Leitsatz
1. Die Wartungsverpflichtung nach § 6 LuftBO ist wirtschaftlich nicht in der Vergangenheit verursacht, weil wesentliches Merkmal der Überholungsverpflichtung das Erreichen der zulässigen Betriebszeit ist, die den typischerweise auftretenden Ermüdungs- und Abnützungserscheinungen des Luftfahrtgeräts Rechnung trägt (Bestätigung des BFH-Urteils vom 19. Mai 1987 VIII R 327/83, BFHE 150, 140, BStBl II 1987, 848).
2. Die Notwendigkeit der Bildung einer Rückstellung kann sich aus einer privatrechtlichen Verpflichtung auf Zahlung von Wartungsrücklagen-Garantiebeträgen ergeben, wenn bei Beendigung des Vertrages kein Anspruch auf Rückerstattung der Beträge besteht und der Steuerpflichtige deshalb stets mit den vereinbarten Beträgen belastet bleibt.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 249 HGB, § 6 LuftBO, § 8 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 KStG
Sachverhalt
Es geht um ein Luftverkehrsunternehmen. Das FA erkannte von der Klägerin im Jahr 2005 gebildete Rückstellungen für Wartungsverpflichtungen nicht an ("fehlende wirtschaftliche Verpflichtung") und aktivierte Zahlungen einer Organgesellschaft (GmbH) an Leasinggeber in eine dort geführte Wartungsrücklage (es liege eine "Kaution" vor).
Nach dem Leasingvertrag mit der G KG war die Klägerin zur Instandhaltung der geleasten Flugzeuge auf eigene Kosten verpflichtet. Es ging darum, die Flugzeuge nach Ablauf des im Rahmen eines im sog. Wartungsprogramm festgelegten Intervalls im Einklang mit den luftverkehrsrechtlichen Bestimmungen auf eigene Kosten zu warten. Dafür hatte sie entweder (neben den regulären Leasingraten) Zahlungen i.H.d. voraussichtlichen Instandhaltungskosten in die Wartungsrücklage zu leisten oder sie konnte die Zahlungen durch die Gestellung einer Bankbürgschaft ersetzen.
Die Verpflichtung war unabhängig davon zu erfüllen, ob der Flugbetrieb über den Ablauf der vertraglich vereinbarten Betriebszeit hinaus fortgesetzt wurde.
Bei Beendigung eines Leasingvertrags vor Durchführung einer Wartung wurde die Wartungsverpflichtung des jeweiligen Leasingnehmers dadurch erfüllt, dass der Leasinggeber die bis zum Beendigungszeitpunkt gezahlten Wartungsrücklagen-Garantiebeträge vereinnahmte oder in entsprechender Höhe die Bankbürgschaft in Anspruch nahm. Im Einklang hiermit wurden die bei Beendigung eines Leasingvertrages vorhandenen Überschüsse zur Erstattung der Kosten des nächsten Leasingnehmers bei Eintritt des Wartungsereignisses verwendet.
Die Klägerin machte im Verhältnis zur G KG von der Möglichkeit Gebrauch, eine Bankbürgschaft zu stellen, und bildete in ihrer Steuerbilanz auf den 31.12.2005 mit Rücksicht auf die bereits abgelaufenen Betriebszeiten eine Wartungsrückstellung. Die GmbH leistete auf der Grundlage vergleichbarer Leasingverträge Zahlungen in die Wartungsrücklage (laufender Aufwand).
Das FG gab der Klage nur insoweit statt, als zum 31.12.2005 eine Forderung auf Erstattung künftiger Wartungsaufwendungen bei der GmbH aktiviert worden war (FG Düsseldorf, Urteil vom 21.4.2015, 6 K 307/13 K,G, Haufe-Index 8523692, EFG 2015, 1629).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA zurückgewiesen und der Revision der Klägerin entsprochen.
Hinweis
1. Gegenstand der Entscheidung ist der bilanzsteuerrechtliche Klassiker der Wartungskosten für Fluggerät. Im Streitfall bestand nicht nur eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, sondern auch eine vertragliche aus Leasingverträgen. Der BFH lehnte bezogen auf die öffentlich-rechtliche Verpflichtung (wie auch nach bisheriger Rechtsprechung) eine Rückstellungsbildung ab, ließ sie aber mit Blick auf die privatrechtliche Verpflichtung zu.
2. Keine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten aus öffentlich-rechtlicher Verpflichtung: Vorausgesetzt werden entweder das Bestehen einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit (hier: Werkleistungspflichten) oder die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach, deren Höhe zudem ungewiss sein kann.
Beruhen die Verbindlichkeiten auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften, bedarf es der Konkretisierung in dem Sinne, dass sie inhaltlich hinreichend bestimmt, in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag zu erfüllen sowie sanktionsbewehrt sind.
Ist die Verpflichtung am Bilanzstichtag nicht nur der Höhe nach ungewiss, sondern auch dem Grunde nach noch nicht rechtlich entstanden, so kann eine Rückstellung nur unter der weiteren Voraussetzung gebildet werden, dass sie wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren verursacht ist.
Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt: Zwar bestand eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung als Halterin von Fluggerät, jenes nach Erreichen einer festgelegten Zahl von Betriebsstunden zu warten. Die Durchführung der streitigen Maßnahmen liegt auch im überwiegenden öffentlichen Interesse.
Jedenfalls ist die Wartungsverpflichtung aber wirtschaftlich nicht in der Vergangenheit verursacht. Denn wesentliches Merkmal der Überholungsverpflichtung ist das Erreichen der zulässigen Betriebszeit. Dabei ...