Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansatz der Kostenmiete beim Nutzungswert der Wohnung im besonders aufwendigen Zweifamilienhaus
Leitsatz (NV)
1. Der Senat hält an seiner ständigen Rechtsprechung fest, daß der Nutzungswert der eigenen Wohnung in einem besonders aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Zweifamilienhaus anhand der Kostenmiete zu ermitteln ist, wenn sich eine für vergleichbare Objekte am Wohnungsmarkt erzielbare Miete nicht feststellen läßt oder die Marktmiete den besonderen Wohnwert der Wohnung nicht angemessen widerspiegeln würde.
2. Als Grundlage einer Marktmiete kann nicht die für (9) vermietete Einfamilienhäuser am gleichen Ort erzielte Miete herangezogen werden, wenn deren Vermietung untypisch nur vorübergehend oder an Mitarbeiter des Vermieters erfolgt oder anderweitige persönliche Beziehungen zwischen Mieter und Vermieter die Mietbedingungen gestaltet haben.
Normenkette
EStG 1982 § 8 Abs. 2, § 21 Abs. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammen veranlagte Eheleute mit drei Kindern und Eigentümer eines zum Jahresende 1983 bezugsfertig gewordenen Zweifamilienhauses in A. Die Anschaffungskosten für das unbebaute Grundstück hatten 600 000 DM betragen; die Herstellungskosten des Gebäudes betrugen zum Jahresende 1984 2 035 675 DM. Die 281,97 qm große Hauptwohnung wurde im Streitjahr 1984 von den Klägern selbst genutzt; die 32,04 qm große Einliegerwohnung war ab 15. Dezember 1984 für monatlich 500 DM zuzüglich 90 DM Nebenkosten vermietet.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr setzten die Kläger als Mietwert der selbstgenutzten Wohnung den Betrag von 29 400 DM (10 DM je Quadratmeter), als Mietwert der Garage 600 DM und die für die Einliegerwohnung vereinnahmte Miete von 300 DM an. Als Werbungskosten machten sie vor allem Schuldzinsen und degressive Absetzungen für Abnutzung (AfA), insgesamt den Betrag von 252 277 DM geltend. Dagegen ermittelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Rohmietwert der Wohnung durch Ansatz der Kostenmiete wie folgt:
Wert des Grund und Bodens 600 000 DM
+ Herstellungskosten des Gebäudes ohne Schwimmbad und Sauna 1885 675 DM
zusammen 2485 675 DM
hiervon 4 % = 99 427 DM
Herstellungskosten für Schwimmbad und Sauna (geschätzt) 150 000 DM
hiervon 8 % = 12 000 DM
Summe 111 427 DM
abzüglich Mieteinnahmen für Einliegerwohnung 7 200 DM
Kostenmiete 104 227 DM
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der erzielbaren Miete statt. Es führte im wesentlichen aus: Im Streitfall habe der Sachverständige in seinem Gutachten neun vermietete Einfamilienhäuser in einer vergleichbaren Wertigkeit recherchiert und überprüft. Er habe für die Vergleichshäuser Quadratmetermieten von 13,40 DM bis 18,50 DM ermittelt. Dabei habe er das streitbefangene Wohngrundstück mit dem obersten Wert der Bandbreite, also 18,50 DM, bewertet. Der vom Sachverständigen ermittelte Wert stelle eine Marktmiete dar, in der sich gerade der besondere Wohnwert der Wohnung der Kläger angemessen ausdrücke. Bei dieser Sachlage sei für einen Rückgriff auf die Kostenmiete allein unter Hinweis auf die verhältnismäßig hohen Herstellungskosten und die Merkmale, die eine Bewertung des Grundstücks im Sachwertverfahren rechtfertigen, kein Raum. Beim Ansatz der Kostenmiete würde vielmehr ein tatsächlich nicht vorhandener Nutzungswert der Besteuerung unterworfen. Der Nutzungswert für die eigengenutzte Wohnung sei daher antragsgemäß mit (281 qm x 18,50 DM x 12 =) 62 382 DM anzusetzen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Das FG sei vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Januar 1986 IX R 7/79 (BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394) abgewichen. Außerdem lasse sich hier eine für vergleichbare Objekte am Wohnungsmarkt erzielbare Miete nicht feststellen. Sollte jedoch die vom Sachverständigen geschätzte Miete als Marktmiete anzusehen sein, so spiegele sie den besonderen Wohnwert der Wohnung nicht angemessen wider.
Hilfsweise sei noch anzumerken, daß das FG den rechtlichen Gesichtspunkt der Liebhaberei gänzlich unberücksichtigt gelassen habe, obwohl der BFH wiederholt auch bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung Liebhaberei für möglich erachtet habe. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, daß Ende 1998 die Nutzungswertbesteuerung ende.
Die Kläger beantragen, die Revison als unbegründet zurückzuweisen.
Gegenüber dem Urteil in BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394 sei vor allem einzuwenden, daß der Ansatz der Kostenmiete in Wahrheit keine gesetzliche Grundlage habe, da er weder auf § 8 Abs. 2 EStG noch auf § 21 Abs. 2 oder § 21 a EStG gestützt werden könne.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA einen hinsichtlich der Grund- und Kinderfreibeträge vorläufigen Änderungsbescheid erlassen, den die Kläger gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht haben.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet, weil das Urteil des FG § 21 Abs. 2 EStG verletzt.
Der gemäß § 21 Abs. 2 EStG einkommensteuerpflichtige Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus ist nach ständiger Rechtsprechung in der Weise zu ermitteln, daß einem zu schätzenden Rohmietwert die nachgewiesenen Werbungskosten gegenübergestellt werden. Nach der Rechtsprechung des Senats seit seiner Grundsatzentscheidung in BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394 ist der Nutzungswert der eigenen Wohnung in einem besonders aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Zweifamilienhaus anhand der Kostenmiete zu ermitteln, wenn sich eine für vergleichbare Objekte am Wohnungsmarkt erzielbare Miete nicht feststellen läßt oder die Marktmiete den besonderen Wohnwert der Wohnung nicht angemessen widerspiegeln würde. Für die Annahme der letztgenannten Fallgestaltung ist außer verhältnismäßig hohen Herstellungskosten des Gebäudes auch bedeutsam, ob wegen der besonderen Gestaltung oder Ausstattung des Grundstücks die Voraussetzungen für eine Bewertung des Grundstücks im Sachwertverfahren vorliegen (vgl. ferner z. B. die BFH-Urteile vom 21. Januar 1986 IX R 27/83, BFH/NV 1986, 456; vom 26. Januar 1988 IX R 123/84, BFH/NV 1988, 635, und vom 29. März 1988 IX R 55/83, BFH/NV 1988, 636). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
Das FG ist hiervon rechtsfehlerhaft abgewichen.
Es hat zunächst den Begriff der Marktmiete verkannt; denn die höchstrichterliche Rechtsprechung hat für den Ansatz der Marktmiete im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG stets deren Ableitung aus der Vermietung vergleichbarer Wohnobjekte nicht nur in der näheren Umgebung gefordert (BFH-Urteile vom 10. August 1972 VIII R 82/71, BFHE 106, 543, BStBl II 1972, 883, und VIII R 80/69, BFHE 107, 199, BStBl II 1973, 10, sowie vom 11. Oktober 1977 VIII R 20/75, BFHE 123, 347, BStBl II 1977, 860). Hiermit läßt sich die Schätzung des Rohmietwerts durch das FG entsprechend dem Sachverständigengutachten nicht vereinbaren. Das FG hat außer acht gelassen, daß es sich bei den von dem Gutachter herangezogenen Vergleichsmieten für neun vermietete Einfamilienhäuser durchweg um untypische Fälle handelt, weil die Vermietung entweder nur vorübergehend oder an Mitarbeiter des Vermieters erfolgt war oder anderweitig persönliche Beziehungen zwischen Mieter und Vermieter die Mietbedingungen gestaltet haben, worauf der Sachverständige ausdrücklich hingewiesen hat. Hiernach kann von einer ,,Marktmiete" keine Rede sein.
Das FG war ferner zu Unrecht der Ansicht, daß die für die Wohnung der Kläger nach dem Sachverständigengutachten erzielbare Miete deren Wohnwert angemessen widerspiegeln würde. Denn es handelt sich um ein Anwesen mit sehr hohen Herstellungskosten des Gebäudes, das außerdem unstreitig besonders gestaltet und ausgestattet ist. Nach dem vom FG insoweit in Bezug genommenen Sachverständigengutachten ist das von einem bekannten Architektenteam im . . . stil errichtete Gebäude sehr anspruchsvoll gestaltet und ausgestattet. Das Haus hat hiernach eine Außenfassade mit weißen Putzflächen, großen Fensterelementen - Thermopanefenster in Holz- und mit Metallrahmen - und Erkern mit Flachdächern. Im Inneren des Gebäudes sind der Eingangs- und Eßbereich mit weißem Marmor verkleidet; ferner sind die Bäder mit Kleinmosaik und ausgeformten Dusch- sowie WC-Kabinen ausgestattet, die Saune mit Fliesenboden, Tauchbecken und Dusche, Wohn- und Schlafbereich mit Textilböden sowie offenem Kamin, die Terrassen mit Holzbelag; in der Terrasse hinter dem Wohnraum ist ein Außenschwimmbecken mit Pergola und Außendusche. Das Anwesen befindet sich in steiler Hanglage mit unverbaubarer Aussicht über die Stadt. Der Garten ist weitgehend als Wildgarten mit alten Bäumen und Sträuchern belassen.
Solch ein Wohnobjekt ist offensichtlich nicht zur Fremdvermietung, sondern allein zur Eigennutzung bestimmt. Die vom FG festgestellte erzielbare Miete je Wohnfläche trägt dem investierten Kapital und der besonderen Gestaltung nicht annähernd Rechnung.
Die Angriffe der Kläger gegen den Ansatz der Kostenmiete gehen ebenfalls fehl. Eine Verletzung des Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der nach § 21 Abs. 2 EStG einkommensteuerpflichtige Nutzungswert der Wohnung nur geschätzt werden kann. Da diese Vorschrift nicht regelt, wie der Nutzungswert der Wohnung zu schätzen ist, oblag es der Rechtsprechung, hierzu Schätzungsmethoden zu entwickeln. Die Ansicht der Kläger, daß diese Schätzung durchweg in Anlehnung an § 8 Abs. 2 EStG zu geschehen habe, verkennt, daß für Wohnungen wie im Streitfall keine ,,üblichen Mittelpreise des Verbrauchsortes" i. S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG feststellbar sind. Eine derart aufwendig errichtete und nach den persönlichen Vorstellungen der Bauherren gestaltete Wohnung wird vielmehr nur ausnahmsweise und dann praktisch nie kostendeckend vermietet. Im übrigen hat der Senat bereits im Urteil in BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394 (Nr. 2 Buchst. c der Gründe) darauf hingewiesen, daß sich auch beim Ansatz der Kostenmiete als Rohmietwert durch den ungekürzten Abzug aller Aufwendungen regelmäßig ein erheblicher Werbungskostenüberschuß ergibt, der den Eigentümer eines aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Zweifamilienhauses in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht noch immer erheblich gegenüber den Eigentümern üblicher Zweifamilienhäuser begünstigt. Im vorliegenden Fall hat das FA für das Streitjahr bereits einen ungewöhnlich hohen negativen Nutzungswert von nahezu 150 000 DM berücksichtigt.
Hiernach kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist spruchreif. Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob das FA die Höhe der Kostenmiete zutreffend ermittelt hat. Denn sowohl eine Schätzung der Kostenmiete mit 6 v. H. der Herstellungskosten entsprechend dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 2. Oktober 1986 IV B 1 - S 2253 - 103/86 (BStBl I 1 986, 486) als auch nach der von der bisherigen BFH-Rechtsprechung zugrunde gelegten II. Berechnungsverordnung würde zu noch höheren Beträgen führen, die wegen des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots nicht angesetzt werden dürften. Dies zeigt, daß das Begehren der Kläger, im Hinblick auf die selbstgenutzte Wohnung einen noch darüber hinausgehenden Werbungskostenüberschuß von mehr als 220 000 DM anzuerkennen, sich mit dem Sinn und Zweck der Besteuerung eines Nutzungswerts (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Dezember 1958 1 BvR 488/57, BStBl I 1959, 68) noch weniger vereinbaren ließe.
Offenbleiben kann, ob die Voraussetzungen für eine Ermittlung des Nutzungswerts nach § 21 a Abs. 1 Satz 2 EStG vorgelegen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 417925 |
BFH/NV 1991, 816 |