Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Parallel zur Corona-Pandemie hat die Flutkatastrophe in Teilen von Deutschland zu flächendeckenden Zerstörungen und damit auch zu erheblichen Problemen in der Wirtschaft geführt. Nachdem die Finanzverwaltung in den vergangenen Monaten schon diverse Billigkeitsregelungen aufgrund der Corona-Pandemie veröffentlicht hatte, sind nun auch verschiedene temporäre Vereinfachungen für die Umsatzsteuer wegen der Flutkatastrophe beschlossen worden.
Die rechtliche Problematik
Unternehmen können unmittelbar von der Flutkatastrophe betroffen sein, wenn sie in den betroffenen – zerstörten – Gebieten Deutschlands ansässig sind. Aber auch unterstützende Unternehmen müssen sich für Hilfsmaßnahmen mit den sich daraus ergebenden umsatzsteuerrechtlichen Folgen auseinandersetzen. Insbesondere könnte hier die Besteuerung unentgeltlicher Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG oder die Versagung eines Vorsteuerabzugs für unmittelbar für unentgeltliche Wertabgaben erworbene Gegenstände in Betracht kommen. Um nachteilige Folgen – insbesondere für die unterstützenden Unternehmen – zu verhindern, hat die Finanzverwaltung für einen kurzen Zeitraum die Anwendung bestimmter Grundsätze des Umsatzsteuerrechts im Billigkeitswege außer Kraft gesetzt.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Die Finanzverwaltung hat verschiedene Maßnahmen getroffen, die sowohl den unmittelbar betroffenen Unternehmen Erleichterungen bringen sollen als auch umsatzsteuerrechtliche Nachteile bei den unterstützenden Unternehmen oder der öffentlichen Hand verhindern sollen.
Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung 2021
Unternehmen, die unmittelbar von der Flutkatastrophe betroffen sind, können die Herabsetzung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung zur Dauerfristverlängerung auf bis zu 0 EUR beantragen; die Dauerfristverlängerung wird dennoch weiter gewährt.
Unentgeltliche Überlassung von Wohnraum
Wird von Unternehmen der öffentlichen Hand oder von in privater Rechtsform betriebenen Unternehmen Wohnraum unentgeltlich überlassen, wird von einer Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe (befristet bis zum 31.12.2021) abgesehen. Ebenso wird auf eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG verzichtet. Dies betrifft auch ursprünglich für eine kurzfristige Vermietung bereitgehaltene Räume (z. B. Hotelzimmer, Ferienwohnungen), wenn diese Flutopfern oder Helfern unentgeltlich überlassen werden. Für bezogene Nebenleistungen (Strom, Wasser etc.) wird der Vorsteuerabzug gewährt.
Unentgeltliche Verwendung von Investitionsgütern
Werden Investitionsgüter (z. B. Räumgerät) für die Beseitigung der Flutschäden eingesetzt, wird – befristet bis zum 31.12.2021 – auf die Besteuerung einer Wertabgabe verzichtet; dies gilt auch bei Überlassung solcher Geräte an das Personal. Eine Vorsteuerberichtigung ist nicht vorzunehmen.
Unentgeltliche Ausführung sonstiger Leistungen
Die Ausführung unentgeltlicher sonstiger Leistung (z. B. die Personalgestellung; Ausführung von Räumarbeiten) wird – hier allerdings nur befristet bis 31.10.2021 – ebenfalls keiner Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe unterworfen.
Sachspenden
Sachspenden, die unmittelbar den von der Flutkatastrophe betroffenen Menschen zugutekommen, werden – befristet in der Zeit vom 15.7. – 31.10.2021 – nicht als unentgeltliche Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG der Besteuerung unterworfen, wenn es sich um Lebensmittel, Tierfutter, für den täglichen Bedarf notwendige Güter (z. B. Kleidung, Hygieneprodukte, Geschirr, medizinische Produkte) oder zur Bewältigung der Auswirkungen der Flutkatastrophe notwendige Gegenstände (z. B. Pumpen, Werkzeug und Maschinen) handelt. Werden diese Gegenstände unmittelbar zum Zweck der unentgeltlichen Wertabgabe erworben, ist entgegen der sonstigen Regelungen der Vorsteuerabzug dennoch möglich.
Die Billigkeitsmaßnahmen gelten nur, soweit ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Bewältigung der Flutkatastrophe vorliegt und auch nachgewiesen ist.
Konsequenzen für die Praxis
Neben den wirtschaftlichen Problemen aufgrund der Corona-Pandemie sind in einigen Teilen Deutschlands nun auch aufgrund der Flutkatastrophe massive wirtschaftliche Probleme entstanden. Die Finanzverwaltung hat unmittelbar mit etlichen Billigkeitsmaßnahmen reagiert, die zumindest umsatzsteuerrechtliche Nachteile für unterstützende Unternehmen verhindern sollen. Dies ist gut und richtig. Neben der kurzfristigen Umsetzung der Billigkeitsmaßnahmen sollte aber langfristig darüber nachgedacht werden, ob die "Begünstigung" von Sachspenden von dem Umfang der Katastrophe abhängig gemacht werden kann und soll.
Zu beachten sind die unterschiedlichen Fristen, in denen die Begünstigung gewährt wird, wobei die weitere Entwicklung abzuwarten bleibt, ob es nicht noch in Einzelfällen zu Verlängerungen kommen kann.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 23.7.2021, III C 2 – S 7030/21/10008 :001, BStBl 2021 I S. 1024.