Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehung eines Ausgleichsanspruchs eines Handelsvertreters
Leitsatz (amtlich)
Hat sich der Handelsvertreter verpflichtet, seine Vertragspflichten ausschließlich durch einen Dritten erbringen zu lassen, so steht der Entstehung eines Ausgleichsanspruchs nicht entgegen, daß das Vertragsverhältnis mit dem Unternehmer wegen der Kündigung des Dritten beendet wurde.
Normenkette
HGB § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
OLG München |
LG München II |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. September 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die auf Zahlung von Handelsvertreterausgleich in Höhe von 86.273,46 DM nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war seit Anfang 1991 Handelsvertreter für Brillenkollektionen, die die Beklagte vertrieb. In dem – später ergänzten und erweiterten – schriftlichen Handelsvertretervertrag vom 1. Januar 1991 heißt es unter III 1:
„Geschäftsgrundlage für diesen Vertrag ist die Tatsache, daß der Handelsvertreter sich verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß die Pflichten aus diesem Vertrage ausschließlich und persönlich durch Frau Birgit B. erbracht werden. Frau B. wird Insoweit durch den Handelsvertreter ständig zur Erfüllung der Verpflichtungen aus diesem Vertrage abgestellt und von weiteren Verpflichtungen freigestellt.”
Frau B. war zunächst Angestellte und später Untervertreterin des Klägers. Sie kündigte die Untervertretung zum 28. Februar 1995 und ist seither Handelsvertreterin der Beklagten. Diese hatte dem Kläger mit Schreiben vom 26. Januar 1995 mitgeteilt, der Handelsvertretervertrag erlösche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage am 28. Februar 1995, weil Frau B. dem Kläger nur noch bis zu diesem Zeitpunkt zur Vertragserfüllung zur Verfügung stehe.
Der Kläger hat im Wege der Stufenklage die Erteilung eines Buchauszuges sowie auf deren Grundlage die Nachzahlung von Provisionen verlangt. Ferner hat er einen Handelsvertreterausgleich in Höhe von 86.273,46 DM begehrt.
Das Landgericht hat durch Teilurteil der Klage stattgegeben, soweit sie auf Erteilung des Buchauszuges sowie Zahlung des Handelsvertreterausgleichs gerichtet war. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Ansprüche auf Erteilung des Buchauszuges teilweise und auf Zahlung von Handelsvertreterausgleich insgesamt abgewiesen. Die Revision wendet sich gegen die Abweisung des Ausgleichsanspruchs und beantragt insoweit die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält den Ausgleichsanspruch für unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB nicht gegeben seien. Es führt aus: Die Beendigung des Handelsvertretervertrages sei nicht ursächlich für etwaige anschließende Provisionsverluste des Klägers.
Dieser hätte auch bei. Fortbestand des Handelsvertretervertrages keine Vergütung mehr beanspruchen können, weil er infolge der Kündigung von Frau B. seine Verpflichtungen gegenüber der Beklagten nicht mehr habe erfüllen können (§ 323 Abs. 1 BGB). Im Rahmen von § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB sei nur der Fortbestand des Vertrages, nicht aber das Bestehenbleiben aller äußeren Umstände zu unterstellen, von denen die Vertragserfüllung sonst noch abhänge. Dies gelte zwar nicht für vom Unternehmer zu vertretende Umstände und den Gesundheitszustand des Handelsvertreters. Die Einsetzbarkeit von Frau B. für die Vertragserfüllung sei aber ein vom Kläger übernommenes Risiko gewesen, dessen Eintritt zu seinen Lasten gehe.
Hiernach könne offenbleiben, ob ein Provisionsverlust des Klägers im Sinne der genannten Vorschrift auch deswegen zu verneinen sei, weil der Kläger nach dem Vorbringen der Beklagten die von dieser gezahlten Provisionen an Frau B. weiterzuleiten gehabt habe.
II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Im Rahmen der Auslegung des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB leitet der Bundesgerichtshof in gefestigter Rechtsprechung aus der Zweckbestimmung des Ausgleichsanspruchs den Grundsatz ab, daß bei der Feststellung des dem Handelsvertreter entstehenden Nachteils die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu fingieren sei und es auf die Gründe für dessen Beendigung ebensowenig ankomme wie darauf, ob der Handelsvertreter bei der gedachten Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses überhaupt noch zur Vermittlung weiterer provisionspflichtiger Geschäfte imstande gewesen wäre (BGHZ 24, 214, 217, 221, 223; 24, 223, 227, 228 f.; 41, 129, 130; 45, 385, 387 52, 12, 13; BGH, Urteil vom 2. Juli 1987 – I ZR 188/85 = WM 1987, 1462, 1464 unter II A 4; vgl. auch z.B. Hopt, Handelsvertreterrecht, § 89b Rdnr. 7 u. 9; Staub/Brüggemann, Großkommentar HGB 4. Aufl., § 89 b Rdnr. 58-59; MünchKomm-HGB/von Hoyningen-Huene § 89 b Rdnr. 36 u. 87). Ein Ausgleichsanspruch wurde daher bei einer Auflösung des Handelsvertreterverhältnisses durch Tod (BGHZ 24, 214; 24, 223 u. 41, 129) oder Selbsttötung (BGHZ 45, 385) des Handelsvertreters, bei einer Betriebseinstellung (BGH, Urteil vom 2. Juli 1987 a.a.O. für den Vertragshändler) sowie bei einer auf Initiative des Handelsvertreters erfolgten einverständlichen Vertragsaufhebung (BGHZ 52, 12) gewährt. Diese Rechtsfolge gilt gleichermaßen in dem hier gegebenen Fall. Daß der Kläger nach dem Ausscheiden von Frau B. als Untervertreterin wegen der von den Parteien gewählten Vertragsgestaltung zur weiteren Geschäftsvermittlung für die Beklagte nicht mehr in der Lage war und künftig Provisionsansprüche ohnehin nicht mehr hätte erwerben können, steht einem Augleichsanspruch nicht entgegen. Dies räumt auch die Revisionserwiderung ein.
2. Das angefochtene Urteil wird daher von seiner Begründung nicht getragen. Es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig:
a) Zu Unrecht vertritt die Revisionserwiderung die Ansicht, zwischen den Parteien habe kein Handelsvertretervertrag bestanden, weil die geschuldeten Vermittlungsleistungen nur durch Frau B. hätten erbracht werden dürfen, eine entsprechende Verpflichtung des Klägers aber nicht geregelt sei. Daß die handelsvertretertypischen Pflichten auch und insbesondere dem Kläger persönlich oblagen, ergibt sich indessen eindeutig aus einer Vielzahl von Bestimmungen des umfangreichen Vertrages, insbesondere den Regelungen über den „Vertragsgegenstand” (Nr. I) und die „Aufgaben … des Handelsvertreters” (Nr. II).
b) Zu der vom Berufungsgericht aufgeworfenen, aber nicht entschiedenen Frage, ob ein Provisionsverlust des Klägers im Sinne von § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB auch deswegen ausscheide, weil der Kläger Provisionseinnahmen an Frau B. „weitergeleitet” habe, ist eine Stellungnahme des Senats schon mangels tatsächlicher Feststellungen nicht möglich. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. März 1989 (I ZR 162/87 = WM 1989, 793 = NJW-RR 1989, 863), in der dies für Teile der Provisionen eines Bausparkassenvertreters bejaht wurde, betraf einen Sonderfall, dessen Vertragsgestaltung deutliche Abweichungen zu derjenigen im vorliegenden Fall aufwies.
c) Die Revisionserwiderung meint ferner, die Kündigung seitens Frau B. müsse dem Kläger zugerechnet und entsprechend § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB einer Eigenkündigung des Klägers gleichgestellt werden. Auch dies ist nicht zutreffend. Die Fälle, in denen § 89 b Abs. 3 HGB das Entfallendes Ausgleichsanspruchs anordnet, enthalten eine abschließende Regelung, die wegen ihres Ausnahmecharakters eng auszulegen ist (BGHZ 45, 385, 387; 52, 12, 14; 129, 290, 294; BGH, Urteil vom 14. April 1988 – I ZR 122/86 = WM 1988, 1207 unter II 2). Außerhalb dieser Fälle können die Gründe für die Beendigung eines Handelsvertreterverhältnisses nur im Rahmen der Billigkeitsregel des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB berücksichtigt werden.
d) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist dem Senat eine abschließende Beurteilung, ob der Ausgleichsanspruch – dessen sonstige Bemessungsfaktoren noch ungeklärt sind – aus Billigkeitsgründen völlig entfällt, nicht möglich. Die Billigkeitskontrolle nach § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB ist. in erster Linie Sache des Tatrichters. Daß der Kläger persönlich keine eigenen Vermittlungsleistungen erbracht hat, führt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung jedenfalls nicht ohne weiteres zum Verlust des Ausgleichsanspruchs, denn diese Art der Vertragsdurchführung war von beiden Parteien so gewollt. Im übrigen fehlt es bislang an tatsächlichen Feststellungen sowohl zum Anlaß der Kündigung von Frau B. als auch zu weiteren für die Billigkeitskontrolle, möglicherweise sogar für den Ausschlußtatbestand des § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB erheblichen Umständen, etwa der vom Berufungsgericht erwähnten Konkurrenztätigkeit des Klägers.
III.
Die vorinstanzliche Entscheidung war somit im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Sache insoweit zwecks weiterer Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen