Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwertungsverbot des § 393 Abs. 2 AO 1977 bei Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung
Leitsatz (redaktionell)
Wird im Rahmen einer Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung zugleich eine mit der Steuerhinterziehung begangene allgemeine Straftat offenbart (hier: Urkundenfälschung), greift das Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 AO 1977 nicht.
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 103 Abs. 2; AO 1977 § 393 Abs. 2, § 371
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Reichweite des Verwertungsverbots in § 393 Abs. 2 Abgabenordnung.
I.
1. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts wegen Urkundenfälschung in vier Fällen, davon in drei Fällen je in Tateinheit mit versuchter Steuerhinterziehung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer unter Vorlage gefälschter Scheinrechnungen namens dreier Scheinfirmen Umsatzsteuererstattung beantragt hatte. Zu einer Auszahlung war es in keinem Fall gekommen. Hinsichtlich einer Firma (Fa. A…) hatte der Beschwerdeführer Selbstanzeige erstattet, hinsichtlich einer zweiten Firma (Fa. B…), die zwei der vier ausgeurteilten Taten betraf, hatte er unter falschem Namen eine Selbstanzeige eingereicht. Hinsichtlich der dritten Firma (Fa. C…) war die Tat im Rahmen einer Durchsuchungsmaßnahme aufgedeckt worden.
Auf Grund der Revision des Beschwerdeführers bewertete der Bundesgerichthof abweichend vom Landgericht auch die unter falschem Namen abgegebene Erklärung betreffend die Firma B… als Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO und änderte daher den Schuldspruch dergestalt ab, dass nur in einem der vier Fälle (Fa. C…) eine versuchte Steuerhinterziehung gegeben war.
Der Bundesgerichtshof bestätigte hingegen die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Urkundenfälschung auch in den Fällen einer erfolgten Selbstanzeige. Durch die Selbstanzeigen betreffend die Firmen A… und B… habe der Angeklagte nur hinsichtlich der Steuervergehen Straffreiheit erlangt. Dies folge sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Zweck des § 371 AO. Auch das Beweisverwendungsverbot des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO stehe in der konkreten Fallgestaltung einer Verurteilung wegen Urkundenfälschung nicht entgegen, da dieses Verwendungsverbot einschränkend ausgelegt werden müsse. Der Beschwerdeführer habe zwar mit seiner Selbstanzeige “in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten” gehandelt. Offenbare der Steuerpflichtige aber im Rahmen einer Selbstanzeige eine zugleich mit der Steuerhinterziehung begangene allgemeine Straftat, so sei § 393 Abs. 2 AO seinem Zweck nach nicht einschlägig. Zum einen offenbare der Steuerstraftäter in diesen Fällen keine weitere Steuerquelle für den Staat. Das in § 393 Abs. 2 AO geregelte Verwendungsverbot ziele zum anderen darauf, das Spannungsverhältnis auszugleichen zwischen der Erzwingbarkeit steuerrechtlicher Mitwirkungs- und Offenbarungspflichten und dem berechtigten Interesse des Steuerpflichtigen, sich nicht der Strafverfolgung auszusetzen. Dieser Grund entfalle in solchen Fällen, in denen die Erfüllung steuerrechtlicher Offenbarungspflichten nicht mit den Zwangsmitteln des Steuerrechts durchsetzbar sei. Gemäß § 393 Abs. 1 AO sei eine zwangsweise Durchsetzung dann nicht möglich, wenn der Steuerpflichtige dadurch genötigt wäre, sich wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat selbst zu belasten. Da er in dieser Situation nicht mit Zwangsmitteln zur Erfüllung seiner steuerrechtlichen Pflichten veranlasst werden könne, bedürfe er auch nicht des besonderen Schutzes eines Beweisverwendungsverbots nach § 393 Abs. 2 AO.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die Verurteilung wegen Urkundenfälschung verstoße gegen Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG im Zusammenhang mit dem Grundsatz des nemo tenetur se ipsum accusare. Die Selbstanzeige in drei Fällen beseitige nicht nur die Strafbarkeit wegen versuchter Steuerhinterziehung, sondern auch wegen der je tateinheitlich verwirklichten Urkundenfälschungen. Das Revisionsgericht habe § 393 Abs. 2 AO, der eine einfach-rechtliche Ausprägung des genannten Verfassungsgrundsatzes sei, in verfassungswidriger Weise eingeschränkt. Der Beschwerdeführer habe in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten ein Allgemeindelikt offenbart, das als Vergehen nicht unter die Ausschlussklausel des § 393 Abs. 2 Satz 2 falle. Unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes als besonderer Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips habe der Beschwerdeführer daher darauf vertrauen dürfen, dass auf Grund seiner Selbstanzeige auch die Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung entfalle. Im Zusammenhang mit der Selbstanzeige habe er sich zudem auch ohne Drohung mit den Zwangsmitteln nach § 328 AO in einer faktischen Zwangslage befunden, da er im Interesse der Straffreiheit nach § 371 AO zur vollständigen Offenlegung des Steuerdelikts einschließlich der damit verbundenen Allgemeindelikte gezwungen gewesen sei.
II.
1. Mit seinem Revisionsurteil hat der Bundesgerichtshof über die Reichweite des Beweisverwendungsverbots nach § 393 Abs. 2 AO entschieden und damit zu einem in Rechtsprechung und Literatur kontrovers beurteilten Auslegungsproblem Stellung genommen. Das Urteil betrifft die höchstrichterlich bislang nicht geklärte Frage, ob für Tatsachen in Hinblick auf Allgemeindelikte, die in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart wurden, auch dann ein strafrechtliches Verwendungsverbot gilt, wenn zwischen dem Steuerdelikt und dem Allgemeindelikt Tateinheit besteht bzw. beide Delikte eine Tat im prozessualen Sinn bilden (vgl. dazu Hellmann in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Stand: November 1999, § 393, Rn. 160 ff.; Kohlmann, Steuerstrafrecht, Stand: Oktober 2002, § 393 AO, Rn. 76 ff.; BayObLG, NJW 1997, S. 600 f. ≪601≫). Der Bundesgerichtshof hat diese Frage nun im Wege einer einschränkenden Auslegung dahingehend entschieden, dass das Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 AO nicht eingreift, wenn der Steuerpflichtige eine allgemeine Straftat offenbart, die er zugleich mit der Steuerhinterziehung begangen hat.
a) Diese Auslegung widerspricht nicht dem verfassungsrechtlichen Schutz vor erzwungener Selbstbelastung.
aa) Der Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, durch eigene Aussage die Voraussetzung für eine strafgerichtliche Verurteilung zu liefern, ist vom Bundesverfassungsgericht als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG anerkannt worden (BVerfGE 56, 37 ≪41 f.≫; 95, 220 ≪241≫). Durch rechtlich vorgeschriebene Auskunftspflichten kann die Auskunftsperson in die Konfliktsituation geraten, sich entweder selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen oder durch eine Falschaussage gegebenenfalls ein neues Delikt zu begehen oder aber wegen ihres Schweigens Zwangsmitteln ausgesetzt zu werden. Wegen dieser Folgen ist die erzwingbare Auskunftspflicht als Eingriff in die Handlungsfreiheit sowie als Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Art. 2 Abs. 1 GG zu beurteilen. Ein Zwang zur Selbstbezichtigung berührt zugleich die Würde des Menschen, dessen Aussage als Mittel gegen ihn selbst verwendet wird (vgl. BVerfGE 56, 37, ≪41 f.≫).
Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz vor einer solchen Zwangslage schließt die Rechtmäßigkeit von gesetzlichen Auskunftspflichten nicht grundsätzlich aus, auch wenn damit der Zwang zur Offenbarung strafbarer Handlungen verbunden ist (vgl. BVerfGE 56, 37 ≪41 ff.≫). Insbesondere ist die steuerrechtliche Auskunftspflicht im Interesse staatlicher Aufgabenerfüllung und gleichmäßiger Erfassung aller Steuerpflichtigen verfassungsrechtlich zulässig (Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts – Vorprüfungsausschuss – vom 21. April 1988 – 2 BvR 330/88 –, wistra 1988, S. 302 f. ≪302≫). Die Zumutbarkeit einer solchen uneingeschränkten Auskunftspflicht rechtfertigt es aber nicht, dass der Auskunftspflichtige zugleich zu seiner strafrechtlichen Verurteilung beitragen muss. Das verfassungsrechtlich gebotene Schweigerecht im Strafverfahren wäre illusorisch, wenn eine außerhalb des Strafverfahrens erzwungene Selbstbezichtigung gegen seinen Willen strafrechtlich gegen ihn verwendet werden dürfte. Eine zwangsweise herbeigeführte Selbstbezichtigung ist daher verfassungsrechtlich nur dann zulässig, wenn sie mit einem strafrechtlichen Verwertungsverbot einhergeht (vgl. BVerfGE 56, 37 ≪50 f.≫).
bb) Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist nach diesem verfassungsrechtlichen Maßstab nicht zu beanstanden. Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des einfachen Rechts können vom Bundesverfassungsgericht – abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot – nur auf eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts überprüft werden. Die Subsumtionsvorgänge innerhalb des einfachen Rechts sind so lange der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen, als nicht Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite der Grundrechte nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheiten führt (BVerfGE 18, 85 ≪92 f., 96≫; 85, 248 ≪257 f.≫ stRspr).
Der Bundesgerichtshof hat sich in seinem Urteil mit dem Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare auseinandergesetzt und dabei entscheidend darauf abgestellt, dass der Grund für das in § 393 Abs. 2 AO normierte Verwendungsverbot in der grundsätzlichen Erzwingbarkeit der steuerrechtlichen Mitwirkungs- und Offenbarungspflichten mit den Zwangsmitteln des Steuerrechts nach § 328 AO bestehe. Aus der Ausnahme von dieser Erzwingbarkeit in § 393 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO folgert er, dass auch das Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO seinem Zweck nach eingeschränkt werden müsse. Da der Steuerpflichtige nicht dazu gezwungen werden könne, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten, bedürfe er auch nicht des Verwendungsverbots für offenbarte Tatsachen in Hinblick auf allgemeine Straftaten, die in Tateinheit zum Steuerdelikt begangen wurden. Der Bundesgerichtshof setzt dabei erkennbar voraus, dass sich das Zwangsmittelverbot des § 393 Abs. 1 Satz 2 AO auch auf Allgemeindelikte erstreckt, die in Tateinheit zu einem Steuerstrafdelikt stehen (zur umstrittenen Reichweite des Zwangsmittelverbots nach § 393 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO s. Hellmann, a.a.O., § 393 AO, Rn. 88 ff.; Kohlmann, a.a.O., § 393 AO, Rz. 42, 48 ff., Joecks in: Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 5. Auflage, 2001, § 393 AO, Rn. 10 und 33).
Diese Auslegung widerspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum verfassungsrechtlichen Schutz vor Selbstbelastung. Zwar berührt bereits die gesetzliche Auferlegung einer Auskunftspflicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht, wenn diese Pflicht darauf gerichtet ist, dass der Betroffene unter Umständen Informationen preisgeben muss, die ihn selbst belasten (vgl. BVerfGE 96, 171 ≪181≫; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. November 1998 – 2 BvR 510/96 –, NJW 1999, S. 779 f. ≪779≫). Ein Beweisverwertungsverbot für das Strafverfahren folgt aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aber nur im Hinblick auf solche Tatsachen, die auf Grund erzwingbarer Auskunftspflichten offenbart wurden. Nur in diesen Fällen einer rechtlich erzwungenen Selbstbezichtigung (vgl. BVerfGE 56, 37 ≪51≫) wird der Einzelne zum Zwecke der Strafverfolgung instrumentalisiert und zum Mittel gegen sich selbst verwendet. Drohen hingegen im Fall der Nichterfüllung einer gesetzlichen Auskunftspflicht keine Zwangsmaßnahmen, so lässt sich verfassungsrechtlich aus der gesetzlichen Auskunftspflicht selbst noch kein strafrechtliches Beweisverwertungsverbot herleiten (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 1995 – 2 BvR 1778/94 –, NStZ 1995, S. 599 f. ≪599 f.≫; vgl. auch Stürner, Strafrechtliche Selbstbelastung und verfahrensförmige Wahrheitsermittlung, NJW 1981, S. 1757 ff. ≪1761≫).
Daraus folgt auch, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Zwangslage, in der sich ein Selbstanzeigender im Fall des § 371 AO befindet, für die verfassungsrechtliche Begründung eines Beweisverwertungsverbots nicht ausreicht. Das Interesse an einer Vermeidung der Strafbarkeit wegen eines Steuerdelikts kann zwar ein stärkeres Motiv für eine Selbstanzeige bilden als die Androhung steuerrechtlicher Zwangsmittel. Die angestrebte Straffreiheit im Hinblick auf das Steuerdelikt erlangt nur derjenige, der neben dem Steuerdelikt zugleich auch damit begangene Allgemeindelikte aufdeckt, da eine Unvollständigkeit der Selbstanzeige jedenfalls eine vollständige Straffreiheit nach § 371 Abs. 1 AO ausschließt. Diese faktische Zwangswirkung einer fehlgehenden Selbstanzeige führt aber nicht dazu, dass die Offenlegung eines Allgemeindelikts im Rahmen einer Selbstanzeige aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen müsste. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt nicht vor einer Bestrafung strafbaren Verhaltens, sondern lediglich vor einem rechtlichen Zwang zur Selbstbelastung und einer darauf beruhenden strafrechtlichen Verurteilung. Nur in diesem Fall wird die Würde des Menschen verletzt, wenn dessen erzwungene Aussage als Mittel gegen ihn selbst verwendet wird. Entscheidend ist daher, ob der Steuerpflichtige zu einer solchen Selbstanzeige gezwungen ist. Dies ist – wie oben dargelegt – nicht der Fall. Es besteht zwar die Pflicht zur umfassenden Auskunft, diese ist aber nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbar.
b) Die Auslegung des § 393 Abs. 2 AO durch den Bundesgerichtshof widerspricht als einschränkende Interpretation eines Beweisverwertungsverbots auch nicht dem Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG. Diese Vorschrift bezieht sich auf die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Strafandrohung (vgl. BVerfGE 25, 269 ≪286 f.≫; 45, 363 ≪370 f.≫). Zu den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit gehören neben den einzelnen Straftatbeständen die Vorschriften des allgemeinen Teils zu Rechtswidrigkeit und Schuld sowie die besonderen Strafbarkeitsbedingungen und Strafausschließungsgründe. Nicht erfasst von der Verfassungsgarantie des Art. 103 Abs. 2 GG sind hingegen Vorschriften über die Beweisverwertung (vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Dezember 1992, Art. 103 Abs. 2, Rn. 197, 231, 233). Grenzen der Auslegung ergeben sich hier nicht aus der speziellen Vorschrift des Art. 103 Abs. 2 GG, sondern aus dem allgemeinen rechtsstaatlichen Vertrauensschutz nach Art. 20 Abs. 3 GG (offen gelassen in: Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Februar 1990 – 2 BvR 51/90 –, NJW 1991, S. 558).
c) Auch unter diesem Aspekt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes genügt die Auslegung des § 393 Abs. 2 AO durch den Bundesgerichtshof den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Das Gebot des Vertrauensschutzes ist im Rechtsstaatsprinzip mit Verfassungsrang verankert (vgl. BVerfGE 50, 244 ≪250≫; 63, 215 ≪223 f.≫). Der Bürger soll die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (BVerfGE 13, 261 ≪271≫). Dieser allgemeine Vertrauensschutz steht der teleologischen Reduktion einer gesetzlichen Vorschrift aber nicht generell entgegen. Eine solche gehört vielmehr zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen und ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfGE 88, 145 ≪167≫). Der allgemeine, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Vertrauensschutz unterscheidet sich damit vom speziellen Vertrauensschutz des Art. 103 Abs. 2 GG, wo gerade das Vertrauen auf den Wortlaut einer Norm geschützt wird.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 1254539 |
BFH/NV Beilage 2005, 108 |
HFR 2005, 160 |
NJW 2005, 352 |
Inf 2005, 249 |
NWB 2006, 1934 |
wistra 2005, 175 |
PStR 2005, 52 |
NPA 2005, 0 |
BFH/NV-Beilage 2005, 108 |