Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Verpflegungsmehraufwand wegen ungewöhnlich langer Arbeitsschicht
Leitsatz (NV)
Ungewöhnlich lange Arbeitsschichten führen nicht zur Abziehbarkeit von Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1; LStR 1990 Abschn. 33 Abs. 2 Nr. 4 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Feuerwehrmann bei der Berufsfeuerwehr. Im Streitjahr 1990 hatte er an 86 Tagen je 24 Stunden Dienst. Hierfür machte er einen Verpflegungsmehraufwand von jeweils 8 DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) lehnte die steuerliche Berücksichtigung wegen fehlenden Nachweises ab.
Mit der deswegen erhobenen Klage brachte der Kläger u. a. vor, Verpflegungsmehraufwendungen entstünden ihm dadurch, daß er bei Einsätzen auf teure Verpflegung vor Ort angewiesen sei oder daß er Mahlzeiten, die er in der Küche der Einsatzzentrale zubereitet habe, stehenlassen und nach den Einsätzen wegwerfen müsse.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) nahm Bezug auf ein eigenes Urteil in einer Streitsache des Klägers betreffend das Jahr 1983. Dort hatte es Werbungskosten von 8 DM pro 24-Stunden-Schicht anerkannt, weil bei dem Kläger aus beruflichen Gründen offensichtlich Mehrkosten gegenüber der gemeinsamen Verpflegung im ehelichen Haushalt angefallen seien (Selbstversorgung in der Dienststelle, mehrmaliges Zubereiten von Mahlzeiten wegen dazwischenkommender Einsätze, insbesondere bei längeren Einsätzen auch Einnahme von Mahlzeiten in Imbißstuben). Ergänzend führte das FG aus, zwar habe der Kläger in einem Teil des Streitjahres von seiner Ehefrau getrennt gelebt, was den Mehraufwand relativ vermindert haben möge. Zu seinen Gunsten sei aber zu berücksichtigen, daß die Lebenshaltungskosten seit 1983 erheblich gestiegen seien. Insgesamt halte der Senat angesichts der plausiblen Darlegungen des Klägers einen Satz von 8 DM pro 24-Stunden-Schicht für hinreichend glaubhaft gemacht.
Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung von § 9 Abs. 1, § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es führt aus, Aufwendungen für die Ernährung könnten regelmäßig nicht die steuerliche Bemessungsgrundlage mindern. Allein der Umstand, daß der Kläger berufsbedingt ungewöhnlich lange von seiner Wohnung abwesend sei, führe nicht zum Anfall beruflich veranlaßter Verpflegungsmehraufwendungen. Nachweise über konkreten berufsbedingten Verpflegungsmehraufwand habe der Kläger nicht vorgelegt. Das FG habe die Höhe des für glaubhaft gehaltenen Aufwands geschätzt. Es sei jedoch nicht erkennbar, welche Gesichtspunkte dem Schätzungsergebnis zugrunde lägen und wie das FG zu Mehraufwendungen gerade von 8 DM gelangt sei.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zu Unrecht Verpflegungsmehraufwendungen des Klägers in Höhe von 8 DM pro Tag als Werbungskosten anerkannt.
1. Aufwendungen für die Ernährung ge hören grundsätzlich zu den Kosten der Lebensführung, die nach § 12 Nr. 1 EStG steuerlich nicht zu berücksichtigen sind. Erstmals ab 1996 ist für bestimmte Fallgruppen (auswärtige berufliche Tätigkeit, doppelte Haushaltsführung) die Abziehbarkeit von Verpflegungsmehraufwendungen abschließend gesetzlich geregelt (§ 4 Abs. 5 Nr. 5, § 9 Abs. 5 EStG). Bis 1995 konnten Verpflegungskosten nach all gemeinen Regeln als Werbungskosten abgesetzt werden, wenn ein Mehraufwand eindeutig durch das Erwerbsverhältnis veranlaßt war. Dies betraf im wesentlichen den Fall, daß aus beruflichen Gründen die Verpflegung höhere Kosten als üblich erfordert. Hierbei ging die Rechtsprechung davon aus, daß Personen, die nicht immer am selben Arbeitsplatz tätig sind, deswegen einen -- beruflich veranlaßten -- Mehraufwand haben können, weil sie die günstigeren Möglichkeiten des Essens zu Hause oder in einer Kantine usw. nicht nutzen können (vgl. Thomas, Der Betrieb 1994, 1389, m. w. N.). Der bei Auswärtstätigkeiten anfallende berufliche Verpflegungsmehraufwand wurde regelmäßig durch Pauschalen, die in Verwaltungsanweisungen festgesetzt waren, berücksichtigt. Für die Verpflegungsmehraufwendungen hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Vergangenheit anerkannt, daß die in den Richtlinien der Verwaltung getroffenen Regelungen insoweit eine grundsätzlich auch von den Gerichten zu beachtende Konkretisierung des Werbungskostenbegriffs darstellen (vgl. Urteil vom 13. Januar 1995 VI R 82/94, BFHE 176, 419, BStBl II 1995, 324).
2. Im Streitfall kann der geltend gemachte Werbungskostenabzug weder auf eine von der Verwaltung festgelegte Verpflegungspauschale gestützt noch unmittelbar aus § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hergeleitet werden.
a) Der Umstand, daß der Kläger ungewöhnlich lange Arbeitsschichten zu leisten hatte, führt nicht zum Abzug pauschaler Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten. Die Finanzverwaltung hatte zwar ursprünglich für den Fall arbeitstäglich langer Abwesenheit des Arbeitnehmers von der Wohnung einen beruflich bedingten Verpflegungsmehraufwand unterstellt und diesen pauschal mit (zuletzt) 3 DM täglich angesetzt (vgl. Abschn. 22 Abs. 4 Nr. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien -- LStR -- 1987). In der Richtlinienregelung ab 1990 wird eine allein auf längere Wohnungsabwesenheit gegründete Verpflegungspauschale jedoch nicht mehr anerkannt (Abschn. 33 Abs. 2 Nr. 4 Satz 3 LStR 1990). Diese Änderung hat der BFH mit dem Urteil vom 21. Januar 1994 VI R 112/92 (BFHE 173, 166, BStBl II 1994, 418) ausdrücklich bestätigt.
Auch für die Einsätze des Klägers außerhalb seiner Dienststelle sind Verpflegungspauschalen nicht zu berücksichtigen. Es kommen Pauschalen weder für eine Einsatzwechseltätigkeit noch für Dienstgänge in Betracht. Denn in beiden Fällen konnten Verpflegungsmehraufwendungen ohne Nachweis des tatsächlichen Aufwands nur bei mehr als sechsstündiger Abwesenheit des Arbeitnehmers von der Arbeitsstätte bzw. von der Wohnung angesetzt werden (Abschn. 39 Abs. 5 Satz 2, Abs. 7 Satz 2 LStR 1990); der Kläger hat aber über Anzahl und Dauer seiner Außeneinsätze keine Angaben gemacht. Im übrigen liegt wegen der regelmäßigen Arbeitsstätte des Klägers schon begrifflich eine Einsatzwechselstätigkeit (Abschn. 37 Abs. 6 LStR 1990) nicht vor. Keine Anhaltspunkte bestehen ferner dafür, daß der Kläger Dienstreisen durchgeführt hätte, für die der Arbeitnehmer in einer Entfernung von mehr als 20 km von seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig sein mußte (Abschn. 37 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LStR 1990).
b) Der rechtlichen Beurteilung des FG, daß die streitigen Verpflegungsmehraufwendungen unabhängig von Verwaltungsregelungen auf der Grundlage des allgemeinen Werbungskostenbegriffs (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) abziehbar seien, kann nicht gefolgt werden. Ein eindeutig beruflich veranlaßter Verpflegungsmehraufwand ist dem Kläger nicht entstanden. Zwar hat er sich aufgrund seiner Berufstätigkeit außerhalb seiner Wohnung verpflegen müssen. Daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, daß die Nahrungsaufnahme im beruflichen Bereich zu zusätzlichen Kosten gegenüber der häuslichen Verpflegung geführt habe. Auch die überlange Abwesenheit von der Wohnung bietet keine Wahrscheinlichkeit für den Anfall beruflich veranlaßter Mehraufwendungen für Verpflegung. Allein der Umstand, daß Verpflegungskosten während der Arbeitszeit anfallen, macht diese Aufwendungen nicht zu berufsbedingten und damit steuerlich abziehbaren Kosten (BFH-Urteil in BFHE 173, 166, BStBl II 1994, 418).
Ein Mehraufwand aus beruflichem Anlaß käme im Streitfall lediglich insoweit in Betracht, als der Kläger in der Dienststelle eine Mahlzeit wegen eines Einsatzes nicht einnehmen konnte und er nach der Rückkehr, weil die Speise ungenießbar geworden war, erneut ein Essen herrichten mußte. Solche vergebliche Aufwendungen hätten aber, um steuerliche Berücksichtigung zu finden, im einzelnen nachgewiesen werden müssen. Die bloße Behauptung eines entsprechenden Vorgangs reicht nicht aus; denn es besteht kein Erfahrungssatz des Inhalts, daß einem Feuerwehrmann während seines Bereitschaftsdienstes täglich Kosten für nutzlos zubereitete Speisen entstehen. Der Kläger hat jedoch weder im Verwaltungsverfahren noch vor dem FG das Entstehen derartiger Kosten dargelegt. Das FG hat dadurch, daß es gleichwohl Verpflegungsmehraufwendungen von 8 DM pro Tag angesetzt hat, einen Aufwand nicht geschätzt, sondern zu Unrecht in typisierender Weise unterstellt.
3. Die Vorentscheidung entspricht nicht den hier wiedergegebenen Rechtsgrundsätzen. Sie war deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da dem Kläger die geltend gemachten Werbungskosten nicht zustehen, war die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 422071 |
BFH/NV 1997, 475 |
DStRE 1998, 343 |