Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Feuerwehrabgabe Baden-Württemberg
Leitsatz (amtlich)
Die Feuerwehrabgabe nach baden-württembergischen Recht ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Leitsatz (redaktionell)
- Die Feuerwehrabgabe ist eine “Ausgleichsabgabe” eigener Art, die sich der herkömmlichen Einteilung in Steuern, Gebühren, Beiträge (§ 1 AO ) nicht ohne weiteres einfügt.
- Die Begründung einer Feuerwehrdienstpflicht für die gesundheitlich tauglichen Männer zwischen 18 und 50 Jahren ist durch Art. 12 Abs. 2 Satz 1 GG gedeckt.
- Der Gleichheitssatz ist nicht verletzt. Der Gesetzgeber war gerade von dem Bestreben geleitet, die Dienstpflichtigen gleichmäßig zu belasten, indem er denen, die zur Dienstleistung nicht herangezogen werden, die Zahlung einer Ausgleichsabgabe auferlegte.
- Art. 105 Abs. 2 GG steht der Regelung nicht entgegen. Die Feuerwehrabgabe gehört nach ihrem Grundgedanken, ihrem Zweck und ihrer Ausgestaltung nicht zu den Steuern, die durch diese Verfassungsbestimmung der Gesetzgebung der Länder entzogen werden.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 2 S. 1, Art. 105 Abs. 2; FeuerwG BW § 38 Abs. 2 S. 1; AO § 1
Verfahrensgang
VG Sigmaringen (Vorlegungsbeschluss vom 06.02.1961; Aktenzeichen III 349/60) |
Tatbestand
I.
1. Mit Beschluß vom 20. Mai 1959 (BVerfGE 9, 291) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß § 38 Abs. 2 Satz 1 des Feuerwehrgesetzes für Baden-Württemberg vom 6. Februar 1956 (GesBl. S. 19) wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ( Art. 3 Abs. 1 GG ) nichtig ist.
Auf Grund einer Vorlage der Landesregierung hat der Landtag das Gesetz zur Änderung des Feuerwehrgesetzes vom 9. Februar 1960 (GesBl. S. 12) beschlossen, das am 16. Februar 1960 in Kraft getreten ist. Das Gesetz regelt die Feuerwehrdienstpflicht (§§ 11 bis 14) neu und gestaltet im Zusammenhang damit den bisherigen “Feuerwehrbeitrag” zu einer “Feuerwehrabgabe” um.
§ 38 lautet jetzt:
Feuerwehrabgabe
(1) Die Gemeinden können auf Grund einer Satzung eine Feuerwehrabgabe erheben. Das Aufkommen darf nur für Zwecke der Feuerwehr verwendet werden.
(2) Abgabepflichtig sind alle Personen, die nach § 12 Abs. 1 feuerwehrdienstpflichtig sind und bei Beginn des Rechnungsjahrs in der Gemeinde wohnen. § 12 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß.
(3) Von der Abgabepflicht sind nur ausgenommen Personen,
a) die einer Gemeindefeuerwehr, einer anerkannten Werkfeuerwehr, einer Feuerwehr der bundeseigenen Verwaltungen oder der ausländischen Streitkräfte angehören oder mindestens 25 Jahre aktiv angehört haben,
b) die in den vom Innenministerium anerkannten Organisationen, die bei Unglücksfällen oder sonstigen öffentlichen Notständen freiwillig Hilfe leisten, ehrenamtlich als Helfer tätig sind oder mindestens 25 Jahre tätig waren,
c) deren Dienstzeit nach Buchst. a) und b) insgesamt 25 Jahre beträgt,
d) die als feuerwehrtechnische Beamte im Sinne des § 23, als Leiter der allgemeinen Polizeibehörden, als Beamte des Polizeivollzugsdienstes, als Soldaten der Bundeswehr oder als Angehörige des Bundesgrenzschutzes Dienst tun,
e) die Leiter von Forstämtern und die Forstbetriebsbediensteten, denen ein Betriebsdienstbezirk übertragen ist.
(4) Die Feuerwehrabgabe kann auf 5 bis 100 DM im Jahr festgesetzt werden. Bei der Veranlagung können die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Abgabepflichtigen berücksichtigt werden. Die Feuerwehrabgabe wird bei Beginn des Rechnungsjahres fällig. Das Nähere ist durch Satzung zu regeln.
(5) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Feuerwehrabgabe die für Gemeindeabgaben geltenden Vorschriften sinngemäß anzuwenden.
Feuerwehrdienstpflichtig sind nach § 12 Abs. 1 alle männlichen Gemeindeeinwohner zwischen dem vollendeten 18. und dem vollendeten 50. Lebensjahr, die den gesundheitlichen Anforderungen des Feuerwehrdienstes gewachsen sind. Sie werden nach Bedarf zur Dienstleistung herangezogen. Nicht herangezogen werden sollen Feuerwehrdienstpflichtige, für die der Dienst aus persönlichen oder beruflichen Gründen eine besondere Härte bedeutet oder die “ungeeignet” sind, weil sie die für einen ehrenamtlichen Dienst vorauszusetzenden moralischen Eigenschaften nicht besitzen.
2. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen – 3. Kammer – hat ein Verfahren, in dem ein 19jähriger Oberschüler sich gegen einen gemeindlichen Feuerwehrabgabebescheid wendet, ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber erbeten, ob § 38 Abs. 2 des Feuerwehrgesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das Gericht verneint diese Frage; es ist der Meinung, noch immer bestehe über den Rechtscharakter der Feuerwehrabgabe keine Klarheit; sehe man sie als Ersatzabgabe für nicht geleisteten Feuerwehrdienst an, so sei der Kreis der Abgabepflichtigen viel zu weit gezogen, in Wahrheit handle es sich um eine – unzulässige – Steuer.
Die Landesregierung hat die Ansicht vertreten, daß § 38 Abs. 2 in seiner neuen Fassung mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Sie ist dem Verfahren nicht beigetreten.
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage ist zulässig. Wie in dem früheren Verfahren ist die Fragestellung dahin zu begrenzen, daß die Entscheidung über die Gültigkeit des § 38 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes erbeten wird. Das Gericht hat die Verfassungsvorschrift, mit der diese Gesetzesbestimmung unvereinbar sein soll, nicht ausdrücklich genannt (§ 80 Abs. 2 BVerfGG). Aus dem Zusammenhang der Begründung und den Hinweisen auf die frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann aber entnommen werden, daß das Gericht Unvereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) annimmt.
III.
§ 38 Abs. 2 Satz 1 des Feuerwehrgesetzes ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
1. Entgegen der Meinung des vorlegenden Gerichts ist die rechtliche Natur der Feuerwehrabgabe im Gesetz nunmehr klargestellt, zumal wenn zu seiner Auslegung die Gesetzgebungsverhandlungen, vor allem die Begründung des Regierungsentwurfs (Landtag von Baden-Württemberg, 2. Wahlperiode 1956 bis 1960, Beil. 2965), herangezogen werden. Es handelt sich um eine “Ausgleichsabgabe” eigener Art, die sich der herkömmlichen Einteilung in Steuern, Gebühren, Beiträge (§ 1 AO ) nicht ohne weiteres einfügt. Ihr Grundgedanke ist folgender: Das Gesetz bestimmt in § 12 Abs. 1, daß alle gesundheitlich tauglichen Männer vom 18. bis zum 50. Lebensjahr zum Dienst in der Feuerwehr verpflichtet sind. Da aber nicht alle Dienstpflichtigen tatsächlich zur Dienstleistung benötigt werden, sollen die Dienstpflichtigen, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht zum Dienst herangezogen werden, zum Ausgleich eine Geldleistung erbringen. Der Kreis der Feuerwehrdienstpflichtigen deckt sich also völlig mit dem der Abgabepflichtigen (§ 38 Abs. 2 Satz 1); innerhalb dieses einheitlichen Kreises bestehen zwei Gruppen, die die Feuerwehrdienstpflicht in zwei verschiedenen Formen erfüllen: die einen durch tatsächliche Dienstleistung in der Feuerwehr, die andern durch Zahlung einer Ausgleichsabgabe. Ob der einzelne Pflichtige zur einen oder zur anderen Gruppe gehört, entscheidet allein die Gemeinde als Träger der Feuerwehr (vgl. § 11 Abs. 3, § 12 Abs. 2 bis 4, §§ 13, 14). Hierin liegt nach der Auffassung des Gesetzgebers ein Merkmal, das die “Ausgleichsabgabe” vom “Ersatzfeld” unterscheidet, bei dem der Pflichtige nach seiner Wahl sich von einer ihm auferlegten Leistungspflicht durch Zahlung eines Geldbetrags “loskaufen” kann.
2. Gegen diese Regelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Die Begründung einer Feuerwehrdienstpflicht für die gesundheitlich tauglichen Männer zwischen 18 und 50 Jahren ist durch Art. 12 Abs. 2 Satz 1 GG gedeckt. Die Feuerwehrdienstpflicht gehört, im großen gesehen, in Deutschland zu den herkömmlichen Pflichten des Bürgers. Selbstverständlich ist diese Dienstleistungspflicht auch dann noch “allgemein” und “für alle gleich”, wenn sie auf Männer bestimmter Jahrgänge beschränkt wird; die Verfassung will nur die Belastung Einzelner ausschließen, nicht aber verbieten, daß die Gruppe derjenigen, die für eine Dienstleistung gerade dieser Art vernünftigerweise in Betracht kommen, im ganzen belastet wird.
b) Der Gleichheitssatz ist nicht verletzt. Der Gesetzgeber war gerade von dem Bestreben geleitet, die Dienstpflichtigen gleichmäßig zu belasten, indem er denen, die zur Dienstleistung nicht herangezogen werden, die Zahlung einer Ausgleichsabgabe auferlegte. Er wird damit dem Gleichheitssatz und dem aus ihm folgenden Prinzip der möglichst gleichmäßigen Verteilung öffentlicher Lasten auf alle Beteiligten jedenfalls besser gerecht, als wenn er sich mit der Dienstleistung eines Teils der Dienstpflichtigen begnügt und die übrigen von jeder Belastung freigelassen hätte. Von der Konzeption des Gesetzes aus – gleiche Belastung aller Dienstpflichtigen, nur in verschiedenen Formen – ist nicht zu beanstanden, daß auch diejenigen die Ausgleichsabgabe zu zahlen haben, die an sich zum Dienst bereit wären, aber mangels eines Bedürfnisses nicht herangezogen werden; sie werden – der Idee nach – weder mehr noch weniger, sondern nur in anderer Form belastet. Die Landesregierung ist mit Recht der Ansicht, daß eine Freistellung der nicht herangezogenen Dienstwilligen diese sowohl gegenüber den Dienstleistenden wie gegenüber den nicht herangezogenen Nichtdienstwilligen ungerechtfertigt begünstigen würde.
3. Die Bedenken des vorlegenden Gerichts gegen die Feuerwehrabgabe greifen demgegenüber nicht durch.
a) Art. 105 Abs. 2 GG steht der Regelung nicht entgegen. Die Feuerwehrabgabe gehört nach ihrem Grundgedanken, ihrem Zweck und ihrer Ausgestaltung nicht zu den Steuern, die durch diese Verfassungsbestimmung der Gesetzgebung der Länder entzogen werden. Abgesehen davon, daß der Gesetzgeber die Gestaltung der Feuerwehrabgabe als Steuer ausdrücklich abgelehnt hat (s. bereits die Begründung des Regierungsentwurfs unter I 1, ferner die Ausführungen des Regierungsvertreters in der 89. Sitzung des Landtags, Prot. S. 4830 f. und 5042), ist sie auch materiell keine Steuer im abgabenrechtlichen Sinn. Sie steht im Rahmen einer öffentlichen Dienstleistungspflicht und gehört mit ihr untrennbar zusammen; sie bildet die eine Form, in der diese im Interesse der Gemeinschaft einer bestimmten Gruppe auferlegte Last getragen wird und setzt demgemäß – ohne Rücksicht auf die allgemeine steuerliche Leistungsfähigkeit des Pflichtigen – da ein, wo die Gemeinschaft die Dienstleistung selbst aus sachlich motiviertem Grund nicht in Anspruch nimmt. Gegenüber diesem gesetzgeberischen Motiv der gleichmäßigen Verteilung einer öffentlichen Last erscheint die Beschaffung von Mitteln für die gemeindlichen Feuerwehren nicht als der primäre Zweck der Abgabe.
b) Das Verwaltungsgericht meint – und es beruft sich dabei auf die frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts –, es gehöre zum Wesen eines “Ersatzgeldes”, daß es “an die Stelle einer eigentlich und in erster Linie geschuldeten persönlichen Dienstleistung” trete; da eine allgemeine persönliche Dienstleistungspflicht hier rechtlich gar nicht gewollt sei, dürfe die Abgabe höchstens von denen erhoben werden, die einem Heranziehungsbescheid nicht Folge leisteten. Diese Interpretation der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist zu eng. Dort ist nur ausgesprochen, daß der Feuerwehrbeitrag in der damals vorliegenden Form auch dann nicht haltbar sei, wenn er als “Ersatzgeld” bezeichnet werde; denn es seien auch die beitragspflichtig, die in einer Pflichtfeuerwehr nicht dienstpflichtig wären, namentlich die dauernd Dienstunfähigen (a.a.O. S. 299 f.). Wie die Landesregierung zutreffend annimmt, ist in der Entscheidung über die Zulässigkeit eines als Ausgleichsabgabe gestalteten Feuerwehrbeitrags nichts Abschließendes gesagt. Der Gesetzgeber mußte sich darüber klar werden, ob und in welchem präzisen Sinne er eine Ersatz- oder Ausgleichsabgabe schaffen wollte, denn nur dann konnte er eine Verletzung des Gleichheitssatzes vermeiden.
Im übrigen ist die Ansicht des Verwaltungsgerichts unrichtig, die Feuerwehrdienstpflicht sei nicht als ernsthafte Verpflichtung gewollt. Das Gericht meint anscheinend, das Gesetz wolle den Gemeinden nur Geldmittel für die Feuerwehr zuführen, an der Erfüllung der Feuerwehrdienstpflicht liege ihm nichts. Dies annehmen hieße, über den Wortlaut des Gesetzes hinweggehen und dem Gesetzgeber Motive unterstellen, für die sich in den Gesetzgebungsverhandlungen kein Anhalt findet. Unzweifelhaft war es die Absicht des Gesetzgebers, den 18 – bis 50jährigen Männern eine besondere Leistung zum Zwecke des Feuerschutzes aufzuerlegen, die in erster Linie durch aktiven Dienst in der Feuerwehr erbracht werden soll. Es mag sein, daß in vielen, namentlich den kleineren Gemeinden zur Zeit die freiwilligen Meldungen zur Bildung einer leistungsfähigen Feuerwehr ausreichen, so daß es nicht erforderlich wird, Dienstpflichtige durch förmlichen Verpflichtungsbescheid zum Dienst heranzuziehen. Daraus ist aber nicht zu schließen, daß die Feuerwehrdienstpflicht “alles andere als ernsthaft gewollt” sei. Hören die freiwilligen Meldungen auf oder geht ihre Zahl zurück – eine Erscheinung, die, wie in den parlamentarischen Verhandlungen mehrfach betont wurde, in vielen kleinen Gemeinden zu beobachten ist –, so müssen die Heranziehungen entsprechend zunehmen. Es verschlägt demgegenüber nichts, daß – jedenfalls augenblicklich – nur selten das gesamte “Kräftereservoir” der Dienstpflichtigen für den aktiven Feuerwehrdienst ausgeschöpft wird; als potentielle – und insoweit durchaus ernstgemeinte – öffentliche Dienstleistungspflicht bleibt die Feuerwehrdienstpflicht immer bestehen.
Erscheint so die Feuerwehrabgabe im oben dargelegten Sinne nur als eine andere Form der Erbringung der besonderen öffentlichen Last der Feuerwehrdienstpflicht, so kann von einem Verstoß gegen Treu und Glauben, den das Gericht hierin sehen will, nicht die Rede sein, zumal die Abgabe ihrer Höhe nach im Verhältnis zu den Leistungen der tatsächlich in der Feuerwehr Diensttuenden verhältnismäßig gering ist.
c) Die Möglichkeit der Staffelung der Abgabe nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Pflichtigen (§ 38 Abs. 4) ist sachgerecht, weil der auszugleichende Vorteil vor allem in Zeitersparnis besteht und deren wirtschaftlicher Wert bei den einzelnen Pflichtigen je nach ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Lage sehr verschieden sein kann.
Wird die Abgabe lediglich nach Altersklassen, also nach “persönlichen Verhältnissen”, abgestuft (wie in der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Gemeindesatzung), so trifft sie zwar die Unbemittelten härter als die Begüterten. Angesichts der geringen Höhe des Abgabesatzes kann dieses Bedenken aber zurückgestellt werden.
Fundstellen
BVerfGE, 167 |
NJW 1961, 2155 |
MDR 1962, 24 |