlich. Der Stpfl. rügt, daß das FG die Bedingungen des Darlehens nicht richtig festgestellt habe. Auf diese Frage kommt es jedoch nicht an. Denn jedenfalls hat der Stpfl., wie es nicht bestreitet, seiner Ehefrau das Darlehen gewährt, damit diese das Grundstück für sich privat kaufe. Mag auch von vornherein festgestanden haben, daß der Stpfl. das gekaufte Grundstück für seinen Betrieb mieten sollte, so wollten doch der Stpfl. und seine Ehefrau übereinstimmend der Ehefrau privates Eigentum an dem Grundstück verschaffen, zu dessen Kauf der Stpfl. seiner Ehefrau die Mittel bereitstellte. Dieser Vorgang entspricht nicht, wie der Stpfl. meint, einer normalen Geschäftsabwicklung zwischen Fremden. Ein Geschäftsmann kommt wohl kaum auf den Gedanken, einem Fremden als Darlehen Geld zu geben, damit dieser sich ein Grundstück kauft und es dann dem Stpfl. für Geschäftszwecke vermietet. Das FG sieht den entscheidenden Grund für die von den Ehegatten gewählte Rechtsgestaltung darin, daß der Ehemann seiner Ehefrau durch die Grundstücksbeschaffung eine vermögensmäßige Sicherung schaffen wollte. Diese Zielsetzung ist ausschließlich familiär (außerbetrieblich).
Die § 7c-Fälle, die der Stpfl. anführt, lagen anders. Damals hatten die "Bezuschußten" Grundstücke, die sie nicht aus der Hand geben wollten, an denen aber dem Zuschußgeber gelegen war. Die Geber erhielten für die 7c-Zuschüsse und 7c-Darlehen steuerliche Vergünstigungen. Jedenfalls können diese Fälle mit dem Streitfall nicht verglichen werden.
Der Hinweis des Stpfl., er habe durch die Darlehensgewährung den Gewinn nicht gemindert und eine Entnahme würde nicht vorliegen, wenn er selbst das Grundstück zu Betriebszwecken erworben hätte, greift nicht durch. Denn der Stpfl. hat einen anderen Weg gewählt, und nur der tatsächlich gewählte Weg ist hier steuerlich zu beurteilen. Wie das FG mit Recht darlegt, besteht keine Möglichkeit, das Grundstück dem Stpfl. selbst zuzurechnen und es als zum Betriebsvermögen des Stpfl. gehörig zu behandeln.
Fundstellen
Haufe-Index 412175 |
BStBl III 1966, 583 |
BFHE 1966, 556 |
BFHE 86, 556 |
BB 1966, 1135 |
DB 1966, 1548 |