Leitsatz (amtlich)
1. Eine gegründete, aber nicht eingetragene GmbH, die ein als Sacheinlage eingebrachtes vollkaufmännisches Handelsgeschäft fortführt, ist keine OHG, solange die Eintragung noch betrieben wird.
2. Wer ein von der werdenden GmbH übernommenes Handelsgeschäft in tätigem Zusammenwirken mit einem oder mehreren anderen Gründer-Sesellschaffern fortfuhrt, haftet grundsätzlich für alle in diesem Rahmen vor Eintragung der GmbH abgeschlossenen Geschäfte ohne Rücksicht darauf, welcher von den mehreren Geschäftsführern gerade bei dem einzelnen Geschäft unmittelbar handelnd nach außen auf getreten ist.
3. Wird die GmbH vor der Eintragung wieder aufgelöst, so haften die Gründer-Gesellschafter gesamtschuldnerisch für alle Verbindlichkeiten, die im Rahmen der Abwicklung durch sie oder einen von ihnen bestellten Abwickler begründet werden.
4. Für eine vor der Eintragung aufgelöste GmbH kann das Gericht keinen Liquidator bestellen.
Normenkette
GmbHG §§ 11, 66 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm vom 22. April 1966 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage wegen eines Betrages von 7 928,56 DM mit Zinsen abgewiesen worden ist. In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Im übrigen, wird die Revision zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen zu 3/5 dem Kläger zur Last. Im übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Berufungsgericht vorbehalten.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt vom beklagten Land Ersatz des Schadens, der ihm infolge unrichtiger Auskunft eines Rechtspflegers entstanden sei.
Der Kläger vertrieb früher zunächst mit seiner Ehefrau und später allein unter der Firma H. & Co. Elektrogeräte. Durch notariellen Vertrag vom 19. Juni 1958 gründete er zusammen mit Heinz W. und Bruno M. eine GmbH unter der Firma H. & Co. GmbH, in die er sein Handelsgeschäft einbrachte. Die Gesellschaft nahm alsbald den Geschäftsbetrieb auf, Während die Einzelfirma im Handelsregister gelöscht wurde, unterblieb die beantragte Eintragung der GmbH, weil die Gesellschafter, die sich inzwischen entzweit hatten, die hierfür notwendigen Unterlagen nicht beibrachten. Durch Beschluß vom 8. April 1959 lösten die Gesellschafter die GmbH auf. Hierauf bat der Kläger den Rechtspfleger beim Registergericht um Auskunft, was zur Abwicklung der Vorgesellschaft zu tun sei. Er erhielt zur Antwort, die Vorgesellschaft sei rechtlich eine OHG und müsse daher, um abgewickelt zu werden, als solche zunächst in das Handelsregister eingetragen und dann alsbald wieder gelöscht werden. Daraufhin meldeten die Gesellschafter die „Offene Handelsgesellschaft H. & Co.” zum Handelsregister mit dem Bemerken an, die seit dem 19. Juni 1958 bestehende Gesellschaft sei aufgelöst und der Kläger sei zum Abwickler bestellt, Dementsprechend erfolgte am 12. Juni 1959 die Eintragung.
Nachdem der Kläger unter dem 19. Februar 1960 sein Amt als Liquidator niedergelegt hatte, bestellte das Amtsgericht durch Beschluß von 30. August 1960 den Buchhalter L. zum Abwickler. Inzwischen hatte W. beantragt, die Eintragung der OHG als unzulässig zu löschen. Während Amts- und Sandgericht den Antrag zurückwiesen, hob das Oberlandesgericht auf weitere Beschwerde den landgerichtlichen Beschluß mit der Begründung auf, die Eintragung der Vorgesellschaft als OHG sei dann unzulässig gewesen, wenn die Gesellschafter, niemals eine OHG hätten, errichten wollen und mit ihrer Anmeldung zum. Handelsregister lediglich den Zweck verfolgt hätten, die irrtümlich für eine OHG gehaltene Gründnergesellschaft wieder abzuwickeln. Nach einer Beweisaufnahme wurde alsdann am 2. August 1961 die Eintragung gemäß § 142 FGG von Amts wegen gelöscht.
Der Kläger macht mit seiner Klage auf Zahlung von 20 000 DM mit 4 % Zinsen seit Klagezustellung das beklagte Land als Dienstherrn des Rechtspflegers unter dem Gesichtspunkt der Amtspflicht Verletzung für einen Teil des Schadens haftbar, den er infolge der unrichtigen Rechtsbelehrung und der darauf beruhenden Registereintragung erlitten habe. Die einzelnen Schadensposten hat er in nachstehender Reihenfolge geltend gemacht und, wie folgt, erläutert:
1. Wegen seiner Beanspruchung als Liquidator seien ihm 9 750 DM Verdienst entgangen. Seine Tätigkeit sei durch die falsche Rechtsauskunft bedingt und im Ergebnis nutzlos gewesen, weil später nochmals von jedem, einzelnen Gesellschafter eine Abwicklung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG habe durchgeführt werden müssen.
2. Die nutzlose Abwicklung habe ihm des weiteren Unkosten in Höhe von 5 602,25 DM verursacht, für die er sonst keinen Ersatz erlangen könne.
3. An den ebenfalls überflüssigerweise eingesetzten Liquidator L. habe er aus eigener Tasche eine Vergütung von 1 400 DM gezahlt.
4. Wegen der unklaren Haftungsverhältnisse und weil er sein Amt als Abwickler niedergelegt habe, hätten 12 Gläubiger Strafanzeige gegen ihn erstattet. Die Verfahren seien zwar eingestellt worden, jedoch habe er 1 129,25 DM Anwaltskosten tragen müssen.
5. In demselben Zusammenhang habe er 450 DM Reisekosten gehabt.
6. Infolge der gegen ihn anhängigen Ermittlungsverfahren und einer Reihe von Vollstreckungsmaßnahmen insbesondere seiner 15maligen Ladung zum Offenbarungseid, habe er zum 31. Juli 1960 seine damalige Stellung verloren, Hierdurch habe er 7 500 DM eingebüßt.
7. In neun Fällen habe er infolge der irrigen Annahme, er hafte als Gesellschafter einer OHG, Gläubiger wegen solcher Forderungen befriedigen müssen, die M. namens der GmbH begründet gehabt habe. Dieser Schaden belaufe sich auf 4 794,19 DM.
8. Als Abwickler habe er im Rahmen seiner Aufgabe neue Geschäfte abgeschlossen und dafür als vermeintlich persönlich haftender Gesellschafter 1 548,02 DM an die Gläubiger bezahlen müssen. Diese Geschäfte wären, unterblieben, wenn er nicht irrtümlich eine OHG angenommen hätte und nicht als. Liquidator eingesetzt worden wäre.
9. Zur Erfüllung der wirklichen oder vermeintlichen Verpflichtungen 9 die infolge der falschen Beratung und Eintragung auf ihn eingestürmt seien, sowie zum Ausgleich des Verdienstausfalls während seiner Liquidationstätigkeit habe er Darlehen aufnehmen müssen und hierfür bis zum 30. Juni 1964 3 895,45 DM und 2 160,85 DM Zinsen aufgewandt.
10. Seine geplante Wiederverwendung als Berufsoffizier bei der Bundeswehr sei an der Unklarheit über seine Vermögensverhältnisse gescheitere 9 die durch seine fälschliche Eintragung als Gesellschafter einer OHG entstanden sei. Infolgedessen seien ihm Pensionsansprüche im Werte von mindestens 25 000 DM entgangen.
11. Die gegen ihn eingeleiteten Ermittlungs- und Vollstreckungsverfahren hätten, sein geschäftliches Ansehen und seine Kreditwürdigkeit empfindlich; beeinträchtigt. Als Entschädigung hierfür sei ein Schmerzensgeld von 5 000 bis 5 000 DM angemessen.
Das beklagte Land hat mit seinem Antrag auf Klagabweisung bestritten, daß diese angeblichen Schäden durch die Auskunft des Rechtspflegers verursacht worden seien, und daß der Kläger für sie nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermöge. Vorsorglich hat es sich auf ein Mitverschulden des Klägers und auf Verjährung berufen.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, die das beklagte Land zurückzuweisen bittet 9 verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
I. Nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts hat der Rechtspfleger beim Registergericht gegenüber dem Kläger eine Amtspflicht im Sinne von § 859 Abs. 1 BGB schuldhaft verletzt.
1. Wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats dargelegt hat, war die Auskunft des Rechtspflegers, zwischen dem Kläger und seinen Mitgesellschaftern sei zunächst eine OHG entstanden, die, nachdem sie vorzeitig wieder aufgelöst worden sei, als solche zum Zweck der Abwicklung und anschließenden Löschung in das Handelsregister eingetragen werden müsse, unrichtig. Die werdende GmbH untersteht als ein Rechtsgebilde eigener Art einem Sonderrecht, das den gesetzlichen und vertraglichen Gründungsvorschriften und dem Recht der eingetragenen GmbH, soweit es nicht die Eintragung voraussetzt, zu entnehmen ist (BGHZ 21, 242, 246; 45, 338, 547; BAG NJW 1963, 680). Einer der Fälle, in denen die gegründete, aber nicht eingetragene GmbH die Voraus Setzungen, für die Entstehung einer offenen Handelsgesellschaft erfüllt (vgl. dazu BGHZ 22, 240; BGH WM 1965, 246; Kuhn, WM 1956 Sonderbeilage 5 S. 15 ff), lag nicht vor. Die gegründete GmbH war allerdings bereits werbend tätig geworden. Sie setzte aber ein als Sacheinlage eingebrachtes Handelsgeschäft fort, und ihre Gründer haben bis zum Auflösungsbeschluß die Eintragung der gegründeten Gesellschaft betrieben. Indem der Rechtspfleger ohne ausreichende Prüfung der Rechtslage dem Kläger und seinen Mitgesellschaftern eine falsche Auskunft erteilt und sie hierdurch dazu bewogen hat, einen der wirklichen Sach- und Rechtslage widersprechenden Eintragungsantrag zu stellen 9 hat er gegen seine Amtspflicht verstoßen, Auskünfte an das rechtsuchende Publikum richtig zu geben (BGHZ 14, 319, 321; BGH LM BGB § 839 (Ca) Nr. 9 m.w.N.).
2. Dieser Verstoß war fahrlässig. Der Rechtspfleger hätte erkennen können und müssen, daß die ihm unterbreitete Rechtsfrage schwierig war und die dem Kläger erteilte Antwort schon damals keineswegs einer gefestigten Rechtsmeinung entsprach. Er hätte deshalb von einer solchen positiven Auskunft absehen oder, wenn er einen bestimmten Bescheid für notwendig hielt, die Sache nach § 5 Nr. 2 RechtspflG dem Richter vorlegen müssen, äußerte er statt dessen in einer immerhin zweifelhaften und dabei für die Betroffenen wichtigen Frage selbständig eine bestimmte Rechtsansicht, ohne sieh hierbei hinreichend auf Rechtsprechung und Schrifttum stützen zu können, so ließ er die Sorgfalt außer acht, die für ihn als Rechtspfleger den Umständen nach geboten war.
II. Jedoch hat das Berufungsgericht eine Haftung des Staates gemäß § 339 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG mit der Begründung verneint, keiner der vom Kläger geltend gemachten Schäden sei auf das fehlerhafte Verhalten des Rechtspflegers, zurückzuführen.
1.Liquidationsaufwand
Den Anspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen hält das Berufungsgericht für unbegründet, weil die Vorgesellschaft ohnehin hätte liquidiert werden müssen und darum die Aufwendungen auch dann entstanden wären, wenn der Rechtspfleger keine unrichtige Auskunft erteilt hätte und folglich die Eintragung der Vorgesellschaft als OHG unterblieben wäre. Hiergegen ist im Ergebnis nichts einzuwenden, soweit der Kläger seine Aufwendungen für die eigene Liquidationstätigkeit geltend macht.
a) Ob dem Kläger durch die unrichtige Auskunft des Rechtspflegers ein Schaden entstanden ist, beurteilt sich danach, wie die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Rechtspflegers verlaufen wären (BGH WM 1966, 229, 233). Hätte der Kläger nicht infolge jener Auskunft sich und die Mitgründer der GmbH irrtümlich als Gesellschafter einer OHG betrachtet, so wäre er gleichwohl nicht der Notwendigkeit enthoben gewesen, die schon geschäftlich tätig gewordene Gründergesellschaft nach ihrer Auflösung ordnungsgemäß abzuwickeln (vgl. BGHZ 13, 320, 323 f; BGH LM GmbHG § 11 Nr. 12). Alsdann hätten er und die anderen Gründer gleichfalls für alle zum Zwecke der Liquidation eingegangenen Verbindlichkeiten zu haften. Das folgt, wenn die Gründergesellschaft von den Gesellschaftern gemeinschaftlich abgewickelt worden wäre, unmittelbar aus den §§ 427, 431 BGB und, wenn der Kläger von seinen Mitgesellschaftern zum alleinigen Liquidator berufen worden wäre, aus diesen Vorschriften in Verbindung mit § 164 BGB. Dagegen ist § 11 Abs. 2 GmbHG unanwendbar, da er ein Handeln „im Namen der Gesellschafft”, d.h. der noch einzutragenden GmbH, voraussetzte Rechtlich blieb es gleich, ob der Kläger und seine Mitgesellschafter aus § 128 HGB oder aus den §§ 427, 451 hafteten. Und in tatsächlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß angenommen, daß die aufgelöste Gründergesellschaft unter der falschen Vorstellung 9 es sei das Recht der OHG anzuwenden, nicht anders liquidiert worden ist, als dies der Fall gewesen wäre, wenn die Rechtslage richtig erkannt worden wäre.
Die Revision meint allerdings, das Berufungsgericht habe bei dieser Feststellung das Vorbringen nicht beachtet, der Kläger wäre ohne die falsche Auskunft des Rechtspflegers nicht durch Gesellschafterbeschluß zum Abwickler bestellt und als solcher allein tätig geworden. Aber diese hypothetische Überlegung hätte untermauert werden müssen. Gleichviel, ob eine OHG oder eine Gründergesllschaft abzuwickeln war, konnten die Gesellschafter die Vornahme der Liquidation einem von ihnen übertragen (vgl. § 146 Abs. 1 HGB). Wenn die Gesellschafter diesen Weg gewählt haben, so ist nicht dargetan, inwiefern der Rechtspfleger auch hierfür verantwortlich gemacht werden könnte. Zu Unrecht möchte die Revision in diesem Punkt die Beweislast und damit auch die Darlegungslast dem beklagten Land aufbürden. Wer behauptet, infolge einer Amtspflichtverletzung geschädigt zu sein, muß alle anspruchsbegründenden Tatsachen vortragen und beweisen; dazu gehört grundsätzlich auch der Nachweis, daß die geltend gemachten Vermögensnachteile durch die Amtspflichtverletzung verursacht sind, also bei, pflichtgemäßem Verhalten des Beamten nicht eingetreten wären (BGH WM 1960, 1150). Der Vortrag des Klägers über seine Liquidationstätigkeit läßt aber nicht einmal die ernste Möglichkeit einer solchen Verursachung erkennen.
Daher ist die Klage zum Verdienstausfall und zu den Kosten für Bürounterhaltung, Reisen und Verhandlungen mit Gläubigem unbegründet.
b) Dagegen rügt die Revision mit Rechts, daß das Berufungsgericht auch wegen der Vergütung von 1 400 DM, die der Kläger an den gerichtlich bestellten Liquidator L. gezahlt haben will, einen ursächlichen Zusammenhang mit der Amtspflichtverletzung verneint hat. Ohne die unrichtige Rechtsauskunft und den darauf beruhenden Antrag wäre die bereits aufgelöste Gründergesellschaft nicht als OHG in das Handelsregister eingetragen worden. Sofern dann der Antrag auf Bestellung eines Liquidators überhaupt noch gestellt worden wäre 3 hätte das Amtsgericht bei richtiger Beurteilung, auf die es für die Frage der Ursächlichkeit ankommt (BGH WM 1966, 1248; 1963, 60, 65), diesen Antrag ablehnen müssen, weil für ihn; keine gesetzliche Grundlage bestand.
Die Bestimmung des § 66 Abs. 2 GmbHG ist auf die Verhältnisse bei einer bereits eingetragenen GmbH, also einer juristischen Person, zugeschnitten, bei der die Abwicklung auch öffentlichen Belangen und insbesondere dem Gläubigerinteresse dient und darum durch zwingende Vorschriften geregelt ist. Sie ist infolgedessen ebenso wie § 66 Abs. 1 GmbHG (BGH LM GmbHG § 11 Nr. 12) unanwendbar, wenn eine Gründergesellschaft noch vor der Eintragung der GmbH wieder auf gelost wird. Die Auffassung von Ganßmüller (GmbHRdsch 1965, 101), in diesem Fall liege schon eine Körperschaft vor, trifft nicht zu. Richtig ist allerdings der Gedanke des Bundesarbeitsgerichts (NJW 1963, 680), daß sich der Rechtscharakter der werdenden GmbH infolge der Auflösung nicht ändert. Aber hier geht es darum, wer dieses Rechtsgebilde zu liquidieren hat, und hierfür liegt der Gedanke des § 750 BGB näher als der des § 66 GmbHG.
Das Berufungsgericht hätte daher prüfen müssen, ob den Gründer-Gesellschaftern Unkosten in Höhe der an Lehr gezahlten Vergütung auch dann entstanden wären, wenn die gerichtliche Bestellung eines Abwicklers unterblieben wäre, und inwieweit der Kläger sich daran hätte beteiligen müssen. Das hängt wiederum davon ab, wie sich die Dinge entwickelt hätten, wenn die Gesellschafter nicht durch die Auskunft des Rechtspflegers irregeführt worden wären, insbesondere, ob der Kläger dann auch weiterhin als von den Gesellschaftern berufener Liquidator tätig geworden wäre, oder ob die Gesellschafter schließlich gemeinsam oder mit Hilfe eines von ihnen bestellten Dritten abgewickelt hätten. Dazu ist bisher nichts festgestellt. Das Berufungsurteil kann daher in diesem Punkt nicht bestehenbleiben.
2.Vermögensnachteile infolge von Ermittlungsverfahren und Vollstreckungshandlungen
Hierzu stellt das Berufungsgericht fest, der vom Kläger behauptete Schaden beruhe nicht auf der falschen Auskunft des Rechtspflegers und der anschließenden Eintragung der bereits aufgelösten Gründer-Gesellschaft als OHG, sondern in Wahrheit auf dem Handeln einer schon vor ihrer Gründung nicht ausreichend liquiden Gesellschaft. Schon das vom Kläger eingebrachte Unternehmen sei vielfach verschuldet gewesen. Auch als Liquidator habe der Kläger Geschäfte getätigt, die er nach seinem eigenen Vortrag nicht mehr habe erfüllen können. Diese Umstände allein und nicht die falsche Eintragung seien die Ursache dafür, daß die Vermögensverhältnisse des Klägers unübersichtlich und zahlreiche Straf- und Vollstreckungsverfahren gegen ihn anhängig gewesen seien. Mithin sei es auch keine Folge der Amtspflichtverletzung, wenn der Kläger aus diesen Gründen seine Stellung bei der Firma K. verloren und seine Einstellung bei der Bundeswehr nicht erreicht haben sollte.
Gegen diese tatsächliche Würdigung ist rechtlich nichts einzuwenden. Mit ihrer Rüge, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 ZPO den Sachvorhalt unzureichend aufgeklärt und angebotene Beweise nicht erhoben, verkennt die Revision die freiere Stellung, die das Berufungsgericht bei den hier zu treffenden Schadenfeststellungen hatte.
Hierbei ist davon auszugehen, daß die, Amtspflichtverletzung des Rechtspfleger den Kläger, und seine Mitgesellschafter insofern nachteilig betroffen hat, als sie durch sie zur Stellung eines unsachgemäßen Eintragungsantrags veranlaßt worden sind. Die Frage, welche Schäden dem Kläger hieraus im einzelnen erwachsen sind, hatte das Berufungsgericht nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände ohne Bindung an die Beweisanträge der Parteien nach freier Überzeugung zu entscheiden (BGHZ 4, 192, 196; 7, 287, 295; BGH WM 1963, 60, 63). Hierbei konnte es auch zu dem Ergebnis kommen, ein ursächlicher Zusamnenhang zwischen der Amtspflichtverletzung und dem Schaden sei zu verneinen (vgl. BGH WM 1960, 1150; VersR 1968, 385). Daß der Tatrichter das ihm hiermit eingeräumte Ermessen überschritten habe, ist nicht ersichtlich.
In der Tat leuchtet auch bei Berücksichtigung der Darlegungen des Klägers im Schriftsatz vom 28. Januar 1966 nicht, ohne weiteres ein, wie gerade die fehlerhafte Eintragung der aufgelösten Gründergesellschaft als OHG dazu geführt haben könnte, daß 12 Gläubiger den Kläger wegen Betrugs oder Unterschlagung anzeigten. Diese Lücke in seinem Sachvortrag konnte der Kläger nicht schon dadurch ausfüllen, daß er sich einfach auf eine Anzahl von Ermittlungsakten oder auf die Akten eines Hechtsstreits bezog, in dem sich W. erfolgreich gegen die Ansprüche eines Gläubigers mit dem Vorbringen verteidigt haben soll, er sei nicht „Handelnder” gewesen. Das Berufungsgericht durfte auch aus den vom Kläger selbst vorgelegten Urkunden in freier Würdigung Schlüsse ziehen, die für den Kläger ungünstig waren (RGZ 103, 95, 96) Hierin liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Im übrigen handelt es sich bei der von der Revision beanstandeten Folgerung des Berufungsgerichts, „auch” die Einstellung des einen Ermittlungsverfahrens wegen Geringfügigkeit zeige, daß der Kläger an den Strafanzeigen nicht völlig schuldlos gewesen sei, nur um eine zusätzliche Erwägung.
Ebensowenig ist es zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht aus dem Vortrag des Klägers und den von ihm eingereichten Prozeßunterlagen die Überzeugung gewonnen hat, auch unabhängig von der unrichtigen Rechtsbelehrung und Eintragung seien die Vermögensverhältnisse des Klägers undurchsichtig und die finanzielle Grundlage der von ihm mitgegründeten Gesellschaft unzureichend gewesen, und darum wären die geltend gemachten Berufsschäden ohnehin eingetreten. Tatsächlich sind die vom Kläger beigebrachten Vollstreckungstitel, soweit sie nicht unstreitig auf seine Tätigkeit als Liquidator zurückgehen, zum großen Teil schon vor dem Tag der unrichtigen Eintragung (12. Juni 1959) ergangen, lauten aber gleichwohl insoweit überwiegend auf die frühere Firma des Klägers, H. & Co. ohne den Zusatz „GmbH”. Demgemäß stammen auch die ihnen zugrunde liegenden Rechnungen aus der Zeit vor dem 12. Juni 1959, eine von ihnen (Anl. IX 2) sogar vor dem 19. Juni 1958, dem Tag, an dem die. Gesellschaft durch notariellen Vertrag gegründet wurde. Der Kläger hat auch eingeräumt, daß einige Titel von vornherein gegen ihn selbst gerichtet waren, und daß die Vollstreckungsmaßnahmen zu einem Teil auf sein persönliches Handeln für die Gesellschaft zurückzuführen sind (Schriftsätze, vom 28. Januar 1966 S. 22 und vom 13. April. 1966 S. 2). Der Vorwurf der Revision, das Berufungsgericht habe seine Feststellungen ohne genügende tatsächliche Grundlage getroffen, ist daher auch insoweit unbegründet.
3.Befriedigung von Gläubigern aus Bestellungen des Gesellschafters M.
Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe ohnehin für alle namens der Gesellschaft abgeschlossenen Geschäfte nach § 11 Abs. 2 GmbHG gehaftet, weil er in die Geschäftseröffnung eingewilligt habe. Hierbei ist es von der seinerzeit auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (LM GmbHG § 11 Nr. 6) vertretenen Auffassung ausgegangen 9 der Gründer einer GmbH hafte für die vor deren Eintragung vorgenommenen Geschäfte als „Handelnder” gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG auch dann persönlich, wenn er lediglich der Geschäftseröffnung vorher allgemein zugestimmt habe. In seinem nach Erlaß, des Berufungsurteils ergangenen Urteil BGHZ 47, 25 ist der erkennende Senat dieser Auffassung nicht gefolgt. Er hat vielmehr entschieden, daß das bloße Einverständnis mit der Eröffnung des Geschäftsbetriebs nicht ausreicht, um die Haftung aus § 11 Abs. 2 GmbHG zu begründen.
Andererseits erfordert diese Bestimmung kein unmittelbares Handeln in eigener Person (BGHZ 47, 25, 28; vgl. auch Fischer, GroßKomm AktG 2. Aufl. § 34 Anm. 22). Eine aktive Einflußnahme auf die konkrete Geschäftstätigkeit kann genügen. In dieser Hinsicht könnte hier von Bedeutung sein, daß der Kläger selbst das von der Gründergesellschaft betriebene Unternehmen eingebracht hat, und inwieweit er selber namens der Gesellschaft geschäftlich tätig gewesen ist, um dieses werbende Unternehmen zu erhalten und in die künftige GmbH überzuleiten. Nach Lage der Dinge kommt in Betracht, daß er neben einem oder beiden Mitgesellschaftern auf Grund ausdrücklicher oder stillschweigender Abmachungen laufend wie ein Geschäftsführer in Erscheinung getreten ist und hierbei auch den Abschluß konkreter Geschäfte wesentlich mitbestimmt hat. Sollte es sich so verhalten, dann hatte der Kläger auf Grund dieser tätigen Zusammenarbeit die Mitverantwortung für alle in dem: vereinbarten Rahmen abgeschlossenen Geschäfte übernommen.
In einem solchen Fall kann die Haftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG nicht jeweils von dem mehr oder minder zufälligen Umstand abhängen, welcher von den mehreren Geschäftsführern gerade bei dem einzelnen Geschäft unmittelbar handelnd nach außen auf getreten ist. Das wird besonders deutlich, wenn man an den Fall denkt, daß eine von den Geschäftsführern gemeinsam angestellte Hilfskraft im Rahmen ihrer Vertretungsmacht nach § 54 HGB ein Geschäft abgeschlossen hat; dann kann: es für die Haftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG nicht darauf ankommen, welcher von den Geschäftsführern – und ob überhaupt einer von ihnen – den Angestellten gerade zu diesem Geschäft eigens ermächtigt hatte. Vielmehr sind dann grundsätzlich alle Gründer-Geschäftsführer infolge ihres fortwährenden aktiven Zusammenwirkens als Handelnde im Sinne, von § 11 Abs. 2 GmbHG anzusehen. Nur eine solche Lösung wird zugleich den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs und den Belangen sowohl der Gläubiger als auch der beteiligten Gründer-Gesellschafter gerecht. Hiernach hätte der Kläger auch für die auf Bestellungen des Gesellschafters M. zurückgehenden Verbindlichkeiten nach § 11 Abs. 2 GmbHG persönlich aufkommen müssen und könnte daher nicht mit Erfolg geltend machen, er habe diese Verbindlichkeiten nur beglichen, weil er sich im Vertrauen auf die Auskunft des Rechtspflegers irrtümlich als persönlich haftbar angesehen habe.
Ob die Sache so liegt, läßt sich nicht abschließend beurteilen, weil bisher weder der Gesellschaftsvertrag vorgetragen noch Näheres darüber festgestellt ist, auf Grund welcher sonstigen Absprachen und in welcher Weise der Kläger und seine Mitgesellschafter im einzelnen für die entstehende GmbH geschäftlich tätig geworden sind. Wegen des Betrages von 4 794,19 DM, den der Kläger zur Tilgung von Geschäftsschulden aus Bestellungen M. aufgewandt haben will, bedarf es daher einer weiteren Sachaufklärung.
4.Haftung für Geschäftsabschlüsse als Liquidator
Anders liegt es wieder bei den Geschäften, die der Kläger als Liquidator neu abgeschlossen hat. Wie oben zu 1 a) dargelegt, haftete der Kläger für die hieraus erwachsenen Schulden in jedem Fall. Das klagabweisende Urteil ist daher in diesem. Punkt nicht zu beanstanden.
5.Darlehnszinsen
Der Anspruch auf Ersatz von Darlehnszinsen könnte insoweit begründet sein, als der Kläger die Darlehen zur Deckung solcher Aufwendungen aufgenommen hat, die ihm ohne die unrichtige Rechtsbelehrung nicht entstanden wären. Nach den vorstehenden Ausführungen kommen hierfür nur die an Lehr gezahlte Vergütung von 1 400 DM und die Inanspruchnahme aus Bestellungen M. mit 4 794,19 DM in Betracht, Hierauf entfallen von der Gesamtforderung des Klägers (Schriftsatz vom 28. Januar 1966 S. 38 ff) 7 % von (1 400 + 4 794,19 =) 6 194,19 DM für die Zeit vom 1. Juli 1960 bis 30. Juni 1964 = 1 734,37 DM. Insoweit hängt die Entscheidung ebenfalls noch von weiteren Feststellungen ab.
Dagegen betreffen die vom Kläger darüber hinaus geltend gemachten Darlehnszinsen solche Aufwendungen, bei denen ein ursächlicher Zusammenhang mit der Amtspflichtverletzung nicht feststellbar ist. Insoweit ist daher die Revision zurückzuweisen.
6.Schmerzensgeld
Der Schmerzensgeldanspruch des Klägers scheitert schon an der rechtlich fehlerfreien Feststellung des Berufungsgerichts, die Einbüße an geschäftlichem Ansehen, auf die der Kläger diesen Anspruch gestützt hat, sei nicht eine Folge der falschen Auskunft, sondern davon, daß die GmbH ihre Geschäftstätigkeit auf einer von vornherein ungesicherten Grundlage begonnen habe. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob der Vortrag des Klägers im Hinblick auf die §§ 847, 253 BGB überhaupt geeignet ist, eine Schmerzensgeldforderung rechtlich zu begründen.
III. Demnach hat das Berufungsurteil wegen eines Teilbetrags der Klageforderung in Höhe von (1 400 + 4 794,19 + 1 734,37 =) 7 928,56 DM keinen Bestand. Insoweit ist die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, während es im übrigen bei der Abweisung der Klage bleibt.
Unterschriften
Dr. Kuhn, Dr. Nörr, Dr. Schulze, Fleck, Stimpel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.10.1968 durch Heil, Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 648989 |
BGHZ |
BGHZ, 30 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1969, 293 |