Leitsatz (amtlich)
a) Die Rechtsscheinhaftung wegen Fortlassung des nach § 4 Abs. 2 GmbHG vorgeschriebenen Formzusatzes trifft ausschließlich den für die Gesellschaft auftretenden Vertreter.
b) Mündliche Geschäftsabschlüsse begründen nicht das die Rechtsscheinhaftung auslösende Vertrauen, vielmehr ist „Zeichnung” des Vertreters unter Fortlassung des Formzusatzes oder die ausdrückliche mündliche Verneinung des Handelns für eine GmbH erforderlich.
Normenkette
BGB § 164; GmbHG § 4 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 23. August 1995 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die früheren Kläger K. und O. hatten in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Bauunternehmen betrieben. Während des vorliegenden Rechtsstreits, in welchem sie ausstehenden Werklohn eingeklagt haben, ist über das Vermögen des „Bauunternehmens K. und Partner” das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und der jetzige Kläger zum Vermögensverwalter bestellt worden. Er hat den während des Berufungsverfahrens unterbrochenen Rechtsstreit aufgenommen.
Der Beklagte war Geschäftsführer einer „TV HIFI VIDEOCENTER M. P. GmbH” mit Sitz in H. Seine Ehefrau gründete am 17. Dezember 1990 als Alleingesellschafterin die „TV-Hifi-Proficenter GmbH” mit Sitz in E.; sie wurde zur ersten Geschäftsführerin bestellt, der Beklagte erhielt gleichzeitig Einzelprokura. Die Gesellschaft wurde am 11. Juni 1991 nach Änderung unter anderem der Firma unter der Bezeichnung „Mega TV T.” in das Handelsregister des Amtsgerichts E. eingetragen. Wie sich aus einer am 3. Februar 1991 von dem Beklagten und dem Zeugen S. unterzeichneten „Absichtserklärung” ergibt, wollte die Gesellschaft in von S. angemieteten, aber noch umzugestaltenden Räumen in der T.straße in E. ein Ladenlokal eröffnen; S. sollte dort als Angestellter der Gesellschaft tätig sein, und in das Mietverhältnis sollte die TV-Hifi-Proficenter GmbH eintreten. An der Weigerung des Zeugen S., das Mietverhältnis auf die Gesellschaft überzuleiten, ist das Vorhaben Ende März 1991 gescheitert.
Die früheren Kläger haben im Februar/März 1991 die in der genannten „Absichtserklärung” angesprochenen Umbauarbeiten ausgeführt und hierfür unter dem 12. März 1991 mit einer an die „TV-Hifi-Profi-Center, T.straße, E.” adressierten Rechnung Bezahlung von 9.280,78 DM gefordert. Nach ihrer in der Klage aufgestellten Behauptung hatte ihnen der Beklagte am 12. Februar 1991 den Auftrag für die Arbeiten erteilt, dieselben überwacht und sie nach Fertigstellung abgenommen. Nach Vernehmung des Zeugen S. durch das Landgericht haben sich die Kläger auch auf dessen Aussage berufen, er, S., habe die Arbeiten für die „TV-Hifi-Proficenter” in Auftrag gegeben, dabei aber nicht darauf hingewiesen, daß es sich bei diesem Unternehmen um eine GmbH in Gründung handele.
Dem auf Bezahlung der offenen Werklohnrechnung gerichteten Klagebegehren ist in den Vorinstanzen entsprochen worden. Mit der – zugelassenen – Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Es hat den Beklagten zur Bezahlung der Bauhandwerkerrechnung mit der Begründung verurteilt, er habe nach den Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung dafür einzustehen, daß der Zeuge S. den früheren Klägern den Auftrag zum Umbau des Ladenlokals namens des TV-Hifi-Proficenters erteilt und dabei nicht deutlich gemacht habe, daß hinter dem Auftraggeber keine unbeschränkt haftende natürliche Person stehe; daß der Auftrag nur mündlich erteilt worden sei, stehe der Rechtsscheinhaftung nicht entgegen.
Dies hält – wie beide Parteien in der Revisionsinstanz übereinstimmend meinen – der rechtlichen Prüfung nicht stand. Zutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, der Zeuge S. habe durch sein Handeln im Namen der TV-Hifi-Proficenter die damalige – inzwischen unter der Firma Mega TV T. GmbH in das Handelsregister eingetragene – Vorgesellschaft verpflichtet. Dies entspricht – wenn man wie das Berufungsgericht von der Richtigkeit der Bekundung des Zeugen S. ausgeht und nicht den ursprünglichen, jedenfalls nicht endgültig aufgegebenen Vortrag der früheren Kläger zugrunde legt, der Beklagte persönlich habe am 12. Februar 1991 den Bauauftrag erteilt – der gefestigten Rechtsprechung des Senats zu den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Vertreterhandelns (vgl. SenUrt. v. 15. Januar 1990 – II ZR 311/88, WM 1990, 600 m.w.N.; SenUrt. v. 24. Juni 1991 – II ZR 293/90, ZIP 1991, 1004 = NJW 1991, 2627 m. Anm. Canaris). Von seinem genannten Ausgangspunkt unzutreffend ist jedoch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte persönlich habe aus dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung für das Verhalten S.s einzustehen. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt SenUrt. v. 24. Juni 1991 a.a.O. m.w.N.) haftet der für eine GmbH im Geschäftsverkehr Auftretende – gleichgültig, ob der Geschäftsführer selbst oder ein anderer Vertreter für das Unternehmen handelt – wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 GmbHG dann, wenn er durch sein Zeichnen der Firma ohne Formzusatz das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat. Dieselben Grundsätze sind auch auf den hier gegebenen Fall anzuwenden, daß nicht für die bereits eingetragene GmbH, sondern nach Abschluß des notariellen Gesellschaftsvertrages für die Vorgesellschaft, deren Aktiva und Passiva mit Eintragung der GmbH in das Handelsregister ohne weiteres auf die als solche (§ 11 Abs. 1 GmbHG) entstandene Gesellschaft übergehen (vgl. BGHZ 80, 129ff., 134-140), rechtsgeschäftlich gehandelt wird (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. § 4 Rdnr. 18; Hachenburg/Heinrich, GmbHG, 8. Aufl. § 4 Rdnr. 113). Auch die für eine Vorgesellschaft handelnde Person hat durch die Zeichnung deutlich zu machen, daß sie für ein Unternehmen handelt, dessen Haftungsfonds künftig beschränkt sein wird.
Diese Rechtsscheinhaftung trifft jedoch nur den für das Unternehmen handelnden Vertreter selbst. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts war dies allein der Zeuge S., so daß allenfalls für ihn eine Haftung wegen veranlaßten Rechtsscheins, nicht aber für den Beklagten in Betracht kommt, der im übrigen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts Herrn S. nicht für sich, sondern lediglich in seiner Eigenschaft als Einzelprokurist für die Gesellschaft bevollmächtigt hat.
Fehlt danach schon die grundlegende Voraussetzung, daß der Beklagte der im Geschäftsverkehr für die Gesellschaft Auftretende im Sinne der genannten Rechtsprechung war, so kommt es auf die von dem Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Erörterungen gestellte Frage nicht entscheidend an, ob auch ein bloß mündliches rechtsgeschäftliches Handeln ohne Hinweis auf die nur beschränkte Haftung des Unternehmensträgers geeignet ist, bei dem Vertragspartner das schützenswerte Vertrauen zu begründen, der Inhaber des Unternehmens hafte ihm gegenüber persönlich und unbeschränkt. Der Senat weist allerdings darauf hin, daß sein Urteil vom 24. Juni 1991 (II ZR 293/90, NJW 1991, 2627) entgegen der Meinung des Berufungsgerichts keine Abkehr von seiner gefestigten, auch an § 35 Abs. 2 und 3 GmbHG anknüpfenden Rechtsprechung (vgl. BGHZ 64, 11, 17; SenUrt. v. 1. Juni 1981 – II ZR 1/81, NJW 1981, 2569f. [unter 3.]; zustimmend Hachenburg/Heinrich a.a.O., § 4 Rdnr. 58) enthält, nach der mündliche Erklärungen nicht geeignet sind, das zur Rechtsscheinhaftung führende Vertrauen zu begründen.
Da aufgrund der bisherigen Feststellungen eine persönliche Haftung des Beklagten – eine etwaige Heranziehung des § 11 Abs. 2 GmbHG scheitert schon an der zwischenzeitlichen Eintragung der GmbH in das Handelsregister (BGHZ 80, 182) – nicht begründet ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben. Von seinem Standpunkt aus folgerichtig ist das Oberlandesgericht der Behauptung der Kläger nicht nachgegangen, der Beklagte selbst sei der Auftraggeber gewesen, er habe die Umbauarbeiten selbst vergeben, die Ausführung überwacht und schließlich die Werkleistung persönlich abgenommen. Damit die nunmehr gebotenen Feststellungen getroffen werden können, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Fundstellen