Leitsatz (amtlich)
Bei Vereinbarungen, die über die Auflösung und Abwicklung eines tatsächlichen Vorstandsverhältnisses getroffen werden, sind Vorstand und Aufsichtsrat alternativ zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt.
Die Teilnahme Dritter an einer Abstimmung des Aufsichtsrats ist unschädlich, wenn feststeht oder von der Gesellschaft bewiesen werden kann, daß der gefaßte Beschluß nicht auf der Stimmabgabe der Dritten beruht (Abweichung von BGHZ 12, 327).
Die Wahl eines Arbeitnehmers in den Aufsichtsrat kann in entsprechender Anwendung des § 18 BetrVG angefochten werden.
Der Grundsatz:
Die Genehmigung eines Vertrages setzt begrifflich voraus, daß sich der Genehmigende der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages bewußt ist oder mit einer solchen Möglichkeit rechnet (BGHZ 2, 150; RGZ 118, 336)
gilt nur für Äußerungen oder Handlungen, die als Genehmigung gedeutet werden können, und nicht bei ausdrücklicher Zustimmung.
Normenkette
AktG 1937 §§ 71, 75, 97, 93, 95 Abs. 6; BetrVG § 76; BGB § 184
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 27.05.1964) |
LG Bochum |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das am 27. Mai 1964 verkündete Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm i.W. aufgehoben.
Die Sache wird zur Klage zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das dabei auch über die Kosten der Revisionsinstanz zu entscheiden hat.
Zur Widerklage wird das Berufungsurteil neu gefaßt: Die Widerklage wird, soweit sie in der Berufungsinstanz aufrecht erhalten worden ist, als unzulässig abgewiesen. Im übrigen bleibt es bei der Abweisung der Widerklage als unbegründet.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte war vom 1. Juli 1946 ab Vorstandsmitglied der Klägerin, einer Aktiengesellschaft. Sein Anstellungsverhältnis beruhte auf Vertrag vom 11. Juni 1946. Seine Amtszeit und sein Anstellungsvertrag wurden ausdrücklich das letzte Mal durch Aufsichtsratsbeschluß vom 26. Juli 1956 für ein Jahr verlängert. Er war aber noch bis zum 29. April 1961 als Vorstandsmitglied der Klägerin tätig.
Im März 1961 erfuhr der „Aufsichtsrat” der Klägerin davon, daß sich der Beklagte im Mai 1956 damit einverstanden erklärt hatte (sog. Lippstädter Zusatzabkommen), daß die T. Spinnerei. Flechterei und Weberei GmbH, die mit Maschinen und Material der Klägerin Lohnspinnarbeiten für die Klägerin ausführt, ihr Entgelt anders abrechnen durfte, als dies in dem unter maßgeblicher Beteiligung des Aufsichtsrats der Klägerin zustande gekommenen Vertrag vom 22./23. März 1956 vorgesehen war. Der „Aufsichtsrat” beschloß am 18. März 1961, die finanziellen Auswirkungen des Lippstädter Zusatzabkommens für die Klägerin zu prüfen, stellte sich in seiner Sitzung vom 29. April 1961 auf den Standpunkt, das Verhalten des Beklagten rechtfertige seine fristlose Entlassung, und bot ihm zugleich an, sich unter bestimmten Bedingungen im freundschaftlichen Einvernehmen zu trennen.
Der Beklagte nahm dieses Angebot mit Schreiben vom 10. Mai 1961 an. Noch am gleichen Tage erhielt er einen Pensionsvertrag, der vom Aufsichtsratsvorsitzenden C. unterschrieben ist. In dem Schreiben vom 10. Mai 1961 bestätigte der Beklagte noch, mit der Klägerin mündlich vereinbart zu haben, daß er seine bisherigen Bezüge, jedoch ohne die Tantieme für 1961, bis zum 30. September 1961 weitergezahlt erhalten soll. In diesem Schreiben erklärte er außerdem, keine weitergehenden Ansprüche erheben zu wollen.
Im Herbst 1961 stellte sich der Beklagte auf den Standpunkt, die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 seien gar nicht wirksam geworden, da der Aufsichtsrat funktionsunfähig gewesen sei, an der Sitzung vom 29. April 1961 außer Aufsichtsratsmitgliedern auch dritte Personen teilgenommen hätten und der Aufsichtsratsvorsitzende C. nicht ermächtigt gewesen sei, Verträge mit Vorstandsmitgliedern allein abzuschließen.
Die Klägerin hält die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 für wirksam und beantragt, dies festzustellen. Außerdem verlangt sie die Feststellung, daß der Beklagte keine über die Versorgungszusage hinausgehenden Ansprüche gegen sie habe.
Mit Schriftsatz vom 17. Juli 1962 (S. 4, Bl. 39 d.A.) hat der Beklagte die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 wegen Drohung angefochten.
Er hat widerklagend beantragt,
festzustellen, daß der am 11. Juni 1946 von den Parteien geschlossene Dienstvertrag andauere.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Mit der Berufung hat der Beklagte den Widerklageantrag dahin geändert,
festzustellen, daß sein Dienstvertrag durch die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 nicht beendet worden sei.
Das Berufungsgericht hat die Klage als unbegründet und die Widerklage als unzulässig abgewiesen.
Mit der Revision, um deren Zurückweisung der Beklagte bittet, verfolgt die Klägerin den Klageantrag weiter und beantragt zur Widerklage, es beim landgerichtlichen Urteil zu belassen.
Entscheidungsgründe
I. Die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 sind nicht schon durch ihren Abschluß wirksam geworden.
1. Zu diesem Zeitpunkt gehörte der Beklagte nicht mehr dem Vorstand an. Seine Bestellungszeit ist im Aufsichtsratsbeschluß vom 26. Juli 1956 auf ein Jahr begrenzt worden. Später ist er nicht mehr ausdrücklich zum Vorstandsmitglied bestellt worden. Er hat daher mit dem 26. Juli 1957 aufgehört, Vorstandsmitglied zu sein.
Der Aufsichtsrat hat den Beklagten allerdings auch weiterhin als Vorstandsmitglied angesehen und tätig werden lassen. Das war aber keine erneute Bestellung. Ohne ausdrücklichen Aufsichtsratsbeschluß ist eine erneute Bestellung ausgeschlossen (BGHZ 10, 187, 194; 41, 282, 285/86).
2. Auch das Anstellungsverhältnis hat mit dem 26. Juli 1957 sein Ende gefunden, da der Aufsichtsrat den Anstellungsvertrag letztmalig am 26. Juli 1956 um ein Jahr verlängert und dann keinen ausdrücklichen Beschluß mehr zum Anstellungsvertrag des Beklagten gefaßt hat.
3. Der Beklagte hatte aber noch so lange die Rechte und Pflichten eines Vorstandsmitglieds, als er unangefochten als Vorstandsmitglied tätig war. Denn wer zwar ohne wirksamen Anstellungsvertrag, aber mit Wissen des Aufsichtsrats als Vorstandsmitglied tätig wird, ist für die Dauer der Beschäftigung so zu behandeln, als sei der Vertrag wirksam (BGHZ 41, 282).
Es bedurfte keiner Kündigung, um den Beklagten aus dieser tatsächlichen Stellung zu entfernen, denn zwischen ihm und der Klägerin bestand kein Vertragsverhältnis. Die Beendigung eines vertragslosen Zustandes ist jederzeit zulässig und tritt dadurch ein, daß der Betreffende nicht mehr beschäftigt wird. Das war beim Beklagten mit dem 29. April 1961 der Fall.
Die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 wurden daher mit jemandem getroffen, der nicht mehr Vorstandsmitglied war.
a) Hierfür war die ausschließliche Zuständigkeit des Aufsichtsrats nach § 75 Abs. 3 Satz 1 und Satz 5 AktG 1937 nicht gegeben. Denn es ging nicht um den Widerruf einer Bestellung zum Vorstandsmitglied oder die Kündigung eines Anstellungsvertrages.
b) Für die Regelung der Rechtsverhältnisse des Partners eines beendeten tatsächlichen Vorstandsverhältnisses ist der Vorstand zuständig, weil ihm im allgemeinen die Vertretung der Aktiengesellschaft obliegt (§ 71 Abs. 1 AktG 1937), und ein Fall, in dem ausschließlich der Aufsichtsrat die Gesellschaft zu vertreten hat, nicht gegeben ist. Die Aktiengesellschaft wird bei Vereinbarungen mit ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern durch den Vorstand vertreten (BGHZ 41, 223, 227). Für einen Vertrag mit demjenigen, der für eine Aktiengesellschaft auf Grund eines fehlerhaften Anstellungsvertrages als Vorstandsmitglied tätig gewesen ist, kann nichts anderes gelten.
c) Bei einem solchen Vertrag ist neben dem Vorstand auch der Aufsichtsrat zur Vertretung der Gesellschaft berufen.
Im allgemeinen ist der Aufsichtsrat allerdings nicht zur Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern berufen (Schmidt/Meyer-Landrut in Großkomm AktO § 98 Anm. 5 m.w.N.). Eine Ausnahme ist aber bei Verträgen zu machen, die einem Bestellungswiderruf, der noch der gerichtlichen Nachprüfung ausgesetzt ist (§ 75 Abs. 3 Satz 4 AktG 1937), endgültigen Bestand verleihen sollen (BGHZ 26, 236). Einem solchen Vertrag stehen Vereinbarungen gleich, die über die Auflösung und Abwicklung eines tatsächlichen Vorstandsverhältnisses getroffen werden. Denn derartige Vereinbarungen schaffen ebenfalls endgültige Verhältnisse, entweder indem sie ein bloß tatsächliches Rechtsverhältnis, mag es schon einseitig beendet worden sein oder nicht, vertraglich zu klären oder indem sie an die Stelle von Zweifeln über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Vorstandsvertrages sichere Verhältnisse zu setzen suchen.
d) Vorstand und Aufsichtsrat der Klägerin sind zum Abschluß der Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 nicht tätig geworden.
Dem Vorstand gehörte damals allein Marie-Luise Cr. an. Sie hat zwar an der Aufsichtsratssitzung vom 18. März 1961, aber infolge einer Reise in die Schweiz nicht an der vom 29. April 1961 teilgenommen und keine unmittelbar auf das Zustandekommen der Vereinbarungen gerichtete Erklärung abgegeben.
Der Aufsichtsrat war nicht funktionsfähig, da er damals nur aus zwei Mitgliedern (C. und V.) bestand, während die Amtszeit des Arbeitnehmervertreters (H.) abgelaufen war, wie im Laufe des Prozesses unstreitig geworden ist (vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 11. 10. 62, Bl. 92 d.A. und S. 9 des Schriftsatzes vom 3. 1. 63, Bl. 253 d.A.).
II. Die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 konnten aber durch Genehmigung wirksam werden.
1. Das Berufungsgericht meint, hierfür komme der Aufsichtsratsbeschluß vom 30. Mai 1961 nicht in Betracht, weil an diesem Tage der Aufsichtsrat ebenso unzulänglich besetzt gewesen sei wie am 29. April 1961. Das ist richtig.
2. Nach dem Profokoll über die Aufsichtsratssitzung vom 20. Oktober 1961 erklärten „die Anwesenden einstimmig ihr Einverständnis zu den gefaßten Beschlüssen und Abmachungen mit Herrn S. (Beklagten) und seiner Ehefrau”. In diesem Protokoll sind außer C. und Vogel als Anwesende aufgeführt: Kurt H. als Arbeitnehmervertreter bis 6. September 1961, Günter K. als Arbeitnehmervertreter ab 6. September 1961, Marie-Luise Cr., Prokurist S., Herr St. „zu Punkt 12 der Tagesordnung” und vom Beirat Heinz de W. und Georg W..
a) Das Berufungsgericht hat hieraus gefolgert, an der Abstimmung bei dieser Beschlußfassung hätten alle Anwesenden mitgewirkt. Es hat in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Senats vom 24. Februar 1954 – II ZR 63/53 – (BGHZ 12, 327, 330 ff) den Standpunkt vertreten, ein Aufsichtsratsbeschluß sei rechtlich nicht wirksam, wenn bei der Beschlußfassung fremde Personen mitgestimmt haben, es sei denn, daß derjenige, der sich auf die Gültigkeit des Beschlusses beruft, einwandfrei die Möglichkeit ausräumt, daß der Beschluß durch das Mitstimmen der Unbefugten beeinflußt worden ist. Die Klägerin habe, so führt das Berufungsgericht weiter aus, nicht behauptet, das Protokoll vom 20. Oktober 1961 sei zur Abstimmungsbeteiligung unrichtig, und lediglich von den Beiratsmitgliedern vorgetragen, sie hätten nur beratend teilgenommen; aber selbst das habe sie nicht unter Beweis gestellt.
Hierauf kommt es nicht an. Der Senat vermag an seinem zuvor wiedergegebenen Standpunkt nicht festhalten.
Nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG 1937 hat der Aufsichtsrat Sachverständige und Auskunftspersonen zur Beratung über einzelne Gegenstände zuzuziehen. Von der Bestimmung des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG 1937, daß Personen, die dem Aufsichtsrat nicht angehören, an dessen Sitzungen nicht teilnehmen sollen, sind die Mitglieder des Vorstands ausdrücklich ausgenommen. § 93 Abs. 3 AktG 1937 erlaubt unter gewissen Voraussetzungen die Teilnahme Dritter an Aufsichtsratssitzungen an Stelle von Aufsichtsratsmitgliedern. In allen diesen Fällen kann ein Aufsichtsratsbeschluß durch Dritte beeinflußt werden. Dies ist sogar der Zweck der vom Gesetz zugelassenen Teilnahme Dritter. Ein Aufsichtsratsbeschluß kann darum nicht schon deshalb unwirksam sein, weil er von dritten Personen beeinflußt ist. Aus dem gleichen Grunde muß selbst die Beteiligung Dritter an der Abstimmung unschädlich sein, wenn feststeht oder von der Gesellschaft bewiesen werden kann, daß der gefaßte Beschluß nicht auf der Stimmabgabe Dritter beruht. Gewiß kann nicht zugelassen werden, daß Nichtmitglieder einen Aufsichtsratsbeschluß fassen; darum muß ein Aufsichtsratsbeschluß nichtig sein, der ohne die Stimmen dritter Personen nicht zustande gekommen wäre. Anders liegt es aber bei Beschlüssen, die auch ohne Rücksicht auf die dafür abgegebenen Stimmen dritter Personen die erforderliche Mehrheit durch Aufsichtsratsmitglieder gefunden haben. Denn alsdann hat nicht die Stimmabgabe der dritten Personen den Beschluß herbeigeführt, und lediglich die im Mitstimmen liegende Einflußnahme kann für die Beschlußfassung ursächlich geworden sein. Aber diese Einflußnahme kann schwächer als die Meinungsäußerung einer kraftvollen Persönlichkeit sein und nicht je nach dem Grad ihrer Intensität oder wegen der Nichtbeweisbarkeit ihrer Wirkung einen Nichtigkeitsgrund darstellen, wenn eine auf die bloße Meinungsäußerung beschränkte, aber für das Zustandekommen des Beschlusses ursächlich gewordene Meinungsäußerung keinen Nichtigkeitsgrund abgibt.
b) Der Beklagte hat geltend gemacht, auch am 20. Oktober 1961 sei der Aufsichtsrat nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Er hat behauptet und unter Beweis gestellt: K. habe sein Amt erst nach der Aufsichtsratssitzung vom 20. Oktober 1961 angenommen. An dieser Sitzung habe er nicht als Aufsichtsratsmitglied teilgenommen. In dieser Sitzung sei noch H. als Aufsichtsratsmitglied angesehen worden. In dem Protokoll über die Aufsichtsratssitzung sei zunächst keine Angabe über die Amtszeit von H. und K. enthalten gewesen. Die Angaben hierzu (Hennies bis 6. September 1961 und K. ab 6. September 1961) seien erst nachträglich eingefügt worden. Außerdem hat der Beklagte den Standpunkt vertreten, K. könne am 20. Oktober 1961 auch deshalb noch nicht Aufsichtsratsmitglied gewesen sein, weil der Vorstand entgegen § 31 WahlO BetrVG dem Betriebsrat nicht den Zeitpunkt des Beginns der Amtsdauer mitgeteilt und die Veränderung in der Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht „unverzüglich” (vgl. § 91 AktG 1937) nach dem 6. September 1961, sondern erst nach dem 20. Oktober 1961 in den Gesellschaftsblättern bekanntgemacht habe; selbst in den Geschäftsbericht für 1961 sei zunächst aufgenommen worden, daß K. erst ab 21. Oktober 1961 dem Aufsichtsrat angehöre; das sei erst während der Drucklegung dieses Berichts geändert worden.
Der Aufsichtsrat der Klägerin mußte zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen (§ 76 Abs. 1 BetrVG). Ein Arbeitnehmervertreter kann seine Tätigkeit im Aufsichtsrat erst aufnehmen, wenn seine Wahl festgestellt ist, er die Wahl angenommen hat und der Wahlvorstand gemäß § 36 WahlO BetrVG dem Vorstand der Aktiengesellschaft das Wahlergebnis mitgeteilt hat (Baumbach/Hueck, Aktiengesetz Anh. nach § 86 Anm. 6; Dietz, Betriebsverfassungsgesetz Anm. zu § 36 WahlO; Fitting/Kraegeloh/Auffarth, Betriebsverfassungsgesetz Anm. 3 zu § 36 WahlO). Der Beginn der Amtszeit eines nicht nachgewählten Arbeitnehmervertreters (vgl. zu seiner Wahl § 31 Abs. 1 Satz 3 Teilsatz 2 WahlO BetrVG) hängt außerdem noch vom Ablauf der Amtszeit der von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder ab (vgl. § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob und wann der Klägerin mitgeteilt worden ist, daß K. in den Aufsichtsrat gewählt worden sei, wann die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre endete und ob die Wahl von K. die Wahl eines fehlenden Arbeitnehmervertreters war. Das hatte nicht unterbleiben dürfen.
Dagegen hing die Entscheidung der Frage, ob K. bereits am 20. Oktober 1961 Aufsichtsratsmitglied war, nicht davon ab, ob der Vorstand der Klägerin die in § 31 Abs. 1 WahlO BetrVG vorgesehene Mitteilung gemacht, also dem Betriebsrat angezeigt hatte, daß die Amtszeit für H. abgelaufen sei. Denn eine solche Mitteilung dient lediglich der Vorbereitung der Wahl der Arbeitnehmer, und unstreitig hat die Wahl eines neuen Arbeitnehmervertreters am 6. September 1961 stattgefunden.
Für die Frage, ob K. bereits am 20. Oktober 1961 Aufsichtsratsmitglied war, ist es auch ohne Bedeutung, daß die Klägerin erst nach diesem Zeitpunkt die Zugehörigkeit von K. zum Aufsichtsrat in den Gesellschaftsblättern bekanntgemacht hat. Denn nach § 91 AktG 1937 ist zwar jeder Wechsel der Aufsichtsratsmitglieder unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen; aber diese Bekanntmachung hat keine rechtsbegründende Wirkung (Baumbach/Hueck a.a.O. Anm. nach § 86 Anm. 6).
Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt es für diese Frage auch nicht darauf an, ob die Wahl von K. angefochten worden ist und daß über eine etwaige Anfechtung am 20. Oktober 1961 noch nicht entschieden gewesen sein kann. Die Wahl eines Arbeitnehmers in den Aufsichtsrat kann allerdings, obwohl die Bundesregierung bisher von der ihr in § 87 g BetrVG erteilten Ermächtigung noch keinen Gebrauch gemacht hat, binnen 14 Tagen seit Bekanntmachung des Wahlergebnisses angefochten werden, weil § 18 BetrVG entsprechend anzuwenden ist (BAG AP Nr. 1, 3, 14 zu § 76 BetrVG; Dietz a.a.O. § 76 Anm. 50; Fitting/Kraegeloh/Auffarth a.a.O. § 76 Anm. 66; Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht Kap. 35 IV a.E.). Aber nicht die Anfechtung als solche, sondern nur die erfolgreiche Anfechtung nimmt dem Betroffenen die Eigenschaft eines Aufsichtsratsmitglieds.
Die Zugehörigkeit K. zum Aufsichtsrat am 20. Oktober 1961 hing auch nicht davon ab, ob Hennies noch als Aufsichtsratsmitglied angesehen wurde oder nicht.
c) Der Beklagte hat behauptet und unter Beweis gestellt, entgegen dem Protokoll vom 20. Oktober 1961 habe K. nicht für die Genehmigung der Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 gestimmt. Hierauf kommt es nicht an. Maßgebend ist nur, ob der Aufsichtsrat an diesem Tage funktionsfähig war und über die Genehmigung abgestimmt hat. Einstimmigkeit war dagegen nicht erforderlich.
3. Das Berufungsgericht meint, nur der Aufsichtsrat habe die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 genehmigen können.
Das ist nicht richtig.
Wenn der Vorstand berechtigt war, Verträge mit dem Beklagten zu schließen, hätte er auch die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 genehmigen können.
4. Der Beklagte bestreitet, daß Fräulein Cr. rechtswirksam zum Vorstandsmitglied bestellt worden sei, die vom Aufsichtsratsvorsitzenden getroffenen Vereinbarungen habe genehmigen können und die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 genehmigt habe.
a) Unstreitig ist Fräulein Cr. in der Aufsichtsratssitzung vom 29. September 1956 mit Wirkung ab 1. Oktober 1956 zum Vorstandsmitglied bestellt worden. Der Beklagte halt diese Maßnahme für unwirksam, weil Fräulein Cr. und er an der Beratung hierüber teilgenommen hätten und die Mitglieder des Aufsichtsrats in Anwesenheit von Fräulein Cr. als der Mehrheitsaktionärin von deren Berufung gar nicht hätten absehen können.
Diese Auffassung ist unrichtig. Der Beklagte war Vorstandsmitglied und durfte, wie sich aus § 93 Abs. 1 AktG 1937 ergibt, an den Sitzungen des Aufsichtsrats teilnehmen. Mit Fräulein Cr. waren die Bedingungen ihrer Anstellung und Bestellung abgesprochen. Ihre Teilnahme an der für ihre Bestellung und ihre Anstellung maßgebenden Aufsichtsratssitzung kann für die Wirksamkeit des Beschlusses nicht schädlich sein. Das Aktiengesetz 1937 geht, wie bereits hervorgehoben, selbst davon aus, daß Dritte an Sitzungen des Aufsichtsrats teilnehmen.
Die Verantwortung des Aufsichtsrats gebietet es, Rat, Auskünfte und das Urteil Sachverständiger einzuholen und sie bei seinen Entschlüssen sachgerecht zu berücksichtigen. Für die Gültigkeit oder Ungültigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses kann nicht auf die Intensität der Einflußnahme Dritter, sondern nur darauf abgestellt werden, ob sie sittenwidrig und damit nach § 138 BGB unzulässig ist oder nicht. Der Beklagte vertritt selbst nicht den Standpunkt, daß mit Fräulein Cr. gegen die guten Sitten verstoßende Einstellungsbedingungen vereinbart worden seien. Ihre Eigenschaft als Hauptaktionärin hinderte nicht, sie in den Vorstand zu berufen. Also kann ihre Anwesenheit bei der Beschlußfassung über ihre Bestellung und Anstellung keinen unzulässigen Einfluß auf die Abstimmung gehabt haben.
b) Der Beklagte führt für seine Auffassung, Fräulein Cr. habe die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 nicht genehmigen können, mehrere Gesichtspunkte an.
b 1) Er macht einmal geltend, C. habe bei den Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 nicht für die Klägerin, sondern für den Aufsichtsrat gehandelt und aus diesem Grunde habe die Absprache nicht von Fräulein Cr., sondern nur vom Aufsichtsrat genehmigt werden können. Das ist unrichtig, da nicht der Aufsichtsrat, sondern die Klägerin der Vertragspartner des Beklagten werden sollte.
b 2) Unrichtig ist auch die Ansicht des Beklagten, die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 hätten deshalb nicht genehmigt werden können, weil C. selbst gar nicht mehr Aufsichtsratsmitglied gewesen und bei Abreden der getroffenen Art eine Vertretung der Aktiengesellschaft durch einen vollmachtlosen Vertreter ausgeschlossen sei. Es steht weder ein nach § 75 AktG 1937 unter die ausschließliche Zuständigkeit des Aufsichtsrats fallendes Geschäft noch in Frage, ob eine Aktiengesellschaft bei einem derartigen Geschäft durch eine Person vertreten werden kann, die überhaupt keinem Vertretungsorgan angehört. C. war, wie die Vorinstanzen rechtlich einwandfrei festgestellt haben, rechtswirksam. Aufsichtsratsmitglied, und er schloß eine Vereinbarung ab, die unter die Vertretungsmacht sowohl des Vorstandes als auch des Aufsichtsrats fiel. Damit stellt sich die vom Beklagten angeschnittene Frage überhaupt nicht.
b 3) Der Beklagte bezweifelt, daß Fräulein Cr. bei Abschluß der Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 und einige Zeit danach noch Vorstandsmitglied gewesen sei. Unstreitig enthält der Anstellungsvertrag von Fräulein Cr. keine Bestimmung über die Anstellungszeit. Die Klägerin hat geltend gemacht, daß die Eigenschaft von Fräulein Cr. als Hauptaktionärin und die Umstände, unter denen es zu ihrer Bestellung gekommen ist, für eine 5jährige Anstellung und Bestellung sprächen. Das Berufungsgericht hat hierzu keine Stellung genommene Auf die Würdigung dieser Umstände kommt es aber an, falls die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 nicht am 20. Oktober 1961 und auch nicht später, wirksam durch den Aufsichtsrat genehmigt worden sind.
c) Unter diesen Voraussetzungen ist auch erheblich, daß der Beklagte die Behauptung der Klägerin bestritten hat, Fräulein Cr. habe die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 genehmigt.
Hierbei sind aber noch folgende Gesichtspunkte zu beachten:
c 1) Die Klägerin hat behauptet und unter Beweis gestellt (S. 7 ihres Schriftsatzes vom 3. 4. 64, Bl. 416 d.A.), Fräulein Cr. habe sich am 21. April 1961 und am 30. Mai 1961 ausdrücklich mit den Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 einverstanden erklärt. Auf diese Behauptung kommt es an, falls Fräulein Cr. zu diesem Zeitpunkt Vorstandsmitglied war. Allerdings behauptet der Beklagte und stellt seinerseits unter Beweis, Fräulein Cr. habe die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 ohne jede Mitwirkung ihrerseits für wirksam gehalten, sie sei sich der Unwirksamkeit dieser Vereinbarungen gar nicht bewußt gewesen und habe auch nicht damit gerechnet, diese Vereinbarungen ihrerseits genehmigen zu sollen. Hierauf kommt es aber bei ausdrücklicher Billigung nicht an. Soweit das Reichsgericht (BGZ 118, 336) und der Senat (BGHZ 2, 150) ausgesprochen haben, die Genehmigung eines Vertrages nach § 184 BGB setze begrifflich voraus, daß sich der Genehmigende der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages bewußt ist oder wenigstens mit einer solchen Möglichkeit rechnet, handelt es sich um Fälle, in denen es darum ging, ob eine Äußerung oder Handlung als Genehmigung gedeutet werden könne. Für die Auslegung einer Äußerung oder eines Verhaltens ist die Annahme gerechtfertigt, eine Genehmigung könne nicht gewollt sein, wenn der Betreffende weder wußte noch damit rechnete, es mit einem schwebend unwirksamen Vertrag zu tun zu haben. Anders verhält es sich bei einer ausdrücklichen Zustimmung, für die sich die Frage ihrer Deutung gar nicht stellt.
c 2) Das Berufungsgericht hat angenommen (BU 31), das Anwaltsschreiben vom 26. Oktober 1961 (Bl. 391 d.A.) enthalte einen Widerruf der Vereinbarungen vom 10. Mai 1961. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Das Berufungsgericht hält diesen Widerruf auch für wirksam, da die Klägerin entgegen § 178 BGB nicht dargetan habe, daß der Beklagte den Mangel der Vertretungsmacht von C. gekannt habe.
Damit wird das Berufungsgericht dem Prozeßstoff nicht gerecht. Der Beklagte hat nicht bloß geltend gemacht, C. habe mangels Ermächtigung keine Vertretungsmacht gehabt, sondern auch, der Aufsichtsrat habe mangels Funktionsfähigkeit keine Ermächtigung erteilen können. Er hat zur Berichtigung von Teilen seiner Berufungsbegründung vorgetragen (vgl. S. 1/2 seines Schriftsatzes vom 30. 5. 63, Bl. 330/331 d.A.), er habe schon vor der Betriebsratswahl vom März 1961 Fräulein Cr. darauf hingewiesen, daß ein neuer Arbeitnehmervertreter gewählt werden müsse. Diesen Vortrag hat er allerdings mit Schriftsatz vom 10. Juni 1963 (Bl. 335) fallengelassen; außerdem hat er sich (S. 9 seines Schriftsatzes vom 16. 10. 63, Bl. 366 d.A.) auf das Zeugnis seines Berufungsanwalts dafür berufen, daß der fallengelassene Vortrag auf einem Mißverständnis beruhe. Aber, ohne dem nachzugehen, was davon richtig oder zu glauben ist, durfte das Berufungsgericht nicht davon ausgehen, nach dem Zugang des Anwaltsschreibens vom 26. Oktober 1961 hätten die Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 im Hinblick auf § 178 BGB nicht mehr genehmigt werden können.
c 3) Selbst eine schlüssige Genehmigung der Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 kommt in Betracht, wenn Fräulein Cr. die schwebende Unwirksamkeit der Vereinbarungen vom 10. Mai 1961 erkannt oder mit ihr gerechnet hätte oder wenn der in dem Schreiben vom 26. Oktober 1961 enthaltene Widerruf dieser Vereinbarungen unwirksam wäre.
III. Die Revision macht noch geltend, das Berufungsgericht habe den Antrag auf Feststellung, daß der Beklagte keine über die Versorgungszusage vom 10. Mai 1961 hinausgehenden Ansprüche habe, nicht abweisen dürfen, ohne die Gründe zu prüfen, die zur Beendigung des tatsächlichen Vorstandsverhältnisses geführt haben. Nach § 81 AktG 1937 hat der Vorstand den Aufsichtsrat gewissenhaft und treu zu unterrichten. Diese Pflicht trifft nicht bloß den Vorstand als Gesamtheit, sondern jedes einzelne Vorstandsmitglied (BGHZ 20, 239, 246). Eine Verletzung dieser Pflicht kann nicht leicht genommen werden und nach ihrer Schwere Einfluß auf etwaige Pensionszusagen haben. Ob dies hier der Fall ist, bedarf der Abwägung durch das Tatsachengericht. Ohne diese Prüfung konnte das Berufungsgericht nicht annehmen, daß der Beklagte auf Grund seines Anstellungsverhältnisses und dessen tatsächlicher Fortsetzung über die Abrede vom 10. Mai 1961 hinausgehende Versorgungsansprüche habe.
Richtig ist dagegen, daß auch eine im Zusammenhang mit dem sog. Lippstädter Zusatzabkommen begangene schwerwiegende Pflichtverletzung dem Beklagten nicht Tantiemeansprüche nehmen konnte, die vor Abschluß dieses Vertrages entstanden sind. Das Berufungsgericht hätte aber prüfen müssen, ob derartige Ansprüche bestehen, und sich nicht damit begnügen dürfen, der Beklagte habe sich solcher Ansprüche berühmt und die Klägerin sei dem nicht substantiiert entgegengetreten. Denn die Klägerin konnte sich auf das bloße Bestreiten beschränken und es dem Beklagten überlassen, ob er das Bestehen solcher Ansprüche nachweisen könne.
IV. Die Revision hat auch mit ihrem Angriff gegen die vom Berufungsgericht zur Widerklage getroffene Entscheidung recht.
Die Widerklage ist nicht vollen Umfangs in die Berufungsinstanz gediehen. Denn der Beklagte hat seinen in erster Instanz gestellten Widerklageantrag mit der Berufung eingeschränkt. Das Berufungsgericht hat diese Einschränkung zwar in den Gründen seines Urteils behandelt, ihr aber nicht im Urteilsspruch Rechnung getragen.
V. Aus diesen Gründen mußte das Berufungsurteil aufgehoben werden.
Zur Klage war die Sache zurückzuverweisen, weil der Sachverhalt noch aufgeklärt werden muß.
Zur Widerklage konnte dagegen durcherkannt werden.
Die Kostenentscheidung war zweckmäßigerweise ganz dem Berufungsgericht vorzubehalten.
Unterschriften
Dr. Fischer, Dr. Kuhn, Dr. Bukow, Dr. Schulze, Fleck
Fundstellen
Haufe-Index 1502374 |
BGHZ |
BGHZ, 341 |
NJW 1967, 1711 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1967, 739 |