Leitsatz (amtlich)
Eine zwischen einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und ihrem geschäftsführenden Wirtschaftsprüfer vereinbarte Wettbewerbsklausel, die diesen für mehrere Jahre nach Beendigung seines Anstellungsverhältnisses als Konkurrenten der Gesellschaft ausschalten soll, ist in diesem umfange nichtig. Eine Mandatsschutzklausel, die für eine gewisse Zeit den Abzug von Mandanten der Gesellschaft verhindern soll, kann zulässig sein.
Normenkette
BGB § 138
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 27.04.1966) |
LG München I |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 27. April 1966 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klaganträge richtet, mit denen der Kläger beantragt hatte, den Beklagten zu verurteilen, Auskunft zu geben
über die ihm seit dem 10. April 1962 erteilten, in den verkehrswirtschaftlichen Aufgabenbereich der V. GmbH & Co KG fallenden Aufträge, deren Auftraggeber nicht von dieser Gesellschaft oder von der Arbeitsgemeinschaft Dr. Mo./Dr. W. betreut worden waren, welche dieser Aufträge er abgewickelt, welche Ansprüche er daraus erlangt und welche Honorare er daraus erhalten hat.
Im übrigen wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revisionsinstanz – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte ist Wirtschaftsprüfer. Zusammen mit dem Kläger und Dr. W., die schon seit 1949 in einer mit verkehrswirtschaftlichen Fragen befaßten Arbeitsgemeinschaft verbunden waren, gründete er im November 1960 die „V. GmbH Wirtscbaftsprüfungsgesellschaft”. Mit dieser GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin errichteten der Kläger und Dr. W. (als Kommanditisten) zugleich die „V. GmbH & Co KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft”. Zum Geschäftsführer der GmbH wurde der Beklagte bestellt. Sein Anstellungsvertrag enthielt in § 4 Abs. 2 folgende Bestimmungen:
Scheidet Herr Dr. M. (Beklagter) als Geschäftsführer … aus, und bleibt er danach als Wirtschaftsprüfer tätig so ist er für die Dauer von 5 Jahren verpflichtet, 30 % der Honorare an die V. GmbH & Co. aus Aufträgen abzuführen,
- die in den verkehrswirtschaftlichen Aufgabenbereich der V. GmbH & Co fallen, ohne daß die Auftraggeber bisher von dieser Gesellschaft oder der Arbeitsgemeinschaft Dr. Mo./Dr. W. betreut worden sind;
- deren Auftraggeber zum Mandantenkreis der Arbeitsgemeinschaft Dr. Mo./Dr. W.- oder der V. GmbH & Co gehörten oder gehören oder deren Aufträge für Rechnung der V. GmbH & Co abgewickelt worden sind.
Am 7. Februar 1962 kündigte der Beklagte das Anstellungsverhältnis fristlos. Nach der Sitzungsniederschrift einer Gesellschafterversammlung sollen sich, die Beteiligten am 10. April 1962 dahin geeinigt haben, daß der Beklagte die Kündigung zurücknehme, daß das Anstellungsverhältnis mit sofortiger Wirkung einvernehmlich aufgehoben werde und der Beklagte seinen Geschäftsanteil an der GmbH den anderen Gesellsehaftern übertrage; von der Aufhebung des Anstellungsvertrages habe jedoch § 4 Abs. 2 mit der Maßgabe ausgenommen bleiben sollen, daß „anstelle von 5 Jahren 3 Jahre und anstelle von 30 % 20 % treten”. Der Beklagte hat die Niederschrift nicht unterschrieben. Die Frage, ob die Vereinbarung aus diesem Grunde nicht wirksam geworden ist, ist zwischen den Parteien umstritten.
Der Beklagte ließ sich in der folgenden Zeit als selbständiger Wirtschaftsprüfer nieder. Die GmbH trat dem Kläger alle Ansprüche „aus § 4 Abs. 2 des Anstellungsvertrages … und/oder aus der Abänderung dieser Bestimmung vom 10. April 1962” ab. Dieser verlangt zur Vorbereitung einer Zahlungsklage Auskunft über die von dem Beklagten als Wirtschaftsprüfer mit dem 10. April 1962 erteilten Aufträge aus dem in § 4 Abs. 2 a und b bezeichneten Aufgabenbereich und Mandantenkreis sowie darüber, welche dieser Aufträge er davon abgewickelt, welche Ansprüche er aus diesen Aufträgen erworben und welche Honorare er daraus erhalten hat.
Land- und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, die der Beklagte zurückzuweisen beantragt, verfolgt der Kläger seine Klaganträge weiter.
Entscheidungsgründe
Nach den aus Rechtsgründen nicht angreifbaren Feststellungen des Berufungsgerichts haben sich der Beklagte und seine Mitgesellschafter am 10. April 1962 so, wie es das Protokoll wiedergibt, über die Beendigung des Geschäftsführerverhältnisses des Beklagten verbindlich geeinigt, ohne die Wirksamkeit der Vereinbarung noch von der Unterschrift des Beklagten abhängig machen zu wollen. Die Entscheidung der Frage, ob der Kläger als Rechtsnachfolger der Gesellschaft Zahlungsansprüche gegen den Beklagten stellen und dazu zunächst die in diesem Rechtsstreit beanspruchten Auskünfte verlangen kann, hängt daher davon ab, ob die etwas abgewandelt in den Vertrag vom 10. April 1962 übernommene Bestimmung des § 4 Abs. 2 des Anstellungsvertrages nach § 138 BGB nichtig ist. Auf die vom Berufungsgericht daneben erörterte Frage, wie die Bestimmung des (aufgehobenen) § 4 Abs. 3 des Anstellungsvertrages rechtlich zu beurteilen ist, und die gegen diese Ausführungen gerichteten Angriffe der Revision kommt es daher nicht an.
Für die Beurteilung des § 4 Abs. 2 in der Fassung vom 10. April 1962 ist die nach, dem Urteil des Berufungsgerichts unstreitige Tatsache erheblich, daß die von einem Wirtschaftsprüfer zu erzielende Reingewinnspanne etwa 20 % bis 30 % seines Honorars beträgt und dem Beklagten daher, wäre er an die Zahlungsverpflichtungen jenes Vertrages gebunden, auf die Dauer von 3 Jahren nach Auflösung des Dienstverhältnisses verwehrt oder allenfalls unter schwer erträglichen finanziellen Belastungen möglich gewesen wäre, eine selbständige Praxis auf seinem verkehrswirtschaftlichen Spezialgebiet zu gründen. Das ist ausgeschlossen.
Der Wirtschaftsprüferberuf erhält sein besonderes Gepräge dadurch, daß seine Angehörigen im öffentlichen Interesse auf Grund wissenschaftlicher Vorbildung unter besonderer Verantwortung grundlegende Aufgaben im Bereich der Volkswirtschaft zu erfüllen haben (vgl. §§ 1 Abs. 2, 2, 43 ff Wirtschaftsprüferordnung). Mit diesem Berufszweck verträgt es sich nur in begrenztem Umfange, örtliche, zeitliche oder gegenständliche Beschränkungen der Berufsausübung zuzulassen. Wie diese Grenzen im einzelnen zu ziehen sind, kann dahingestellt bleiben. Im wesentlichen darf der Grundsatz der freien Berufsausübung durch Vereinbarung unter Wirtschaftsprüfern in vertretbarer Weise nur eingeengt werden, soweit besondere Umstände zu dem anerkennenswerten Bedürfnis führen, den einen Teil davor zu schützen, daß der andere die Erfolge seiner Arbeit illoyal verwertet oder sich in sonstiger Weise zu seinen Lasten die Freiheit der Berufsausübung mißbräuchlich zunutze macht. In diesen Rahmen fallen Mandatsschutzklauseln, mit denen unter angemessenen Bedingungen verhindert werden soll, daß ein vorübergehend in die Praxis aufgenommener Mitarbeiter oder ein zur Ausbildung angenommener Wirtschaftsprüferanwärter nach seinem Ausscheiden Mandanten abzieht, zu denen er nur infolge seiner Tätigkeit in der Praxis Verbindung gewinnen konnte. Unter ähnlichen Gesichtspunkten sind in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft rechtlich zulässige Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und den Geschäftsführern für die Zeit nach dem Ausscheiden denkbar. Bei der Auflösung einer Sozietät kann in gewissen Grenzen eine Aufteilung der gemeinsamen Mandanten vertretbar sein. Diesen Anforderungen entspricht die (abgewandelt) in den Vertrag vom 10. April 1962 übernommene Bestimmung des § 4 Abs. 2 b des Anstellungsvertrages. Anders verhält es sich dagegen mit der dem Beklagten in § 4 Abs. 2 a auferlegten Verpflichtung, der Gesellschaft Anteile von seinen künftigen Honoraren auch aus solchen Mandaten abzuführen, deren Auftraggeber weder zum Mandantenkreis der Gesellschaft noch zu dem seiner Mitgesellschafter gehört haben. Sie hat weder mit dem Mandatsschutzgedanken noch mit anderen Gesichtspunkten etwas zu tun, die es mit Rücksicht auf die zeitweilige Geschäftsführertätigkeit des Beklagten als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, seine Freiheit in der Übernahme von Mandaten für eine gewisse Zeit nach seinem Ausscheiden einzuengen. Es handelt sich um eine reine Wettbewerbsbeschränkung; der Beklagte sollte für die Bauer von 3 Jahren schlechthin als Konkurrent der Gesellschaft und ihrer Mitglieder auf dem Gebiet der Verkehrswirtschaft ausgeschlossen werden. Eine solche Regelung ist mit dem öffentlichen Interesse an der Freiheit der Berufsausübung im Berufsstand der Wirtschaftsprüfer unvereinbar und aus dem Gesichtspunkt des § 138 BGB nichtig. Die Ansicht der Revision, daß der Beklagte als Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft ohnehin wie ein persönlich haftender Gesellschafter einem Wettbewerbsverbot unterlegen habe und daß aus diesem Grunde eine andere Beurteilung des § 4 Abs. 2 a am Platze sei, geht schon deshalb fehl, weil das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 112 HGB, auf das die Revision zurückgreifen möchte, nur für die Bauer der Zugehörigkeit des persönlich haftenden Gesellschafters zur Gesellschaft, nicht aber für die Zeit nach seinem Ausscheiden gilt.
Von der Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 a des Vertrages vom 10. April 1962 ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Daraus hat es gemäß § 139 BGB geschlossen, die gesamte Wettbewerbsklausel sei nichtig; denn der Kläger habe im Laufe des Rechtstreits selbst erklärt, er wäre niemals bereit gewesen, den Anstellungsvertrag des Beklagten zu unterschreiben, hätte der Beklagte nicht die ganze Klausel anerkannt.
Diese Ausführungen tragen nicht die Annahme, die Beteiligten würden auch am 10. April 1962 die Klausel ohne den nichtigen Teil nicht gewollt haben. Die Verhältnisse, unter denen diese Vereinbarung getroffen wurde, waren ganz andere. Nunmehr ging es um das Ausscheiden des Beklagten, Dieser war inzwischen länger als ein Jahr Geschäftsführer der Gesellschaft. Er wird daher bereits Beziehungen zu Mandanten gewonnen haben, die sich die Gesellschaft und ihre Gesellschafter erhalten wollten. Selbst wenn diese bei der Anstellung des Beklagten im März 1961 unter allen Umständen auf die Aufnahme aller in § 4 Abs. 2 (und Abs. 3) enthaltenen Bestimmungen bestanden haben sollten, liegt es nahe anzunehmen 3 nunmehr hätten sie auch eine Klausel hingenommen, mit der wenigstens eine Gefährdung ihres Mandantenbestands vermieden wurde, wenn schon eine weitergehende Wettbewerbsbeschränkung zu lasten des Beklagten rechtlich nicht möglich war. Die Frage, ob die Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 des Vertrages vom 10. April 1962 gemäß § 139 BGB die Rechtswirksamkeit des § 4 Abs. 2 b berührt oder nicht, kann jedoch abschließend nur der Tatrichter beurteilen. Das Berufungsgericht muß sich daher mit ihr erneut auseinandersetzen, hierbei die Verhältnisse des Jahres 1962 berücksichtigen und die sonstigen Umstände würdigen, die zur Vereinbarung vom 10. April 1962 geführt haben. Hierzu ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, soweit es um die Klaganträge geht, deren Grundlage § 4 Abs. 2 b bildet.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hat dagegen Bestand, soweit dieses die vom Landgericht ausgesprochene Abweisung der Klaganträge gebilligt hat, die der Kläger auf § 4 Abs. 2 a gestützt hat. In diesem Umfange ist die Revision zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des zweiten und dritten Rechtszuges sowie über die Berufung gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts bleibt dem Berufungsgericht vorbehalten.
Unterschriften
Dr. Kuhn, Bundesrichter Liesecke ist beurlaubt und deshalb verhindert zu unterschreiben. Dr. Kuhn, Dr. Schulze, Fleck, Stimpel
Fundstellen
Haufe-Index 1502375 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1968, 996 |