Leitsatz (amtlich)
Ein von der Geschäftsführung ausgeschlossener, nur mit 1% des Kapitals beteiligter Komplementär kann seiner Inanspruchnahme nach §§ 161 Abs. 2, 128 HGB die gegen die Gesellschaft bestehenden Einwendungen trotz eines gegen sie ergangenen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheids dann entgegenhalten, wenn der Titel von dem Gläubiger in kollusivem Zusammenwirken mit den die Kommanditgesellschaft vertretenden Personen unter Ausnutzung der Besonderheiten des Mahnverfahrens und unter Mißachtung des Umstandes erwirkt worden ist, daß wegen der Vermögenslosigkeit der Kommanditgesellschaft gegen sie nicht einmal wegen der Verfahrenskosten mit Aussicht auf Erfolg die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann.
Normenkette
HGB § 161 Abs. 2, §§ 129, 128; BGB § 826
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 25. Mai 1994 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war der J.E.T. GmbH als Handelsvertreter verbunden. Deren gesamtes Vermögen hat die im März 1992 gegründete J.E. GmbH KG übernommen. An dieser Gesellschaft ist die Beklagte als Komplementärin in Höhe von 1% des Kapitals beteiligt, von der Geschäftsführung jedoch ausgeschlossen. Diese Aufgabe obliegt der Komplementär-GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger und Rechtsanwalt Dr. Z. sind. Letzterer ist in dem vorliegenden Rechtsstreit für den Kläger als Verkehrsanwalt tätig geworden. Die übrigen Gesellschaftsanteile der KG halten als Kommanditistinnen die Ehefrauen des Klägers und seines Verkehrsanwalts in Höhe von 51% bzw. 48%.
Dem am 14. Januar 1993 gestellten Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft ist wegen Fehlens einer die Kosten deckenden Masse nicht entsprochen worden. Seitdem befindet sich die Gesellschaft in Liquidation, Liquidatoren sind die früheren Geschäftsführer der Komplementär-GmbH.
Der Kläger verlangt von der Beklagten als persönlich haftender Gesellschafterin Bezahlung von Provisionsansprüchen aus dem Handelsvertretervertrag, die er für die Zeit vor der Gründung der KG auf 42.656,19 DM und für die Zeit danach auf 104.356,10 DM beziffert. Die Beklagte hat die Berechtigung dieser Forderung aus verschiedenen Gründen bestritten. Das Landgericht hat die aus einem seit Anfang April 1993 betriebenen Mahnverfahren hervorgegangene Klage auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 1994 wegen Fehlens eines substantiierten Klagevorbringens abgewiesen. Erstmals in der mündlichen Verhandlung im Berufungsrechtszug hat der Kläger einen am 17. Januar 1994 erlassenen, dem Geschäftsführer Dr. Z. der Komplementär-GmbH am 26. Januar 1994 zugestellten und am 14. Februar 1994 dem Kläger ausgefertigten rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid gegen die KG über die Klagesumme vorgelegt. Das Berufungsgericht hat der Klage daraufhin stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Dieses hat angenommen, mit Rücksicht auf den durch rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid gegen die Gesellschaft abgeschlossenen Rechtsstreit sei es der Beklagten nach §§ 129 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB verwehrt, sich gegen ihre auf § 128 HGB gestützte Inanspruchnahme darauf zu berufen, die KG schulde nichts. Alle ihre Einwendungen beträfen das Verhältnis des Klägers zu der Gesellschaft, seien aber nicht in ihrer Person entstanden. Vergeblich mache die Beklagte schließlich geltend, der Titel im Gesellschaftsprozeß sei durch unerlaubtes Zusammenwirken des Klägers mit dem Vertreter der Gesellschaft zustandegekommen.
Wie die Revision mit Recht geltend macht, ist dies in einem entscheidenden Punkt nicht frei von Rechtsirrtum. Im Ausgangspunkt zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Beklagte nach rechtskräftig abgeschlossenem Gesellschaftsprozeß grundsätzlich gehindert ist, die nicht in ihrer Person begründeten Einwendungen gegen den geltend gemachten Anspruch zu erheben (§§ 129 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB). Dieser durch die Akzessorietät der Haftung des Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bedingte Grundsatz (vgl. Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl. § 129 Rdnr. 1) erfährt allerdings, wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig erkannt hat, Ausnahmen. Das gilt etwa, soweit der Vollstreckungstitel gegen die Gesellschaft unter Verstoß gegen die prozessualen Vertretungsvorschriften oder durch kollusives Zusammenwirken (§ 826 BGB) des Vertreters der Gesellschaft mit dem Prozeßgegner des persönlich haftenden Gesellschafters erwirkt worden ist (allg. M. vgl. Staub/Fischer, 3. Aufl. § 129 Anm. 7; Schlegelberger/K. Schmidt a.a.O. § 129 Rdnr. 13; Heymann/Emmerich, HGB, § 129 Rdnr. 7; Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. § 129 Rdnr. 6).
Ob hier die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die KG nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO den Vollstreckungsbescheid mit der Nichtigkeitsklage angreifen und die Beklagte dies ungeachtet der grundsätzlich zu ihren Lasten wirkenden Rechtskraft einwenden könnte, weil – wie die Revision geltend macht, der Kläger aber in Abrede stellt – Rechtsanwalt Dr. Z. nicht nur als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sich den Mahn- und den Vollstreckungsbescheid hat zustellen lassen, sondern zugleich auch den Kläger in dem Mahnverfahren gegen die KG als Prozeßbevollmächtigter vertreten hat (vgl. zur Unzulässigkeit einer solchen Vertretung beider Parteien: RGZ 66, 240, 242; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl. 1993, § 53 I 4 S. 284; MünchKomm z. BGB/Schramm, 3. Aufl. § 181 Rdnr. 36; Soergel/Leptien, 12. Aufl. § 181 Rdnr. 23; Erman/Brox, 9. Aufl. § 181 Rdnr. 4; Staudinger/Dilcher, 12. Aufl. § 181 Rdnr. 15), bedarf keiner Entscheidung. Die Revision erweist sich vielmehr schon deswegen als begründet, weil das Berufungsgericht zu Unrecht ein gegen § 826 BGB verstoßendes kollusives Zusammenwirken des Klägers und seines die KG vertretenden Mitliquidators Dr. Z. verneint und deswegen von einer sachlichen Prüfung der von der Beklagten gegen den geltend gemachten Provisionsanspruch erhobenen Einwendungen abgesehen hat.
Nach dem ungeprüften und für die Revisionsinstanz deswegen zu ihren Gunsten als richtig zu unterstellenden Vorbringen der Beklagten stehen dem Kläger weder vor der Gründung der KG entstandene Provisionsansprüche zu, noch hat er solche Forderungen in der Zeit nach der Übertragung des Gesellschaftsvermögens der früheren J.E.T. GmbH erwerben können. Da danach derzeit von der Unrichtigkeit des gegen die KG ergangenen Vollstreckungsbescheids auszugehen ist, hängt die auf die Anwendbarkeit des § 826 BGB gestützte Durchbrechung des Einwendungsausschlusses nach gefestigter Rechtsprechung (BGHZ 101, 380, 383 f. m.w.N.; BGHZ 103, 44, 46 f.) davon ab, daß der Titelgläubiger Kenntnis davon hat, daß die titulierte Forderung in Wahrheit nicht besteht, und daß sein Vorgehen das Rechtsgefühl in schlechthin unerträglicher Weise verletzen würde (BGHZ 103, 44, 47). Diese besonderen Voraussetzungen sind hier, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, erfüllt.
Dem Kläger war bekannt, daß die KG keinerlei Vermögen besaß, um den von ihm geltend gemachten Anspruch zu erfüllen. Diese Kenntnis hatte er nicht nur aufgrund seiner Stellung als früherer Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und jetziger Mitliquidator. Sie ergab sich auch daraus, daß er seine Ehefrau mit einem Kommanditanteil von 51% des Kapitals an der von ihm gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. Z. gegründeten J.E. GmbH KG beteiligt hatte. Spätestens nach Ablehnung des Konkurseröffnungsantrages vom 14. Januar 1993 wegen Unzulänglichkeit der Masse konnte er keinerlei Zweifel mehr an der Vermögenslosigkeit der KG haben. Wenn er in dieser Situation zusammen mit dem zumindest als Verkehrsanwalt für ihn tätigen Mitliquidator Dr. Z. ein Mahnverfahren wegen eines Anspruchs von mehr als 147.000,– DM gegen die KG einleitete, so verursachte er damit Kosten, deretwegen er auch aus einem demnächst erlangten Titel niemals mit Erfolg gegen die Gesellschaft die Zwangsvollstreckung betreiben konnte. Der nach dem Vorbringen der Beklagten einzige Sinn seines Vorgehens bestand darin, durch Erwirkung eines rechtskräftigen Titels gegen die KG der gleichzeitig als Komplementärin in Anspruch genommenen Beklagten die Einwendungen gegen die geltend gemachte Forderung abzuschneiden. Dazu hat er sich im engen Zusammenwirken mit seinem Mitliquidator, der – wenn nicht als Prozeßbevollmächtigter, so doch als sein Verkehrsanwalt – auch seine Interessen als Gläubiger vertreten hat, der Besonderheiten des Mahnverfahrens und des Umstandes bedient, daß die persönlich haftende Beklagte von der Geschäftsführung der KG ausgeschlossen war. Die Beklagte konnte zwar, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgesprochen hat, erkennen, daß sie nicht allein, sondern als Gesamtschuldnerin neben der KG auf Erfüllung der angeblich bestehenden Provisionsansprüche des Klägers belangt wurde. Sie mußte aber nicht damit rechnen, daß die Liquidatoren ihre Vertretungsbefugnis in der Weise ausüben würden, gegen den Mahnbescheid keinen Widerspruch einzulegen und Vollstreckungsbescheid ergehen und rechtskräftig werden zu lassen. Dies anzunehmen, hatte sie umso weniger Anlaß, als bereits seit Ende September 1993 das streitige Verfahren vor dem Landgericht Amberg geführt, von ihr eine Reihe von sachlichen Einwänden gegen den Klageanspruch erhoben worden waren und die Liquidatoren der KG erst etwa zwei Wochen vor der Schlußverhandlung erster Instanz den Antrag auf Erlaß des Vollstreckungsbescheides gestellt und den ergangenen Titel innerhalb der Spruchfrist haben rechtskräftig werden lassen, um die Beklagte Monate später in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht mit diesem rechtskräftigen Titel zu überraschen. Der Kläger hat danach die Besonderheiten des Mahnverfahrens, das zu einem vollstreckungsfähigen Titel ohne sachliche Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen führen kann, mit Hilfe seines Mitliquidators gezielt eingesetzt, um der Beklagten ihre in erster Instanz erfolgreichen Einwände gegen ihre Haftung als Komplementärin zu nehmen. Bei der Bewertung seines Verhaltens kann nicht außer Betracht bleiben, daß er sich dabei den Umstand zunutze gemacht hat, daß die Beklagte – obwohl nur in Höhe von 1% am Kapital der Gesellschaft beteiligt und von der Geschäftsführung der KG ausgeschlossen – neben der vermögenslosen Verwaltungs-GmbH Komplementärin war und deswegen der akzessorischen Haftung des § 128 HGB unterlag. Im Ergebnis hätte sie aufgrund des hinter ihrem Rücken durch abgestimmtes Verhalten der Liquidatoren in ihren verschiedenen Rollen als Gläubiger, Verkehrsanwalt und gesetzlicher Vertreter der Liquidationsgesellschaft erwirkten Titels die Provisionsansprüche des Klägers allein zu erfüllen, während nach dem für die Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Vorbringen der Beklagten der Kläger und Dr. Z. in betrügerischer Weise das Gesellschaftsvermögen an sich gebracht haben.
Damit das Berufungsgericht die danach gebotenen Feststellungen treffen kann, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Fundstellen