Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Aufgabe eines verpachteten land- und forstwirtschaftlichen Betriebs
Leitsatz (NV)
1. Die Erklärung der Aufgabe eines verpachteten Betriebs kann nicht mit rückwirkender Kraft abgegeben werden.
2. Teilt der Steuerpflichtige mit, er habe seinen Betrieb zu einem früheren Zeitpunkt aufgegeben, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob sich der Steuerpflichtige auf die Äußerung einer Rechtsansicht beschränken, oder ob er zugleich eine rechtsgestaltende Erklärung für den Fall abgeben wollte, dass sich das FA seiner Rechtsansicht nicht anschließen würde.
Normenkette
EStG §§ 14, 16 Abs. 3; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) unterhielt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Acker- und Weinbauflächen. Während die Äcker seit 1970 an verschiedene Landwirte verpachtet waren, bewirtschaftete sie die Weinberge bis 1994 selbst. Durch ihren Steuerberater erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 14. Dezember 1994 --eingegangen am 16. Dezember 1994-- dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) gegenüber die Betriebsaufgabe zum 30. Juni 1994. Das FA wies die Klägerin mit Schreiben vom 3. Januar 1995 darauf hin, dass eine rückwirkende Betriebsaufgabe spätestens drei Monate nach dem Aufgabezeitpunkt zu erklären sei, andernfalls der Betrieb gemäß Abschn. 139 Abs. 5 der Einkommensteuer-Richtlinien 1993 (EStR 1993) zum Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung als aufgegeben gelte.
In ihrer am 8. Juli 1996 beim FA eingegangenen Einkommensteuererklärung 1994 erklärte die Klägerin für die Wirtschaftsjahre 1993/94 und 1994/95 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, ohne die Betriebsaufgabe zu erwähnen. Die Einkommensteuer 1994 wurde auf 0 DM festgesetzt. Nachdem die Klägerin am 17. Juni 1997, wiederum durch ihren Steuerberater, die Löschung des Steuerfalls beantragt hatte, weil sich wegen des geringen Pachtzinses und der bescheidenen Rente unter Berücksichtigung des Freibetrags für Land- und Forstwirte sowie der Sonderausgaben keine Einkommensteuer mehr ergebe, fragte das FA an, ob der Betrieb aufgegeben oder fortgeführt werde. Die Klägerin antwortete am 24. Juni 1997, eine Betriebsaufgabe werde nicht erklärt.
Am 8. Juli 1998 ging dann beim FA eine Betriebsaufgabeerklärung zum 30. Juni 1998 ein. In der am 28. Juli 2000 eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 1998 (Streitjahr) wurde ein Aufgabegewinn nicht erklärt, weil die Klägerin die Auffassung vertrat, die landwirtschaftlichen Flächen seien seit 1933 im Familienbesitz, enthielten wegen der früheren hohen Werte keine stillen Reserven und gälten wegen einer Nutzungsänderung vor dem 1. Juli 1979 auf Grund des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 15. März 1979 (BStBl I 1979, 162) als entnommen.
Das FA ermittelte einen Aufgabegewinn von … DM, der im Einspruchsverfahren nach Gewährung rechtlichen Gehörs auf … DM erhöht und mit der Einspruchsentscheidung auf … DM festgestellt wurde.
Der dagegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) mit der Begründung statt, die Betriebsaufgabe sei bereits mit dem Eingang der Erklärung im Schreiben vom 14. Dezember 1994 unwiderruflich wirksam geworden und auch nicht wegen Irrtums anfechtbar. Die Erklärung eines Aufgabegewinns sei nicht erforderlich. Da die Klägerin steuerlich vertreten gewesen sei, könne die Erklärung der Betriebsaufgabe auch nicht als bloße Absichtserklärung beurteilt werden. Das widersprüchliche Verhalten der Klägerin in der Folgezeit sei wegen der Unwiderruflichkeit und der Unanfechtbarkeit der Erklärung bedeutungslos. Die Klägerin hätte sich auch gegen eine Schätzung des Aufgabegewinns nicht mit einem Widerruf oder der Irrtumsanfechtung zur Wehr setzen können.
Mit seiner dagegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und trägt vor: Im Jahr 1994 sei keine Betriebsaufgabe erfolgt, weil die rückwirkende Erklärung der Betriebsaufgabe auf den 30. Juni 1994 unwirksam gewesen sei. Im Streitfall führe aber auch eine Auslegung dieser Erklärung nicht dazu, dass die Klägerin die Betriebsaufgabe mit dem Zugang ihres Schreibens vom 14. Dezember 1994 habe erklären wollen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat sich zur Revision nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin ihren verpachteten Betrieb zum 16. Dezember 1994 aufgegeben habe. Die Betriebsaufgabe wurde zum 30. Juni 1998 erklärt. Das FA hat daher zu Recht auf diesen Zeitpunkt einen der Höhe nach unstreitigen Aufgabegewinn ermittelt und dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu Grunde gelegt.
1. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG war der land- und forstwirtschaftliche Betrieb der Klägerin parzelliert verpachtet. Der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu Folge kann der Landwirt auch in diesem Fall wählen, ob er den Vorgang als Betriebsaufgabe behandeln oder ob er das Betriebsvermögen fortführen will (Urteil vom 15. Oktober 1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260, und seitdem ständige Rechtsprechung). Die Klägerin konnte daher jeder Zeit die Betriebsaufgabe erklären und damit nach Versteuerung der stillen Reserven weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen.
a) Zutreffend hat das FG die rückwirkende Erklärung der Betriebsaufgabe mit Schreiben vom 14. Dezember 1994 nicht anerkannt. Der Senat hat wiederholt entschieden, dass steuerrechtliche Gestaltungserklärungen, zu denen die Betriebsaufgabeerklärung gehört, nicht mit rückwirkender Kraft abgegeben werden können (vgl. Senatsurteile in BFHE 152, 62, 69, BStBl II 1988, 260, 263, und vom 12. März 1992 IV R 29/91, BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36, A.II.4.). Soweit die Finanzverwaltung (vgl. R 139 Abs. 5 EStR 1993) die Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns auf einen längstens drei Monate zurückliegenden Zeitpunkt zulässt, handelt es sich nicht um die steuerliche Anerkennung einer rückwirkend erklärten Betriebsaufgabe, sondern um eine Vereinfachungsregelung durch Übernahme früher ermittelter Werte, die auf dem Erfahrungssatz beruht, dass sich die Werte in einem Zeitraum von drei Monaten regelmäßig kaum verändern (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456, und vom 25. Januar 1996 IV R 19/94, BFH/NV 1996, 600).
Wie der Senat ferner mehrfach entschieden hat, ist bei der Mitteilung eines Steuerpflichtigen, er habe seinen Betrieb zu einem früheren Zeitpunkt aufgegeben, im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob sich der Steuerpflichtige auf die Äußerung einer Rechtsansicht beschränken oder ob er zugleich eine rechtsgestaltende Erklärung für den Fall abgeben wollte, dass sich das FA seiner Rechtsansicht nicht anschließen würde (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260; vom 13. September 1990 IV R 60/90, BFH/NV 1991, 297, und in BFH/NV 1996, 600).
b) Entgegen der Meinung des FG stellt aber das Schreiben der Klägerin vom 14. Dezember 1994 auch keine Aufgabeerklärung zum Zeitpunkt seines Zugangs dar. Willenserklärungen sind zwar grundsätzlich Gegenstand der tatsächlichen Feststellungen des FG. Die Würdigung einer Willenserklärung durch das FG kann der BFH nur daraufhin überprüfen, ob das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln (z.B. §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) beachtet und nicht gegen Denkgesetze (Gesetze der Logik) und Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1999 XI R 6/98, BFHE 188, 415, BStBl II 1999, 735, und Beschluss vom 24. August 2001 XI B 87/00, BFH/NV 2002, 199). Allerdings ist die Auslegung des FG für den BFH bindend, wenn sie den gesetzlichen Auslegungsregeln und den Denkgesetzen entspricht, auch wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (BFH-Urteil vom 22. November 1994 VIII R 44/92, BFHE 176, 138, BStBl II 1995, 900, II.2.a).
Im Streitfall verstößt die Auslegung des FG jedoch gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln und Denkgesetze. Das FG hat insoweit lediglich ausgeführt, der Wortlaut der Erklärung sei eindeutig auf die Betriebsaufgabe gerichtet; die Klägerin sei steuerlich beraten und es gebe keinen Zweifel am Inhalt der Erklärung. Diese Würdigung ist indessen nur zutreffend, bezieht man sie auf die tatsächlich geäußerte Erklärung der Betriebsaufgabe zum 30. Juni 1994. Hieraus kann aber nicht auf eine Betriebsaufgabeerklärung auf den 16. Dezember 1994, den Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens beim FA geschlossen werden, zumal die Klägerin es unterlassen hat, der im Schreiben des FA vom 3. Januar 1995 enthaltenen Bitte nachzukommen, die Unterlagen zur Ermittlung des Aufgabegewinns mit der Einkommensteuererklärung 1993 einzureichen. Dies ist ersichtlich nicht geschehen. Vielmehr hat die auch hierbei steuerlich vertretene Klägerin mit der Einkommensteuererklärung 1994 und den Folgeerklärungen weiter Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärt und sich zu der im Erklärungsvordruck enthaltenen Abfrage, ob ein Betriebsaufgabegewinn vorliege, nicht geäußert. Schließlich hat sie mit Schreiben vom 24. Juni 1997 auf Anfrage des FA ausdrücklich mitgeteilt, eine Betriebsaufgabe werde nicht erklärt.
2. War danach der verpachtete Betrieb weder zum 30. Juni noch zum 16. Dezember 1994 aufgegeben, so erfolgte die Betriebsaufgabe zum 30. Juni 1998 durch die Erklärung vom 8. Juli 1998, die dem FA am selben Tag zugegangen ist. Im Unterschied zu der vormaligen Betriebsaufgabeerklärung wirkte diese Erklärung nur wenige Tage zurück und sollte nach dem Willen der Klägerin auch zu einer Überführung der Grundstücke in das Privatvermögen führen. Denn mit Schreiben vom 19. Oktober 1998 überreichte die Klägerin dem FA u.a. ein Grundstücksverzeichnis. Dass sie im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 die Auffassung vertrat, die landwirtschaftlichen Flächen enthielten wegen der hohen Buchwerte keine stillen Reserven und gälten außerdem auf Grund des BMF-Schreibens vom 15. März 1979 als entnommen, ist für die Wirksamkeit der Betriebsaufgabeerklärung ohne Bedeutung. Diese Auffassung hat die Klägerin im Klageverfahren im Übrigen aufgegeben.
3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 1417148 |
BFH/NV 2005, 1997 |
HFR 2006, 24 |