Leitsatz
Mit einer Anrufungsauskunft setzt das Finanzamt grundsätzlich einen Vertrauenstatbestand, auf den sich der Auskunftssuchende verlassen darf. Ändern sich die gesetzlichen Vorschriften, die einer Lohnsteueranrufungsauskunft zugrunde liegen, entfällt deren Bindungswirkung. Es bedarf hierzu weder eines Widerrufs noch einer Mittelung an den Steuerpflichtigen. Beanstandet der Außenprüfer bei einer vorhergehenden Betriebsprüfung einzelne geprüfte Punkte nicht, weil sie der im Prüfungszeitraum geltenden Rechtslage entsprechen, trifft er damit keine Aussage für die Zukunft.
Sachverhalt
Die Klägerin stellte einigen ihrer Arbeitnehmer jeweils ein Firmenfahrzeug zur privaten Nutzung zur Verfügung. Seit 1981 ermittelte sie den privaten Nutzungsanteil durch Abzug der dienstlich gefahrenen Kilometer von der jährlichen Gesamtfahrleistung. Das zuständige Betriebsstättenfinanzamt bestätigte diese Ermittlungsmethode 1988 in einer Anrufungsauskunft als ordnungsgemäß. Anderen Arbeitnehmern erstattete die Klägerin die Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Sie behandelte diese Zahlungen als steuerfrei. Bis 1994 wurden bei mehreren Lohnsteuer-Außenprüfungen weder die Ermittlungsmethode des privaten Nutzungsanteils noch die Fahrtkostenerstattung beanstandet. Nach der Lohnsteuer-Außenprüfung für die Jahre 1996 bis 1998 erging ein Lohnsteuerhaftungsbescheid. Die private Kraftfahrzeugnutzung der Arbeitnehmer war auf Grundlage der 1%-Regelung als geldwerter Vorteil der Lohnsteuer zu unterwerfen. Ebenso erging ein Nachforderungsbescheid, weil ein Nachweis über die Höhe der den Arbeitnehmern entstandenen Aufwendungen nicht geführt wurde und die Fahrtkostenerstattungen somit der pauschalierten Lohnsteuer unterworfen wurden.
Entscheidung
Das FG Düsseldorf entschied, dass das Finanzamt sowohl den Lohnsteuerhaftungsbescheid als auch den Lohnsteuernachforderungsbescheid zu Recht erlassen hat. Die Lohnsteueranrufungsauskunft (§ 42e EStG) steht einer Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers (§ 42d EStG) nicht entgegen. Die Anrufungsauskunft ist kein Verwaltungsakt, sondern eine Wissenserklärung, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Die Anrufungsauskunft kann daher nicht aufgrund der Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts, sondern nur nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Bindungswirkung auslösen. Mit einer Anrufungsauskunft setzt das Finanzamt einen Vertrauenstatbestand, auf den sich der Auskunftssuchende verlassen kann. Dennoch sieht das FG Düsseldorf im Streitfall die Voraussetzungen für eine Bindung des Finanzamts an die erteilte Auskunft nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht gegeben. Wenn bereits die in einem wesentlich gründlicheren und umfassenderen Verfahren erteilte verbindlichen Zusage (§ 204 AO) bei einer gesetzlichen Änderung ihre Bindungswirkung verliere (§ 207 Abs. 1 AO; zur verbindlichen Auskunft vgl. BMF, Schreiben v. 24.6.1987, BStBl 1987 I S. 474), könne nach Auffassung des Gerichts die unter wesentlich geringeren Anforderungen erteilte Anrufungsauskunft keine weitergehende Wirkung entfalten. Bereits aufgrund der seit 1988 verstrichenen Zeit, hätten sich bei der Klägerin Bedenken an einem uneingeschränkten Fortwirken der damals erteilten Auskunft ergeben müssen. Vertauensschutz besteht insbesondere dann nicht, wenn wie im Streitfall die Gesetzesänderung (§ 8 Abs. 2 S. 2 EStG) in der Fachpresse dargestellt wurde und die Klägerin steuerlich beraten war.
Eine Bindungswirkung nach Treu und Glauben lässt sich aus Nichtbeanstandungen bei vorhergehenden Lohnsteueraußenprüfungen nicht herleiten. Eine Aussage für die dem Prüfungszeitraum nachfolgenden Besteuerungszeiträume wird hierdurch nicht getroffen, so dass ein Vertrauenstatbestand nicht existiert. Die Revision ist zugelassen.
Hinweis
Der BFH hat bereits 1965 zur Lohnsteuerhaftung entschieden, dass sich der Arbeitgeber über die jeweilige Gesetzeslage und eingetretenen Änderungen mit der gebotenen Sorgfalt informieren müsse. Eine erteilte Auskunft werde bei der Änderung des zugrundeliegenden Gesetzes gegenstandslos (BFH, Urteil v. 9.3.1965, BStBl 1965 III S. 426). Eine betagte, jedoch noch aktuelle höchstrichterliche Entscheidung liegt also vor. Im Streitfall könnte sich nach Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens ein zivilrechtlicher Haftungsprozess anschließen. Im Interesse eines geminderten Haftungsrisikos hat der steuerliche Berater darauf zu achten, ob die einer Lohnsteueranrufungsauskunft zugrundeliegende Rechtslage noch aktuell ist. Im Zweifelsfall sollte eine erneute Anfrage an das Betriebsstättenfinanzamt gestellt werden (§ 42e EStG).
Link zur Entscheidung
FG Düsseldorf, Urteil vom 08.05.2003, 15 K 1455/00 H (L)